Der angekündigte Suizid von Brittany Maynard sorgt für Debatten

Makaberer Countdown

Veröffentlicht am 24.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Sterbehilfe

New York ‐ Die Nachricht ging vor einigen Tagen schon um die Welt. In einem anrührenden Video auf YouTube erzählt die US-Amerikanerin Brittany Maynard, dass sie an einem unheilbaren Hirntumor leide, die Ärzte ihr nur noch wenige Monate zu leben geben. Jetzt läuft bis zum 1. November ein makabrer Countdown. Dann, so hat Maynard entschieden, will sie sterben .

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"Meine Familie wird bei mir sein, mein Mann, meine Mutter, mein Stiefvater und meine beste Freundin, die Ärztin ist. Ich werde oben sterben, in meinem Schlafzimmer." Die 29-Jährige, die Anfang des Jahres die niederschmetternde Diagnose erhielt, zog vor kurzem von Kalifornien nach Oregon um. Dort erlaubt der "Death with Dignity"-Akt, das "Sterben in Würde"- Gesetz , den ärztlich assistierten Suizid . Ärzte dürfen Todkranken eine tödliche Dosis eines Medikaments verschreiben, die diese dann zu einem selbst bestimmten Zeitpunkt einnehmen können. In dem Video holt Brittany zwei gelbe Fläschchen aus einer kleinen Tasche, deren Inhalt ihr den Tod bringen soll. "Nicht leiden zu müssen, sondern entscheiden zu können, wann es genug ist, ist eine große Erleichterung", sagt Dan Diaz, Brittanys Ehemann.

Oregon war der erste Bundesstaat in den USA, der den ärztlich assistierten Suizid ausdrücklich erlaubt hat. Seitdem haben sich 1.173 unheilbar kranke Menschen eine tödlich wirkende Dosis von Präparaten verschreiben lassen, 752 haben sie auch genommen und sind daran gestorben. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen ihren Wohnsitz in Oregon haben und ihre Lebenserwartung unter sechs Monaten liegt.

Katholisch.de hat mit Dechant Wolfgang Picken gesprochen. Er ist seit 21 Jahren in der Sterbebegleitung tätig. Im Interview spricht er über die Notwendigkeit der spirituellen Begleitung an Lebensende. Beitrag: Sarah Schortemeyer

Der Bundesstaat an der Pazifikküste gehört damit aber zu den Ausnahmen. Nur vier weitere Staaten - Washington, Montana, New Mexico und Vermont - sind dem Beispiel gefolgt und erließen vor einigen Jahren Gesetze, die es Ärzten erlauben, Todkranken beim Sterben zu helfen. Dessen ungeachtet ist das Thema heftig umstritten; die Hälfte der Bundesstaaten stellt den assistierten Selbstmord sogar unter Strafe.

Der nun über YouTube in die Öffentlichkeit getragene Fall von Brittany Maynard hat tausende Menschen bewegt und die Debatte erneut angestoßen. Gegner und Befürworter melden sich zu Wort, darunter ein katholischer Seminarist aus North Carolina. Er hat einen Brief an Brittany geschrieben, den die Diözese Raleigh auf ihre Webseite gestellt hat. Darin erzählt er von seiner eigenen Erkrankung, auch ein inoperabler Hirntumor.

"In einer Gesellschaft, die von allen negativen Aspekten gereinigt ist und die jede Erwähnung von Leiden vermeidet, scheint ein Tod, den man sich selbst aussucht, bequemer zu sein", schreibt der 30-Jährige. Er appelliert an Brittany, weiter zu leben und gegen ihre Krankheit zu kämpfen. "Sie wäre damit ein wunderbares Beispiel und eine Inspiration für unzählige andere in ihrer Situation."

„It's my choice - Es ist meine Wahl“

—  Zitat: Brittany Maynard

Ira Byock, ein bekannter Palliativmediziner , sieht die junge Frau gar als Opfer der Organisiation "Compassion __amp__ Choices", die Sterbehilfegesetze im ganzen Land durchzusetzen versucht. Die 29-Jährige hatte sich der Lobbygruppe angeschlossen und mit ihr zusammen das YouTube-Video gedreht. "Ich frage mich, was ist, wenn Brittany am 1. November ihr Leben doch noch lebenswert findet. Wird sie sich dann verpflichtet fühlen, ihr Leben zu beenden, um die öffentlichen Erwartungen zu erfüllen?", so Byock.

Die Todkranke weist das ärgerlich zurück, sie fühle sich niemandem verpflichtet. "It is my choice" - "Es ist meine Wahl", betont sie. Die Mehrheit der US-Amerikaner findet es moralisch gerechtfertigt, wenn sich ein unheilbarer Kranker, der große Schmerzen leidet, selbst tötet. Allerdings sind weniger als die Hälfte dafür, dass es Ärzten gesetzlich erlaubt sein sollte, bei einem solchen Schritt Hilfestellung zu leisten.

Die katholische Kirche in den USA richtet sich mit Vehemenz gegen die Hilfe von Medizinern bei der Selbsttötung. "Das ist eine große Bedrohung", warnt etwa die Diözese in Burlington. Sie liegt in Vermont, einem der fünf Bundesstaaten, die die umstrittene Maßnahme erlauben. Das Bistum hält fest: "Das Leben ist kostbar, in jedem Stadium."

Von Stefanie Ball (KNA)

Kommentar zum Thema

Brittany will sterben. Das ist ihr Recht, denn der Bundesstaat, in dem sie in den USA lebt, erlaubt es ihr. Was sie selbst fühlt - darüber sollte sich niemand anmaßen zu urteilen. Dass sie nicht leiden will, ist nachvollziehbar. Dennoch ist es gut, dass ihre Entscheidung kritisch begleitet wird. Der Fall von Brittany Maynard belebt eine wichtige Debatte: Wann ist das Leben nicht mehr lebenswert? Die katholische Kirche bezieht hier eine klare Position: Das menschliche Leben ist immer lebenswert. Es ist wichtig, dass die Kirche das sagt. Denn in einer Gesellschaft, in der Effizienz und Leistungskraft mehr und mehr zum dominierenden Maßstab gehören, ist es wichtig, dass jemand deutlich macht, dass Kranksein und Sterben auch ihren Platz brauchen. Das ist nicht leicht zu ertragen, schon gar nicht für Betroffene. Aber sie dürfen niemals das Gefühl bekommen, sie wären fehl am Platz oder würden allein gelassen. Dafür gilt es, sich einzusetzen.

Von Sophia Michalzik

Informationsangebot der Deutschen Bischofskonferenz

Mit einem Flyer will die Deutsche Bischofskonferenz auf die Thematik Sterbehilfe aufmerksam machen. Der trägt den Titel "Sterben in Würde" und erklärt grundsätzliche Begriffe zur Sterbehilfe, zur Palliativmedizin, aber auch zur Würde des Menschen. "Würde bedeutet für uns nicht nur gute Pflege und einen aushaltbarer Zustand herzustellen", sagt Pater Hans Langendörfer, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz. Es bedeute auch, von Gott angenommen, gewürdigt und geliebt zu sein. "Das bietet den Halt, der helfen kann, auch Leidenszeiten anzunehmen." 800.000 dieser Flyer sind bereits an die Bistümer verschickt worden. (bod)