Wo ist das Christkind?
Advent, so heißt diese Zeit des Wartens auf die Ankunft des Herrn. Besinnlichkeit und Ruhe versprechen diese Wochen. Eine Einkehr, zu der auch der Nürnberger Adventsweg einladen will. In vier Kirchen vom Hauptbahnhof bis zur Burg können sich Besucher bis Weihnachten persönliche Impulse abholen. Der Flyer wirbt: "Advent ist der Weg - Weihnachten ist das Ziel". Im Advent würden sich Menschen auf den Weg zur Krippe aufmachen. Doch in der Nürnberger Fußgängerzone zeichnet sich zwischen dem Geruch von Bratwürsten, Glühwein und Elisenlebkuchen bei 13 Grad ein anderes Bild.
Stationen der Einkehr und Besinnung
Am Freitagabend wurde der weltberühmte Christkindlesmarkt eröffnet. An den Buden konnte schon vor dem offiziellen Startschuss geschlemmt werden. Eine Verkäuferin bietet den Vorbeilaufenden Lebkuchen an, am Glühweinstand verteilen sich die ersten Weinflecken auf der Kleidung der Besucher. Gegen diesen Kommerz des Advents will der Adventsweg Alternative sein. Vom Hauptbahnhof bis zum Hauptmarkt kommen die Besucher an drei teilnehmenden Kirchen vorbei. Die vierte ist nicht weit hinter dem Christkindlesmarkt. Vier Stationen der Einkehr, vier Stationen der Besinnung, vier Stationen mit unterschiedlichen Impulsworten. In den vergangenen beiden Jahren sei der Adventsweg gut besucht gewesen, erzählt Jürgen Kaufmann, Pastoralreferent der Offenen Kirche St. Klara. Das katholische Gotteshaus ist die zweite Station des Impulsweges.
Doch auch die erste Kirche ist eine besondere Station. Sie ist im Sommer 2014 komplett ausgebrannt und wird derzeit aufwendig renoviert. Ein Hindernis? Nein, denn der Abendmahlstisch und zwei Kirchenbänke konnten gerettet werden. Als Provisorium stehen sie im Gemeindesaal. Auch die Kirche selbst öffnet im Advent trotz Bauschutt und Gerüsten ihre Türen an den Adventswochenenden. Der gerettete Tisch soll den Impuls "Wort" in zweierlei Hinsicht geben: "Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns." Am Anfang des Weges steht immer das Wort. Doch nicht nur die Menschen, auch die Gemeinde hat sich auf den Weg gemacht, etwas neu aufzubauen. Im Dezember nächsten Jahres soll die Christmette in der sanierten Kirche stattfinden. "Eine Taufe haben wir hier trotz Baustelle schon gefeiert", erzählt Pfarrer Dieter Krabbe.
Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite ist St. Klara. Vor dem Plakat für den Adventsweg steht eine Glühweinbude, an der Wand sitzt ein Obdachloser. Eine Frau mit Kamera in der Hand geht zögernd in die Kirche. Rechts im Vorraum ist eine Kerzenwand, links vor der heiligen Klara die Adventsstation mit dem Impuls "Licht". Die heilige Klara als Begleiterin des heiligen Franziskus war für arme Menschen ein Lichtblick im Dunkel der Verzweiflung. "Biblisch passt das Licht vielleicht nicht ganz in den Adventsweg. Aber wir bringen die soziale Komponente ein, für die wir hier in St. Klara stehen", erklärt Jürgen Kaufmann. Regelmäßig hält er hier mit Seelsorger Ansgar Wiedenhaus Trauerandachten ab. Auch außerhalb dieser Zeiten haben Menschen in St. Klara die Möglichkeit, ihre persönliche Trauer aufzuschreiben und den Zettel in eine Trauerwand zu stecken. Der Adventsweg will noch mehr darauf aufmerksam machen und ein Licht in dunklen Zeiten sein. An der Kerzenwand kniet die Frau. Sie hat ihre Kamera weggelegt.
Die Touristen auf dem Weg nach St. Lorenz sind dafür fleißig am fotografieren. Die Gassen sind mit Weihnachtslichtern geschmückt, ein Souvenirladen hat Weihnachtsfahnen angebracht. Darauf zu sehen: Weihnachtsmann mit Rentieren. Ein paar Meter weiter steht der Aufsteller für den Adventsweg in der Lorenzkirche. Auch die Reisegruppe verschlägt es in das Innere der reformierten gotischen Kirche. Im Gegensatz zu vielen anderen evangelischen Gotteshäusern erzählen in St. Lorenz die Heiligenfiguren von der katholischen Vorgeschichte. Der Engelsgruß soll den Impuls "Hoffnung" geben. Das geschnitzte Kunstwerk schwebt zentral im Hallenchor und zeigt den Erzengel Gabriel und Maria. Ein Kind wird sie bekommen, den Sohn Gottes. Der Engel weckt bei Maria Hoffnung. Bei Christen soll auch der Advent ein Zeichen der Hoffnung auf den Retter und Erlöser sein, meint Jürgen Kaufmann.
Dieser Erlöser wird in St. Sebald mit dem Impuls "Kind" symbolisiert. Hinter Adventsschmuckbuden und Bratwurstständen wartet das Gotteshaus geduldig und im Lichtermehr des Marktes beinahe unscheinbar auf seine Besucher. Zwei Menschen sitzen betend abseits von Glühweinduft in den hinteren Reihen. Wer nach St. Sebald kommt, hat den Christkindlesmarkt hinter sich gelassen. An zwei Säulen im Chorraum sind lebensgroße Marienstatuen mit dem Jesuskind. Jesus ist es, dessen Geburt Christen an Weihnachten feiern. Gott ist Mensch geworden. Er ist die Hoffnung, die an Weihnachten in die Welt kommt. An ihn will auch die Stadtkirche Nürnberg die Marktbesucher erinnern. Das Erzbistum Bamberg und das Bistum Eichstätt teilen sich die Stadt Nürnberg. Die Stadtkirche als Institution organisiert die Großstadtseelsorge der beiden Nürnberger Dekanate. Auf der Bühne des Christkindlesmarktes gibt es täglich ein Adventswort. 90 Sekunden für Gott und Vorbereitung auf Christi Geburt am Weihnachtsfest.
"Viel zu warm für Glühwein"
An Weihnachten können jetzt - Ende November - nur wenige Besucher des Christkindlesmarktes denken. "Viel zu warm für Glühwein", sagt ein Mann, während er versucht, sich die Weinflecken von der Jacke zu wischen. Vielleicht war er bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes und hörte den Prolog des Christkindes. Der jungen Frau mit den Rauschgoldlocken, die vom Frieden in der Weihnachtszeit erzählt. Nebenan werden Bratwürste im Fett gewendet. Nach St. Sebald wird er es wohl nicht mehr schaffen.