Der Petersdom aus Zahnstochern
Wenn Papst Franziskus im September Kolumbien besucht, braucht er kein Heimweh zu haben. Denn der Pontifex kann im kolumbianischen Medellin ein bedeutendes Stück Vatikan sehen – wenn auch in Miniaturgröße. Der 59-jährige Alberto Antonio Cruz Serna möchte anlässlich des Papstbesuchs die Frucht seines außergewöhnlichen Hobbies ausstellen: Er baut aus Zahnstochern Repliken von berühmten Bauwerken und hat jüngst den Petersdom samt Kolonnaden und Petersplatz aus den kleinen Holzstäbchen hergestellt.
Seit er zwölf Jahre alt ist, geht Cruz seinem ungewöhnlichen Hobby nach. Was den fünffachen Familienvater daran reizt, ist die Herausforderung. "Die Struktur ist spektakulär. Es ist nicht wie Holz, das man zuschneidet und zusammenklebt. Hierbei geht es darum, Stück für Stück zusammenzusetzen, die Längen zu sehen und in eine Form zu bringen", erklärt Cruz seine Arbeit. Für das Modell des Petersdoms hat er 17 Monate gebraucht und dabei nur Zahnstocher, einen Nagelknipser und speziellen Holzleim verwendet. An Wochentagen arbeitete Cruz, der Lehrer für Naturwissenschaften ist, fünf Stunden an seinem Objekt sowie an Wochenenden und Feiertagen nahezu den ganzen Tag über. Nebenbei stellte er zudem den Schiefen Turm von Pisa und das Kolosseum fertig. Allein für seinen Petersdom hat er 36.000 Zahnstocher verbraucht.
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Die Idee, die Petersbasilika aus Zahnstochern zu bauen, kam Cruz 2015, als er erfuhr, dass Papst Franziskus wahrscheinlich Kolumbien besuchen würde. Er hatte bereits viele andere Objekte aus Zahnstochern erstellt und dafür auch Preise gewonnen. Am Petersdom gefallen ihm besonders die Kolonnaden: "Sie sind wie Arme, die Katholiken aus allen Teilen der Welt begrüßen, immer wenn der Papst eine Messe feiert oder sich zeigt. Die Form des Platzes ist wie eine Umarmung", schildert Cruz seinen Eindruck von der Architektur des Petersplatzes.
Vor Cruz hatte bereits ein anderer Bastler den Petersdom aus Zahnstochern nachgebaut: Stan Munro. Der US-Amerikaner aus New York bezeichnet sich selbst als Zahnstocher-Ingenieur und hat eine eigene Philosophie von seiner Kunst, mit der er auch seinen Lebensunterhalt verdient: "One at a time – Eins nach dem anderen". Diese Einstellung hat ihn nicht nur dazu befähigt, mehr als 100 komplizierte Gebäude aus aller Welt detailliert mit Zahnstochern nachzubauen, sondern auch gemeinsam mit seiner Frau eine schwierige Zeit zu überwinden. Seine Ehefrau litt an einer schweren Nierenerkrankung, die auch auf ihre Leber übergegriffen hatte.
Die anstrengende Zeit der Behandlung und heimischen Pflege konnte er nur mit Hilfe seines Lebensmottos überwinden, "one at a time". In dieser Zeit baute er die Kirche "Sagrada Familia" aus Barcelona mit Zahnstochern nach: "Es war das komplizierteste Gebäude, das ich jemals gesehen habe", so Munro über das Gotteshaus des katalanischen Architekten Antoni Gaudi. Doch er schöpfte Mut: "Wenn ich die Sagrada Familia bauen kann, dann kann ich auch meiner Frau helfen, ihre Krankheit zu überwinden." Munro behielt Recht: Eine Organspende konnte das Leben seiner Frau retten.
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Munro baute bereits viele weitere Kirchen und Gotteshäuser anderer Religionen nach, wie die Kaaba in Mekka und zahlreiche gotische Kirchen. Immer im Maßstab 1:164. "Wenn Menschen diese Gebäude betrachten, sollen sie nicht nur einen Einblick in die Kunstgeschichte bekommen, sondern auch in die verschiedenen Glaubensüberzeugungen und wie sich die Religionen durch die Architektur darstellen", erklärt der US-Amerikaner seine Motivation.
Doch Munro baut auch weltliche Gebäude, wie Türme, Hochhäuser oder Nationaldenkmäler und stellt sie weltweit aus. Bereits seit seiner Schulzeit vor mehr als 30 Jahren beschäftigt er sich mit der Zahnstocher-Kunst. Munros Devise lautet, dass alles möglich ist. Er motiviert auch andere dazu, seinem Beispiel zu folgen und Bauwerke aus Zahnstochern zu kreieren: "Nur Deine Phantasie ist die Grenze. Fang einfach an und klebe."
Ob Munro sich einen Besuch des Papstes in der Ausstellung seiner Werke wünscht, ist nicht bekannt. Cruz hingegen hat den Papst eingeladen, sich sein Modell des Petersdoms persönlich anzusehen, wenn er in Kolumbien ist. Der Grund liegt für den Zahnstocher-Architekten auf der Hand: "Wer würde nicht gerne den Papst treffen?" Eine Antwort von Franziskus hat Cruz bislang nicht erhalten – aber bis zum September ist schließlich noch viel Zeit.