Zivilisation!
Auf die Frage, was er von der westlichen Zivilisation halte, antwortete Mahatma Gandhi 1931: "Ich denke, sie wäre eine sehr gute Idee." 86 Jahre später steht in dieser Beziehung wieder einiges auf dem Spiel: Donald Trump tritt in Washington an, Robert Mugabe macht in Simbabwe weiter. Frankreich stimmt im Mai für oder gegen Marine Le Pen, im September Deutschland gegen oder für die AfD. Europa hat noch seine Wahl.
Wäre das Narrativ von der "postfaktischen Demokratie" wahr, dann wäre 2017 das erste komplett postfaktische Jahr der Menschheitsgeschichte. Was also wollen wir fortan tun: nichts mehr glauben, was in der Zeitung vulgo Lügenpresse steht? Alles glauben, was in den Einstellungen meiner "Sozialen Medien" für mich vorsortiert oder von Meinungsmaschinen, sogenannten "Social Bots", eigens für meine Zielgruppe als Wahrheit geschaffen wurde? Vielleicht meinte Anton Tschechow 2017, als er schrieb: Jeder Idiot kann eine Krise meistern – es ist der Alltag, der uns umbringt.
Und was war noch? Der Erfinder des Überraschungseies ist überraschend gestorben; der philippinische Rambo-Präsident Duterte will seine eigene Kirche gründen, die keine Regeln kennt und jedem Mann fünf Frauen zugesteht; und EKD-Botschafterin Margot Käßmann will das Reformationsgedenkjahr 2017 im Pazifik eröffnen, an der Datumsgrenze, um auf den Chatham Islands die aufgehende Sonne im Rahmen einer Zeremonie zu begrüßen. Sie halte die Reise für mit den EKD-Klimaschutzzielen vereinbar, weil zugleich in einen entsprechenden Kompensationsfonds eingezahlt werde, erläuterte sie. Ein Twitter-User meinte dazu: Die Feiern zum Lutherjahr mit einer Ablasszahlung für Umweltsünden zu beginnen – "das ist genau mein Humor!"
Dann war da noch der WDR, der am Freitag das Gerücht streute, der Bundesinnenminister wolle 22.000 Koran-Exemplare vergraben lassen, die Salafisten in deutschen Fußgängerzonen verteilen wollten. Das Ministerium in Berlin dementierte, aber das Gedankenspiel bleibt archäologisch reizvoll. Ein Koran-Endlager in der Uckermark? Das wäre eine Fundgrube für künftige Forschergenerationen, um Rückschlüsse auf die westliche Zivilisation des frühen 21. Jahrhunderts zu ziehen.
Bei solchen Gedanken möchte man zu Silvester aus einer baltischen Landeskunde von 1805 über die regionalen Trinkgewohnheiten zitieren: "Wo ist der Sterbliche, der nicht in dieser sublunarischen Welt sich aus dem abgespannten Zustand in einen erhöhten, und wäre es auch durch künstliche Mittel, zu versetzen sucht?" Jedoch: Das hilft leider auch nicht über den Tag hinaus.
Immerhin: Cac und Footsie haben sich zum Jahresausklang konsolidiert. Hätten Sie’s gewusst? Die beiden sind die freundlichen Leitindizes der französischen und der britischen Börse. Guten Rutsch - und denken Sie an die Warnung von Wolfram Christ: Wenn heute Abend nach 19.30 Uhr ein Rollmops an Ihrer Tür klingelt: Machen Sie um Himmels willen nicht auf!