Weihbischof Ansgar Puff über den Tod eines Obdachlosen

"Die ganze Szene ist beunruhigt"

Veröffentlicht am 16.11.2016 um 15:20 Uhr – Lesedauer: 
Soziales

Köln ‐ In Köln wurde ein Obdachloser brennend aufgefunden. Weihbischof Ansgar Puff erfuhr von dem Tod des Mannes, als er mit tausenden Obdachlosen auf Pilgerfahrt beim Papst war. Er berichtet über sein Entsetzen.

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Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff war mit einer Gruppe von über 120 Obdachlosen in Rom. Im katholisch.de-Interview erklärt er, was konkret nach dem Jahr der Barmherzigkeit für Bedürftige getan werden muss - gerade von der Kirche. Der Weihbischof äußert sich auch zu dem Obdachlosen, der in Köln verbrannte.

Frage: Herr Weihbischof, die Obdachlosenwallfahrt ist vorbei. Papst Franziskus hat einen deutlichen Apell ausgesandt: Vergesst die Bedürftigen nicht. Was kann das bewirken?

Puff: Der Appell und auch diese Reise bewirkt, dass die Wohnungslosen sich in einer Weise wertgeschätzt und geliebt fühlen, wie sie das niemals erwartet hätten. Viele haben mit Tränen in den Augen davon berichtet, wie es sie berührt hat, dass dieser Papst ihnen die Hand gegeben hat, dass er für sie da war. Wenn sie jetzt nach Hause kommen, dann müssen wir dafür sorgen, dass das keine singuläre Erfahrung bleibt.

Frage: Inwiefern?

Puff: Das muss jetzt auf die Pfarrebene runtergebrochen werden. Wenn zum Beispiel vor einer Kirche jemand steht und eine Obdachlosenzeitung verkauft, wäre mein Wunsch, dass der Pfarrer ihn in die Kirche mitnimmt, ihn mit dem Namen vorstellt und sagt: "Das ist einer unserer Mitarbeiter. Er verkauft diese Zeitung und liebe Gemeinde überlegen Sie bitte, ob Sie ihm nicht etwas aufkaufen wollten." Die Wohnungslosen müssen aus dieser Anonymität herauskommen und wirklich Würde bekommen. Ich glaube, dass sich das Bild nach der Wallfahrt auch weiter fortsetzen wird, dass da ein neues Bild von Kirche entstanden ist.

Bild: ©KNA

"Wir waren alle entsetzt": der Kölner Weihbischof Ansgar Puff über den Obdachlosen, der am Wochenende in Köln wohl verbrannt wurde.

Frage: Also rufen Sie dazu auf, Obdachlose und Bedürftige in die Kirchen einzuladen. Was denken Sie, wenn Sie die Bettler vor den Türen des Kölner Doms sitzen sehen?

Puff: Mit einem von ihnen habe ich mich ein bisschen angefreundet. Ich weiß, wie er heißt und wir begrüßen uns sehr herzlich. Ich hoffe, dass er für mich ab und zu mal ein Gebet spricht. Bei vielen Bettlern vor dem Kölner Dom glaube ich aber, dass das eine Organisation ist. Ich vermute, dass sie aus Rumänien sind. Mein Eindruck ist, dass sie im richtigen Dreischicht-System arbeiten. Die Hintermänner kenne ich aber nicht. Ich glaube, dass man da sehr gut überlegen muss, wie viel hat so einer, dem man da Geld gibt, nachher wirklich selbst in der Tasche?

Frage: Vor dem Bonner Münster werden ja wegen dieser organisierten Banden keine Bettler mehr geduldet. Wie passt das mit einer geforderten Offenheit für alle zusammen?

Puff: Keine Bettler mehr vor einer Kirche zu dulden ist für mich persönlich, ohne dass ich die Bonner kritisieren will, ein No-Go! Arme haben sich schon immer an die Kirche gewandt. Das gehört dazu. Der Platz vor der Kirche ist ein berechtigter Platz. Aber ich würde mir wünschen, dass diese Menschen nicht nur vor der Kirche geduldet werden. Wir sollten sie kennen lernen, mit ihnen in Beziehung treten und ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken, als bisher.

Frage: Genau dafür hat sich auch Papst Franziskus stellvertretend für alle Christen entschuldigt:  Dafür, dass bewusst über Bedürftige hinweggesehen wird. Fühlen Sie sich dabei selbst angesprochen?

Puff: Ja, natürlich. Allein in Rom habe ich diese Erfahrung gemacht. Als ich diese Tage dort mit den Wohnungslosen durch die Gegend gegangen bin, waren auf jeden Schritt und Tritt Leute da, die gebettelt haben. Natürlich kann man dem einen mal was geben, auch zwei oder drei, aber auch nicht allen. Deswegen ist es ganz klar, dass ich mich da auch angesprochen fühle.

Linktipp: Von der Straße zum Papst

Ein Höhepunkt der Barmherzigkeit im Heiligen Jahr: Tausende Obdachlose und Bedürftige waren der Einladung des Papstes in den Vatikan gefolgt. Dessen Gesten sprachen Bände.

Frage: In Köln ist Sonntagnacht, während tausende Obdachlose im Vatikan bei Papst Franziskus waren, ein Obdachloser gestorben. Er wurde wohl im Schlaf verbrannt. Was empfinden Sie bei einer solchen Nachricht gerade nach der Obdachlosenwallfahrt?

Puff: Wir waren alle entsetzt. Der Obdachlosenseelsorger in Köln, Bruder Jürgen, ist nach seiner Ankunft in Köln sofort wieder los und hat sich um die Leute gekümmert. Die ganze Szene ist natürlich jetzt beunruhigt. Wir sind gerade dabei, über unsere Kontakte herauszufinden, ob der Tote Angehörige hat und ob sie sich um die Beerdigung kümmern. Wenn nicht, würden wir natürlich einspringen. Es gibt aber erste Schritte, dass es in den nächsten Tagen eine ökumenische Gedenkfeier für den Verstorbenen geben soll. Das organisieren gerade die Obdachlosenseelsorger in Köln.

Frage: Was muss die Kirche tun, um sich die oft unmenschliche Behandlung von Bedürftigen zu beenden?

Ich bin sehr froh, dass wir als Kirche schon wahnsinnig viel tun. Wir können auf unsere Mitarbeiter sehr stolz sein. Wir haben sehr viele Einrichtungen: von Wohnungslosenarbeit über die Caritasverbände, die Arbeit von SKF (Sozialdienst katholischer Frauen) und SKM (Katholischer Verband für soziale Dienste in Deutschland). Die Art, wie sie mit den wohnungslosen Personen umgehen, wie respektvoll sie sind und wie sie sich kümmern, das hat mich sehr tief beeindruckt. Wir haben schon jetzt richtig gute Mitarbeiter in der Kirche für dieses Klientel.

Von Julia Martin