Wie die Schriftstellerin Andrea Schwarz den Glauben im Alltag lebt

"Leg deine Chipstüte aus der Hand und brich auf"

Veröffentlicht am 01.02.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Serie: Mein Glaube

Bonn ‐ Andrea Schwarz gehört zu den meistgelesenen christlichen Schriftstellern in Deutschland. Die gelernte Industriekauffrau wagte immer wieder einen Neuanfang. Im Interview erzählt sie von ihrem Glauben.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Frage: Frau Schwarz, mit über 50 veröffentlichten Büchern sind Sie neben Anselm Grün die erfolgreichste christliche Autorin in Deutschland.

Schwarz: Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich bin erfolgreicher als andere vielleicht, aber ob ich die erfolgreichste christliche Autorin bin, weiß ich nicht. Es sind einfach weniger Frauen, die schreiben.

Frage: Woran mag das liegen?

Schwarz: Im spirituellen Bereich schreiben eher Männer, die Priester oder Ordensleute sind. Vielleicht nehmen denen die Leser eher etwas ab als uns Frauen?

„Ich glaube an einen Gott, der die Befreiung der Menschen will, der das Leben in Fülle zusagt.“

—  Zitat: Andrea Schwarz

Frage: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Schwarz: Geplant war es nie. Für mich ist Schreiben, Eindrücke zum Ausdruck zu bringen und damit zu verarbeiten. Ich war in der Schule im Deutschunterricht ganz gut, habe viele Briefe und Tagebuch geschrieben und  ab und an kleinere Texte veröffentlicht. 1982 kam ein Kollege aus der Jugendarbeit, der für den Herder-Verlag ein Jugendgebetbuch erarbeiten sollte, auf mich zu. Er hat mich dreimal angefragt, ob ich ihm Texte zur Verfügung stelle. Irgendwann wurde es mir zu dumm und ich habe ihm einen drei Zentimeter hohen Stapel Papier hingelegt und gesagt: "Such dir was aus". Die ersten Texte kamen so 1982 in dem Büchlein "Anstiftungen" heraus. Dann kamen einige Leserbriefe an mich zurück. Da kam mir der Gedanke, wenn Menschen mit meinen Texten etwas anfangen können, dann gehören die Texte zu den Menschen.

Frage: Was möchten Sie Ihren Lesern weitergeben?  

Schwarz:  Ich denke, ich kann in den Bereichen etwas geben, wo ich den Glauben mit dem Alltag verknüpfe. Zum Beispiel wie das geht, Gott im Alltag zu suchen. Oder anders herum gesagt, versuche ich in meinen Texten aus biblischer Sicht Glaubenssätze in den Alltag zu tragen und ins Heute zu übersetzen.

Frage: Verspüren Sie so etwas wie einen Verkündigungsauftrag?

Schwarz: Nein, kein Verkündigungsauftrag. Ich möchte Zeugnis geben von dem, was ich glaube. Ich verstehe mich als Wegbegleiterin. Wer meine Einladung annimmt, der nimmt sie an. Man kann die Hunde nicht zum Jagen tragen - so sagt es ein altes Sprichwort. Oder spirituell gesagt: Wer sitzen bleiben will, braucht keinen Wegbegleiter. Ich biete mich an für den, der losgehen will, aber ich trage niemanden vom Fleck weg.

Bild: ©Willi Rolfes

Die Schriftstellerin und Buchautorin Andrea Schwarz im Gespräch mit Journalisten in Hannover am Annateich zur Vorstellung ihres neuen Buches "Frei! Sehnsuchtsvoll leben. Die Botschaft der Wildgänse".

Frage: Was möchten Sie mit Ihren Büchern erreichen?

Schwarz: Ich möchte die Menschen zum Aufbruch bewegen und Ihnen sagen: "Leg deine Chipstüte aus der Hand und brich auf, lass deine Wohnlandschaft hinter dir und bleib nicht im bürgerlichen Suppentopf stecken." Ich möchte Mut dazu machen, das Neue zu wagen. In meinem Leben gab es ca. alle zehn Jahre einen Neuaufbruch - von der Industrie zur Sozialpädagogik, von Südafrika ins Emsland. Und jetzt bin ich pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und leite Exerzitien. Es gab für mich immer wieder einen Neuanfang - und das finde ich spannend und lebendig.

Frage: Ein Tipp von Andrea Schwarz: Wie kann man erspüren, wann der nächste Aufbruch dran ist?  

Schwarz: Kein Tipp von Andrea Schwarz. Es gibt kein Standardrezept. Jeder muss gucken, was für einen selber passt. Wegbegleiter helfen, solche Wege zu finden. Für mich ist eine wertvolle Richtschnur, was mir eine alte Ordensfrau einmal gesagt hat: "Wähle das, was dich lebendiger macht". Das heißt für mich, nicht das zu tun, was einfacher ist, was preiswerter ist, was glücklicher macht, nein, sondern das, was mich lebendiger macht. Das heißt auch, Einsamkeit und Dunkelheit auszuhalten, denn Aufbruch ist immer auch ein Risiko. Jeder muss schauen, was ihn lebendig hält und was für ihn oder sie lebensmöglich ist. Der eine braucht mehr Geborgenheit, die andere mehr Aufbruch.

Frage: Was bedeutet Glauben für Sie?

Schwarz: Für mich ist Glauben immer ein Aufbrechen aus der Hoffnung heraus. Ich glaube an einen Gott, der die Befreiung der Menschen will, der das Leben in Fülle zusagt. Mit 16 Jahren war ich sehr kirchenfern und habe gar nichts mehr geglaubt. In der Jugendarbeit bin ich dann über einen Kaplan mit einem Glauben in Berührung gekommen, der zum Leben befreit.

Player wird geladen ...
Video: © Kirchenbote Osnabrück

Die Schriftstellerin Andrea Schwarz glaubt an einen Gott, der befreit. "Gott ist ein Gott der Liebe, der Liebe in Fülle will und Lebendigkeit", so Andrea Schwarz im Video-Interview.

Frage: Wo wünschen Sie sich mehr Aufbruch in der Kirche?

Schwarz:  Einiges liegt in der Kirche im Argen. Das liegt aber meistens am Bodenpersonal und was es aus der Botschaft gemacht hat. Ich erlebe demgegenüber viel Befreiendes, viel Heimat im Glauben, ich erlebe viele aufrichtig suchende Menschen, die mit mir auf dem Weg sind. Deshalb bin ich noch dabei in der Kirche, sonst wäre ich schon längst gegangen. Ich finde es zum Beispiel schade, dass Frauen in der katholischen Kirche nicht Priesterinnen sein können. Diese Zeit wird kommen, aber ich werde sie nicht mehr erleben.

Frage: Verzweifeln Sie daran?

Schwarz: Ich würde das nicht so dramatisch sagen. Mich hat das Leben gelehrt, mit dem Kopf nicht gegen Betonwände zu rennen. Ich habe gelernt zu schauen, wie komme ich gut links oder rechts daran vorbei. Und ich kann doch vieles tun! Zum Beispiel habe ich im Rahmen meiner Arbeit als pastorale Mitarbeiterin Verstorbene beerdigt. Das ist ein wichtiger Dienst an den Menschen. Mit geht es nicht um Macht, mir geht es nicht drum, Recht zu haben. Mir geht es drum, die Botschaft die ich verstanden habe, weiterzugeben.

Frage: Und welche Botschaft ist das?

Schwarz: Diese Botschaft steht unter anderem in der Bibel bei Lukas 4,16-18. Es ist Jesu Auftreten in Nazareth. Da heißt es: "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze." Was ich davon verstanden habe? Ich bin damit gemeint. Das gilt mir. Nur wenn ich selbst befreit bin, kann ich auch anderen davon erzählen: Ein Gott, der aus Gefängnissen herausholen will, der meine Freiheit und das Leben will. Das ist manchmal unbequem. Mit moralischen Appellen oder erhobenem Zeigefinger kommt man da nicht weiter. Ich möchte einfach zum Leben und zur Lebendigkeit einladen!

Von Madeleine Spendier

Zur Person

Andrea Schwarz stammt aus Wiesbaden. Nach der Ausbildung zur Industriekauffrau sattelte sie um und studierte Sozialpädagogik. Sie arbeitete zuerst als Dekanatsjugendreferentin im Erzbistum Freiburg, später als Diözesanleiterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. 1988 wagte sie den Sprung in die Freiberuflichkeit und bietet seitdem Seminare für kirchliche Mitarbeiter an, begleitet Menschen als Beraterin, leitet Besinnungstage und ist seit 2008 Trainerin in Bibliolog, einer neuen Form der Bibelarbeit. Schwarz schreibt Gedichte, Märchen, Erzählungen, geistliche Texte. Ihr erstes Buch "Ich mag Gänseblümchen" war auch ihr erster großer Erfolg. Von 1999 bis 2009 arbeitete Schwarz in zwei Pfarrgemeinden in Viernheim im Bistum Mainz. Von 2009 bis 2012 engagierte sie sich unter anderem ehrenamtlich bei den Missionsschwestern vom kostbaren Blut in Mariannhill in Südafrika. Seit 2012 ist sie teils pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und teils weiter freiberuflich tätig. (msp/luk)

Themenseite: Mein Glaube, mein Leben

Jedes Jahr treten zahlreiche Menschen aus der Kirche aus. Doch es geht auch anders herum. Die Themenseite bündelt Porträts über Menschen, die sich als Erwachsene für die Kirche entschieden haben oder ihren Glauben in einer besonderen Weise leben.