Gebet um Frieden - Sorgen vor Augen
Die Weihnachtsmarktbuden sind noch aufgebaut. Auf dem Domplatz von Riga riecht es nach Glühwein und Holzkohlefeuer. Zwischen den Ständen schlendern vor allem junge Erwachsene mit großen Stadtplänen in den Händen. Jugendliche Gesichter blicken mit großen Augen und Kopf im Nacken an den eindrucksvollen Fassaden der Altstadt hinauf.
Rund 15.000 junge Menschen aus vielen Nationen sollen derzeit auf dem "Pilgerweg des Vertrauens" in der Stadt sein. Jedes Jahr lädt die ökumenische Gemeinschaft von Taize dazu in eine andere europäische Metropole ein. Obwohl kein Schnee liegt, wirkt Riga wie in Watte gepackt. Es ist ein ruhiges Treffen in der lettischen Hauptstadt. Die meisten der rund 700.000 Bewohner nutzen die Zeit "zwischen den Jahren", um die letzen Tage des auch für Lettland bewegten 2016 in Ruhe zu genießen. Außerhalb des Zentrums läuft man durch Geisterstraßen.
"Wir beten um Frieden und Freiheit"
Erst wenn am Abend die jungen Pilger zum Gebet zusammenkommen, werden die Ausmaße des Jugendtreffens wirklich sichtbar. Tausende strömen dann in die Mehrzweckarena nahe der Altstadt. Auf dem anderen Ufer des Flusses Düna füllt sich die größte Messehalle des Baltikums binnen Minuten.
Teilnehmer von des letztjährigen Treffens berichten über spontane abendliche Gesänge in den Straßen. Das Jugendtreffen fand allerdings im spanischen Valencia und nicht im Nordosten Europas statt. "Da war es deutlich wärmer", erinnert sich Carsten Jaskola. Der 24 Jahre alte Student aus Köln hat eben im evangelisch-lutherischen Dom von Riga eine Podiumsdiskussion zur politischen Situation in Lettland besucht. "Wir beten um Frieden und Freiheit", betonten dort die lettischen Teilnehmer.
Wer um Frieden betet, hat hier die Sorge vor dem Krieg vor Augen. Der große Nachbar Russland ist in Lettland sehr präsent. Erst vor 25 Jahren wurde Lettland unabhängig. Die meisten Letten erinnern sich noch an die Zeit, als sie Bürger einer Sowjetrepublik waren. Jetzt fürchten sie im Nachgang der US-Wahlen eine geschwächte Position der Nato im Osten Europas.
Für Simone Pape, 20 Jahre alt und ebenfalls aus Köln, machen diese Gespräche und Begegnungen den besonderen Reiz von Taize-Treffen aus. "Man kann sich sein Programm nach Interesse auswählen, zum Beispiel diese historischen Themen", sagt sie. "Die Treffen von Taize sind viel persönlicher und familiärer als der Weltjugendtag mit seinen Millionen Teilnehmern", ergänzt Jaskola.
Mit gutem Wetter gesegnet
Während die beiden erzählen, steigen keine kleinen Atemwölkchen vor ihren Gesichtern auf. Mit Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt ist es ein ungewöhnlich warmer Winter für Riga. Hier wurden auch schon 30 Grad Minus gemessen. Rigas katholischer Erzbischof Zbignevs Stankevics meint augenzwinkernd: "Wir haben zur Zeit das beste Wetter in Europa. Das muss ein göttliches Zeichen sein."
Göttliches Zeichen oder nicht - die Teilnehmer sind froh, dass die Glühweinstände noch nicht abgebaut sind. Denn außer Gesang und Gebeten sorgen schließlich auch Heißgetränke für innere Wärme.