Was es mit dem Loch im Kirchenboden auf sich hat

Der heilige Ausguss

Veröffentlicht am 04.08.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kirchenraum

Bonn ‐ Ist Ihnen das mysteriöse Loch im Kirchenboden schon einmal aufgefallen? Und haben Sie überlegt, was es damit auf sich haben könnte? Katholisch.de erklärt, wozu der rätselhafte Ausguss gut ist.

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Es kann schnell passieren: Die Hostie landet auf dem Fußboden, der Priester schüttet versehentlich etwas Messwein auf das Altartuch, die heiligen Öle riechen plötzlich irgendwie ranzig. Auch die Materialien, die der Kirche heilig sind, können unter gewissen Umständen unbrauchbar werden. Wie aber damit umgehen? Einfach in den Müll oder die Kanalisation damit? Das wäre kaum angemessen. Die Kirche hat deshalb mit dem Sakrarium eine Art "heiligen Ausguss" geschaffen. Der soll den ehrfürchtigen Umgang mit den sakralen Materialien gewährleisten.

Per Definition handelt es sich beim Sakrarium um eine Öffnung im Boden der Kirche oder der Sakristei, die direkt ins Erdreich führt. Die Erde unterhalb des Kirchengebäudes gilt durch die Kirchweihe als "heilig"; somit wird sie als geeigneter Ort betrachtet, um die Materialien würdig zu entsorgen. "Die Idee, Heiliges in heiligen Boden zu geben, ist wohlgemerkt in erster Linie ein Gedanke der Frömmigkeit; theologisch gesehen existiert keine 'heilige Erde' unter der Kirche", sagt Professor Alexander Saberschinsky, Liturgiereferent des Erzbistums Köln.

Heute kaum noch bekannt

Das Sakrarium kommt in verschiedenen Formen vor. In alten Kirchen war es häufig eine Bodenvertiefung hinter dem Altar oder in der Nähe des Taufsteins, die mit einer Steinplatte verschlossen werden konnte. In Form der sogenannten Piscina gleicht der Ausguss eher einem Waschbecken und findet sich in einer Wandnische der Kirche. Heute besitzt längst nicht mehr jedes Gotteshaus ein Sakrarium; vorgeschrieben ist es nicht. Dort, wo keins vorhanden ist, wird teilweise der geweihte Boden eines Friedhofes als Entsorgungsmöglichkeit genutzt.

Bild: ©Bonner Münster

Die Piscina in der Sakristei des Bonner Münsters.

Weil vor allem Küster mit der Entsorgung betraut sind, ist der richtige Umgang mit den heiligen Materialien auch Teil der Sakristanausbildung. "Dabei wird die Anwendung und Nutzung des Sakrariums in der täglichen Arbeit des Sakristans besprochen und anhand von praktischen Beispielen vertieft", sagt Ralph Hövel, der die Küsterausbildung der Diözesen Aachen und Köln leitet. Für die Teilnehmer der Kurse sei es häufig die erste Begegnung mit dem Sakrarium, da die Vorrichtung heute kaum noch bekannt sei, so Hövel. "Im Anschluss machen sie sich in ihren Kirchen auf die Suche."

Christus im Sakrarium "beerdigen"?

Große Sorge gilt den eucharistischen Gestalten, in denen nach katholischer Lehre Jesus Christus leibhaftig gegenwärtig ist. Ist konsekrierter Wein "verschüttet worden, wird die betreffende Stelle mit Wasser gewaschen und dieses Wasser wird anschließend in das Sakrarium gegossen", heißt es in der Grundordnung des Römischen Messbuchs (GRM 280). Ist also Wein auf das Altartuch getropft, muss der Küster dieses sorgfältig auswaschen und das Wasser anschließend ins Sakrarium geben. Gleiches gilt für Wein, der auf dem Boden verschüttet wurde; er ist dann zunächst mit einem Tuch aufzulesen.

Von Hostien, die durch Fallenlassen verunreinigt, die ausgespuckt oder erbrochen wurden, müssen sämtliche Partikel aufgesammelt werden. Diese kommen in einen Kelch mit Wasser, in dem sie sich langsam auflösen. Das Wasser wird anschließend ins Sakrarium geschüttet. "Man muss aber wissen: Wenn sich die Gestalten von Brot und Wein im Wasser auflösen, ist nach kirchlicher Vorstellung die Gegenwart Christi nicht mehr gegeben; denn die Gegenwart ist an das Zeichen gebunden", sagt Saberschinsky. Christus werde also nicht im Sakrarium "beerdigt", wie man vielleicht denken könne.

Eine Frage der Pietät

Darüber hinaus sind die heiligen Öle für das Sakrarium bestimmt. Chrisam, Katechumenen- und Krankenöl werden jedes Jahr in der Chrisammesse vom Ortsbischof geweiht und an die Gemeinden vergeben. Es besteht die Möglichkeit, dass sie bei falscher Lagerung – wie jedes andere Öl auch – schlecht werden. In einer Gemeinde kann zudem noch ein Vorrat aus dem Vorjahr vorhanden sein, wenn das neue Öl verteilt wird. Dann werden die "alten" heiligen Öle ins Sakrarium gegossen oder in der Osternacht im Osterfeuer verbrannt. Das Wasser, mit dem der Küster die Ölgefäße reinigt, gehört ebenfalls ins Sakrarium.

Etwas Chrisamöl steht auf einem Tablett bereit. Im Hintergrund steht ein Gefäß mit Krankenöl, gekennzeichnet durch die Abkürzung "O.I." für oleum infirmorum.
Bild: ©KNA

Die heiligen Öle können in das Sakrarium gegeben oder im Osterfeuer verbrannt werden.

Verbrannt werden auch die Wattebäusche, die bei einer Taufe mit Chrisam getränkt werden. Die Überreste können – wie auch die übriggebliebene Asche von Aschermittwoch – ins Sakrarium gegeben werden. Nicht zuletzt findet liturgisch verwendetes Wasser seinen Platz im Sakrarium, so etwa Weihwasser, gebrauchtes Taufwasser oder das Purifikationswasser – also Wasser, das für die Kelchwäsche genutzt wird.

Der richtige Umgang mit den heiligen Dingen ist in verschiedenen Handbüchern für den Küsterdienst beschrieben. In offiziellen kirchlichen Dokumenten gibt es dagegen keine ausführlichen Richtlinien für die Entsorgung der Materialien. Vordergründig sei die Entsorgung auch eine Frage der Pietät, weniger der Regeln, sagt Saberschinsky: "Was einem wichtig war, wird man – auch nachdem es unbrauchbar oder vergangen ist – würdevoll entsorgen." Strafen bei einer falschen Handhabung existieren somit ebenfalls nicht. Eine Ausnahme bilden freilich die eucharistischen Gestalten, wie die Instruktion Redemptionis sacramentum (RS, Nr. 107) zeigt: Derjenige, der die heiligen Gestalten "mutwillig und schwerwiegend entehrt", sie etwa "an einen unwürdigen Ort" wirft, zieht sich die Exkommunikation als Tatstrafe zu.

Von Tobias Glenz

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2017 veröffentlicht.