Kirchen in der Ukraine rufen weiter zur Versöhnung auf

„Unerträglich schmerzhaft“

Veröffentlicht am 23.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ein Priester spricht durch ein Megaphon zu den Polizisten und den Demonstranten in Kiew.
Bild: © KNA
Ukraine

Kiew ‐ Mit Trauergottesdiensten hat die Bevölkerung in der ganzen Ukraine am Sonntag der mehr als 80 Toten der Straßenschlachten zwischen Polizisten und Demonstranten gedacht. In den orthodoxen Kirchen wurde ein Hirtenbrief des Moskauer Patriarchen Kyrill I. verlesen. Darin sprach er den Angehörigen sein Beileid aus und rief zu einem Ende der Unruhen in der Ukraine auf. Auch die anderen Kirchen riefen zur Versöhnung auf.

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Es sei "unerträglich schmerzhaft", von den vielen Opfern in Kiew und den Unruhen in einigen Regionen des Nachbarlandes zu hören, schreibt Kyrill I. in seinem Brief. Die gesamte Kirche bete für Frieden und für die Beilegung des "Bruderzwistes". Bislang sei die Gefahr des Bürgerkrieges abgewendet worden. Aber dieses Szenario könne doch noch eintreten, wenn moralische Gebote aufgegeben würden oder die Bürger sich selbst, einander gegenseitig und das Gesetz nicht respektierten, so der Moskauer Patriarch weiter.

Ausdrücklich dankte Kyrill I. den ukrainischen Bischöfen und Priestern dafür, dass sie "inmitten aller Appelle und Parolen aller möglichen Überzeugungen die innere Kraft für konsequente Aufrufe zum Frieden und zur Bruderliebe gefunden" hätten. Den Angehörigen der Todesopfer sprach er sein Beileid aus. Die Moskauer Kirchenspitze befürchtet laut Beobachtern, dass im Zuge des politischen Umbruchs in der Ukraine die konkurrierende Kirche des Kiewer Patriarchats an Gewicht gewinnt

Filaret: "Menschen sollen ihre Feinde lieben"

Das Oberhaupt der von Moskau abgespaltenen orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats, Filaret, sagte, die Menschen sollten ihre Feinde lieben. In einem TV-Interview sprach er sich für eine Bestrafung der Täter aus. Alle müssten sich für ihre Taten verantworten. Filaret schlug der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zugleich eine Wiedervereinigung beider Konfessionen vor. Angesichts der jetzigen Tragödie sollten beide Kirchen ihre seit mehr als 20 Jahren andauernde Teilung überwinden. Dies würde auch die Bevölkerung einigen.

Bild: ©picture alliance/dpa/Shuvayev Volodymyr

Demonstranten stehen auf dem Maidan-Platz in Kiew Polizisten gegenüber.

Im Zuge der 1991 erlangten Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion hatte sich ein großer Teil der orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat getrennt und ein Kiewer Patriarchat gegründet. Damit sollte der Einfluss Moskaus zurückgedrängt werden. Theologische Unterschiede standen nicht im Vordergrund.

Das Schisma löste einen erbitterten Kampf um Kirchengebäude im ganzen Land aus. Wegen der Kirchenspaltung exkommunizierte ein russisch-orthodoxes Bischofskonzil den Kiewer Patriarchen Filaret und belegte ihn zudem mit dem strengsten Kirchenbann, dem Anathema. Zu beiden Kirchen bekennen sich laut Umfragen ungefähr gleich viele Menschen. Die Kirche des Moskauer Patriarchats hat allerdings deutlich mehr Pfarreien.

Gesamtukrainische Rat warnt vor Teilung des Landes

Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften hat unterdessen vor einer Teilung des Landes gewarnt. In einer am Wochenende veröffentlichen Erklärung heißt es, der Rat "verurteilt kategorisch jede Diskussion über eine mögliche Teilung unseres Vaterlandes und jeden Versuch des Separatismus, der die Einheit und territoriale Integrität der Ukraine bedroht". Eine Teilung sei eine "Sünde vor Gott und künftigen Generationen unseres Volkes".

Die Religionsgemeinschaften verurteilen außerdem Provokationen zwischen nationalen Minderheiten und Konfessionen. Die Stellungnahme ist vom Ratsvorsitzenden, Metropolit Antonij, unterschrieben. Er ist Kanzler der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Dem Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften gehören 18 christliche, muslimische und jüdische Glaubensgemeinschaften an. Er vertritt nach eigenen Angaben rund 75 Prozent der Ukrainer.

Besonders die zum Großteil von Russen bewohnte Halbinsel Krim droht mit einer Abspaltung von der Ukraine. Das Parlament in Kiew beschloss am Samstag ein Gesetz zur Verhinderung separatistischer Tendenzen. Demnach sollen die Sicherheitsdienste alle derartigen Anzeichen genau beobachten und gegen sie vorgehen. (bod/KNA)