Mobile Glaubenshilfe für einsame Katholiken
Zerstreuung – kaum irgendwo dürfte die wörtliche Übersetzung des Wortes Diaspora so gut passen, wie in Bautzen. Denn die dortige katholische Dompfarrei St. Petri umfasst nicht nur die gesamte ostsächsische Stadt, sondern auch noch 89 umliegende Dörfer. Knapp 4.000 Katholiken, rund sechs Prozent der Gesamtbevölkerung, leben in der mit 217 Quadratkilometern flächengrößten Pfarrei des Bistums Dresden-Meißen. Diaspora extrem.
Zwar wohnt die Mehrheit der Gemeindemitglieder in Bautzen, wo sich auch die drei Kirchen der Pfarrei befinden und die Aktivitäten der Gemeinde stattfinden. Doch auch in den zu St. Petri gehörenden Dörfern leben Katholiken. Um diese meist älteren und wenig mobilen Menschen zu erreichen, betreibt die Pfarrei seit April vergangenen Jahres einen Pastoralbus. Der Bus – eine Mischung aus rollendem Treffpunkt und Tante-Emma-Laden – fährt montags bis freitags über die Dörfer der Oberlausitz, jeden Tag eine andere Route, 53 Ortschaften und 250 Kilometer pro Woche.
Kirchliches Gesprächsangebot für Menschen auf dem Land
Zum festen Team des Pastoralbusses gehören Kerstin Schäfer und Thomas Schubert. "Zu uns darf jeder kommen, egal ob er etwas einkaufen will oder einfach nur mit jemandem sprechen möchte. Selbst wer nur kommt und eine Tasse Kaffee trinken mag, ist bei uns richtig", erklärt Schubert das Prinzip des Pastoralbusses. Für je eine halbe Stunde öffnet der Kirchenbus an jedem Ort seine Pforten. Die Initiative versteht sich als kirchliches Gesprächsangebot für Menschen auf dem Land – überall dort, wo es in den Dörfern nichts mehr gibt, was die Einwohner zusammenführt.
"Für uns als Kirche geht es darum, einfach da zu sein, Zeit zu haben, zuzuhören", erzählt der Bautzener Dompfarrer Veit Scapan. Gerade die älteren Dorfbewohner litten unter der Einsamkeit auf dem Land. Ein Gesprächspartner, der zuhört und tröstet, kann hier Wunder wirken. Doch der Bus erfüllt noch eine andere Funktion: Wer möchte, kann bei Kerstin Schäfer und Thomas Schubert Lebensmittelbestellungen aufgeben oder sich direkt aus dem Warensortiment bedienen, das der Pastoralbus mit sich führt. Es reicht vom Sack Kartoffeln bis zur Trauerkarte mit Briefmarke und wird zum Selbstkostenpreis verkauft. Da es in den meisten Dörfern der Region keinen Bäcker und keinen Supermarkt mehr gibt, wird dieses Angebot von vielen Menschen gerne angenommen.
Der Pastoralbus ist ein Leuchtturm-Projekt der katholischen Kirche in der ostdeutschen Diaspora – und ein gutes Beispiel für die Arbeit des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken. Das in Paderborn ansässige Hilfswerk unterstützt katholische Christen, die in einer extremen Minderheitensituation leben, mit Geld- und Sachmitteln. Am Beispiel Bautzen heißt das: Der Pastoralbus wird mit 120.000 Euro für zwei Jahre komplett vom Bonifatiuswerk finanziert, danach muss die Pfarrgemeinde die Finanzierung selbst übernehmen oder andere Geldquellen finden.
Auch das wohl bekannteste Markenzeichen des Bonifatiuswerks hat vier Räder: Die gelben "Boni-Busse". Rund 600 Stück sind davon derzeit in Deutschland unterwegs, in manchen Gegenden sind sie die sichtbarsten Botschafter der katholischen Kirche. Für Georg Austen, den Generalsekretär des Bonifatiuswerks, sind die Busse "mobile Glaubenshelfer". In Regionen mit nur wenigen Katholiken bringen sie die Menschen zum Gottesdienst und anderen kirchlichen Veranstaltungen, damit die Gläubigen auch in der Diaspora Glaubensgemeinschaft erfahren können. Bis zu 50 "Boni-Busse" werden jedes Jahr neu an Pfarrgemeinden und andere katholische Einrichtungen übergeben. Das Bonifatiuswerk finanziert die Busse jeweils zu zwei Dritteln (rund 20.000 Euro), den Rest müssen die Empfänger selbst tragen.
Insgesamt hat das Bonifatiuswerk Katholiken in der Diaspora in Deutschland, Nordeuropa und dem Baltikum im vergangenen Jahr mit 15,1 Millionen Euro unterstützt. Gefördert wurden 827 Projekte, davon allein 747 in Deutschland. Neben den "Boni-Bussen" finanziert das Hilfswerk vor allem kirchliche Bauvorhaben, Aktivitäten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sowie Glaubensprojekte.
Eröffnung der Diaspora-Aktion in Erfurt
Das Geld für dieses Engagement kommt vor allem aus Spenden, Vermächtnissen und Kollekten. Am ertragreichsten ist hierbei der Diaspora-Sonntag: Immer am dritten Sonntag im November – in diesem Jahr am 19. November – wird bundesweit in allen Gottesdiensten für das Bonifatiuswerk gesammelt, im vergangenen Jahr kamen dabei mehr als 2,1 Millionen Euro zusammen.
Der Diaspora-Sonntag ist zugleich der Abschluss der bundesweiten Diaspora-Aktion, die an diesem Sonntag im Erfurter Dom eröffnet wird. Unter dem Leitwort "Keiner soll alleine glauben. Unsere Identität: Segen sein" will die Aktion zwei Wochen lang auf die Arbeit des Bonifatiuswerks aufmerksam machen und aktuelle Projekte vorstellen. Zur Sprache könnte dabei auch die Wiederbesiedelung des brandenburgischen Klosters Neuzelle kommen. Das viel beachtete Projekt wird ebenfalls vom Bonifatiuswerk unterstützt. Unter anderem haben die vier Zisterziensermönche für ihre pastorale Arbeit bereits einen "Boni-Bus" bestellt.