Der erste Kardinal aus Nordeuropa
Frage: Herr Bischof, wie fühlen Sie sich so unmittelbar vor Ihrer Erhebung zum Kardinal? Sind Sie nervös?
Arborelius: Nervös ist vielleicht das falsche Wort. Aber natürlich wird es für mich unglaublich spannend, immerhin habe ich noch nie ein Konsistorium mitgemacht. (lacht) Vorher gab es für mich jetzt noch so viele Dinge zu tun und zu regeln. Da hätte ich lieber ein wenig mehr Zeit der Stille gehabt, um mich stärker im Gebet vorzubereiten. Denn man möchte diese neue, große Aufgabe natürlich mit einem möglichst offenen Herzen antreten.
Frage: Wie sieht Ihr Programm in Rom aus?
Arborelius: Ich wurde von zahlreichen Medien für Interviews angefragt, die ich nun vor und nach dem Konsistorium in Rom geben werde. In Schweden sind wir erstaunt, dass da auf einmal so viel mediales Interesse besteht. Nach dem Konsistorium werden wir, die neuen Kardinäle, den emeritierten Papst Benedikt besuchen. Auf diese Begegnung freue ich mich besonders. Natürlich hoffe ich auch, mit möglichst vielen Kardinälen einige Worte wechseln zu können. Dafür habe ich vielleicht Gelegenheit bei dem Empfang, der unmittelbar nach dem Konsistorium stattfindet.
Frage: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von Ihrer Kardinalsernennung gehört haben?
Arborelius: Ich konnte es kaum fassen. Das hat mich wie ein Blitz vom Himmel getroffen. Zunächst war ich ein wenig erschrocken: Wie kann ich diese wichtige Aufgabe bewältigen? Aber als ich merkte, dass die Leute in Schweden alle froh waren, dachte ich: Dann musst du ebenfalls froh sein. Heute fühle ich mich sehr geehrt.
Frage: Man spricht ja von einer "kleinen Sensation": Immerhin werden Sie der erste schwedische Kardinal überhaupt.
Arborelius: Sogar der erste in ganz Nordeuropa. Das war ein Zeichen für alle Nordeuropäer, dass wir jetzt mehr mit Rom, mit der Weltkirche verbunden sind.
Frage: Was bedeutet Ihre Kardinalsernennung für Schwedens Katholiken?
Arborelius: Für die kleine Diaspora-Kirche bei uns ist das wirklich eine Aufmunterung. Die Katholiken fühlen sich dadurch gesehen und geliebt vom Papst, noch stärker mit ihm verbunden als früher. Franziskus hat einen sehr guten Ruf und wird sehr gern gesehen bei uns. Aber auch die Christen anderer Konfessionen haben sich gefreut. Von einigen Protestanten habe ich sogar gehört: "Herr Bischof, Sie sind auch unser Kardinal." Das zeigt das gute ökumenische Klima in Schweden. Nicht zuletzt haben mir Juden und Vertreter anderer Religionen gratuliert. Für alle Bewohner Schwedens scheint es wichtig zu sehen, dass der Papst auch für sie da ist.
Frage: Warum, denken Sie, hat Papst Franziskus Sie für die Kardinalswürde auserwählt?
Arborelius: Der Papst will die Peripherie der Kirche erreichen. Er möchte zeigen, dass ihm die Minderheiten, die Verfolgten, die Vergessenen wichtig sind. Darum hat er schon viele Kardinäle erwählt in Ländern, aus denen bislang keine oder kaum Kardinäle kamen und die auch nicht als besonders "wichtig" angesehen wurden. Und Schweden ist eines der Länder, die weltweit am meisten säkularisiert sind.
Frage: Sie selbst sind als 20-Jähriger zur katholischen Kirche übergetreten. Was waren Ihre Beweggründe?
Arborelius: Getauft wurde ich in der damaligen lutherischen Staatskirche, aber dort war ich nicht aktiv. Schon als Kind habe ich mich für die katholische Kirche interessiert. Besonders beeindruckt haben mich damals die Ordensschwestern der heiligen Birgitta, die ich häufig besucht habe. Ihr Glaube, ihre Liebe, ihre Einfachheit, ihr Zusammenleben in der Klostergemeinschaft: Das hat mich nachhaltig geprägt und war wohl der Auslöser, dass ich konvertieren wollte. Bevor ich zum katholischen Glauben übergetreten bin, habe ich eineinhalb Jahre einen Kurs für Konvertiten besucht, in dem der Katechismus studiert und über den Glauben diskutiert wird. Diese Kurse sind hier in Schweden üblich. Schließlich bin ich dann selbst in einen Orden eingetreten und wurde Karmelit.
Frage: In welcher Situation befindet sich die Kirche in Schweden heute?
Arborelius: Die Kirche ist zwar klein, aber sie wächst – meist durch Einwanderer. Schweden ist ein Land von Immigranten geworden. Wir haben vier große Gruppen: Polen, Kroaten, Lateinamerikaner und arabischsprachige Menschen. Derzeit wird Schweden zu einem Zentrum für Christen aus dem Mittleren Osten. In den meisten Gemeinden gibt es Menschen aus 40 bis 50 Nationen. Jedes Jahr müssen wir Kirchen bauen oder den Protestanten abkaufen. Denn die Gebäude werden oft zu klein, weil immer mehr Gläubige dazukommen. Außerdem wächst im Land das Interesse an der katholischen Spiritualität. Wir haben viele kontemplative Klöster in Schweden. Und zahlreiche Menschen suchen sie auf. So bekommen auch viele Nichtkatholiken Kontakt mit der Kirche.
Frage: Was ist derzeit die größte Herausforderung für die schwedische Kirche?
Arborelius: Die ist wohl, den Glauben weiterzugeben an die nächste Generation. Schweden ist ja stark säkularisiert. Und in der Schule und im Freundeskreis bekommen die jungen Menschen nicht viel Hilfe und Unterstützung. Das ist für uns die ständige Herausforderung: der Jugend im Glauben zu helfen.
Frage: Wie machen Sie das?
Arborelius: Wir versuchen, die Jugendarbeit zu verstärken. Es gibt inzwischen viele Katechismus- und Jugendgruppen in den Gemeinden. Als Minderheit haben wir aber natürlich noch viele weitere Aufgaben und Herausforderungen. Doch das Klima ist hoffnungsvoll. Denn die Leute sehen, dass die Kirche in Schweden lebt und wächst und neue Leute hinzukommen.
Frage: Wie steht es um die Ökumene? Hat der Papstbesuch in Lund im vergangenen Jahr Spuren hinterlassen beziehungsweise Impulse gegeben?
Arborelius: Es war sehr wichtig, dass er zur Erinnerung an die Reformation nach Schweden gekommen ist. Die Einladung ging ja von den Lutheranern aus. Und das zeigt schon, dass man bei uns sehr offen ist für die ökumenische Zusammenarbeit. In vielen Fällen klappt das auch gut, zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe. Aber natürlich gibt es auch Unterschiede, etwa in dogmatischen und ethischen Auffassungen. Wir versuchen jedoch von dem, was wir gemeinsam haben, auszugehen und damit zu arbeiten: Und das ist der gemeinsame Glaube. In einem säkularisierten Land wie Schweden ist die Zusammenarbeit vielleicht einfacher als woanders. Denn alle, die irgendwie gläubig sind, müssen stärker zusammenhalten.
Frage: Welchen Themen möchten Sie sich als Kardinal besonders widmen?
Arborelius: Hier in Schweden haben mir schon viele diese Frage gestellt. Ich habe dann gesagt: Vielleicht ist die Kardinalsernennung eine Möglichkeit, die Frohe Botschaft in unserer Gesellschaft verstärkt ins Gespräch zu bringen. Es gibt ja derzeit ein großes Interesse der Medien. Und in Interviews kann man ganz einfach über Christus und den Glauben sprechen. Die Leute scheinen jetzt viel offener dafür zu sein. Sie sind stärker daran interessiert, weil man Kardinal wird. Deshalb hoffe ich, dass ich künftig in der Gesellschaft mehr Gehör finde.
Frage: Und innerkirchlich werden Sie vermutlich auch mehr Einfluss haben.
Arborelius: (lacht) Das ist fragwürdig, hier am anderen Ende der katholischen Welt. Aber natürlich kann es sein, dass man, wenn man zum Beispiel in eine Kongregation berufen wird, Erfahrungen auf bestimmten Gebieten wie der Ökumene weitergeben kann.
Frage: Sehen Sie den neuen Herausforderungen und den damit verbundenden Erwartungen an Ihre Person gelassen entgegen?
Arborelius: Mir ist schon etwas bange, dass ich nicht mehr so viel Zeit habe für die gewöhnliche Arbeit in der Diözese. Das hängt ja davon ab, in welchem Maße man noch Aufgaben in einer Kongregation in Rom bekommen wird. Das weiß ich jetzt noch nicht. Viele Leute in Schweden dachten zunächst, ich würde komplett nach Rom gehen und dort bleiben. Dann musste ich sie erst einmal beruhigen und sagen, dass es so nicht ist. Natürlich kann es später einmal heißen: Was hast du erreicht als Kardinal? Was hat das für unser Land bedeutet? Was konnten wir schaffen? Aber jetzt am Anfang denke ich noch nicht an diese Dinge.