Warum es an der Krippe von Tieren wimmelt

Und die ganze Schöpfung eilt zu Jesus

Veröffentlicht am 26.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Und die ganze Schöpfung eilt zu Jesus
Bild: © KNA

Bonn ‐ Nicht nur Jesus, Maria und Josef gehören zu einer Krippe. Feste Bestandteile sind immer auch die unterschiedlichen Tiere. Doch welcher Sinn steckt eigentlich hinter diesen Figuren?

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Schuld hat der heilige Franziskus: Im 13. Jahrhundert schuf der Bettelmönch aus Assisi als erster eine weihnachtliche Krippenlandschaft. Mit lebenden Tieren und Menschen wollte Franziskus die Weihnachtsgeschichte realistisch nachstellen und den Menschen dadurch vor Augen führen, was damals – bei der Geburt Jesu – wirklich geschah. Inzwischen ist der Brauch der Weihnachtskrippe weltweit verbreitet. Anders als beim heiligen Franz sind die Figuren jedoch nur noch selten lebendig, sondern zumeist in Miniaturform aus Holz oder Kunststoffen nachgebildet. So auch in den vielen unterschiedlichen Krippenlandschaften, die derzeit wieder in unseren Kirchen aufgebaut sind. Eine Sache sticht dem Betrachter darin besonders ins Auge: Die heilige Szenerie wird oft von den verschiedensten Tierarten bevölkert. Und die sind nicht nur schmuckes Beiwerk.

Ein Esel spielt auch am Palmsonntag eine wichtige Rolle

Unverzichtbar erscheinen für eine Krippe wohl besonders zwei Tiere: Ochs und Esel stehen in vielen Darstellungen selbst im Stall und sind damit nach Maria und Josef dem Jesuskind am nächsten. Doch ihre Herkunft ist auf den ersten Blick ungewiss: Von der Geburt Christi in Betlehem berichten zwar die Evangelisten Matthäus und Lukas; Tiere am Stall werden dort aber an keiner Stelle erwähnt, lediglich ihr Futtertrog. Vermutlich ist es eine Stelle im Alten Testament, die dazu führte, dass die beiden Tiere feste Bestandteile der Krippe wurden: "Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn", heißt es beim Propheten Jesaja (Jes 1,3). Die frühen Christen jedenfalls brachten das Jesajawort schnell mit der Geburt Jesu in Verbindung: Ochs und Esel erkennen gleichermaßen ihren Herrn. Der Ochse als koscheres Tier galt dabei als Sinnbild für Israel, im Esel als unreinem Geschöpf sah man ein Symbol für die Heiden. Beide – Juden und Heiden –, so die Interpretation, sollen Christus als ihren Erlöser erkennen.

Natürlich können auch ganz pragmatische Gründe für die tierischen Begleiter sprechen: Der Esel etwa war ein Reittier und könnte die hochschwangere Maria von Nazaret nach Betlehem transportiert haben. Also kam er ganz selbstverständlich mit in den Stall. Zugleich spannt die Figur des Esels aber auch den heilsgeschichtlichen Bogen von der Geburt des Erlösers hin zu seinem irdischen Ende: Jesus ritt am Palmsonntag – kurz vor seiner Passion – ebenfalls auf einem Esel in Jerusalem ein. Der Esel war zudem ein Lasttier und gleicht damit dem Menschensohn, der die Sünden-Last der Welt getragen hat. Und der Ochse – in Israel ein Opfertier – lässt sich ebenfalls als Bild für Christus interpretieren, der sein Leben opferte zum Wohl der Menschheit. Krippe und Kreuz liegen also nah beieinander, denn die Mission Jesu ist vorherbestimmt.

Bild: ©

Schlussszene des Krippenspiels mit Franziskus-Darsteller Federico Giovannelli in Greccio am 26. Dezember 2016. In der Höhle sieht man jeweils einen lebendigen Ochsen und Esel.

Doch in der Krippenlandschaft tummeln sich neben Ochs und Esel noch weitere Tiere. Mit den Hirten kommen zum Beispiel auch Schafe und Lämmer zum Stall von Betlehem gelaufen. Dass der Engel des Herrn den Hirten während ihrer Nachtwache die Geburt des Messias verkündet hat, berichtet das Lukasevangelium. Sie folgten dem Ruf und fanden schließlich das Kind im Stall (Lk 2,8-20). Zwar fehlt auch hier der biblische Beleg, dass ihre Tiere mit ihnen zur Krippe kamen, doch ist es kaum vorstellbar, dass sie ihre Herde zurückließen. Denn das würde der Aufgabe und Verantwortung eines Hirten widersprechen.

Das Lamm hat eine ganz besondere Bedeutung im Christentum

Seit jeher gilt das Schaf als Metapher für den frommen Menschen. Und dieses Symbol ließ sich hervorragend mit einem weiteren Bild der religiösen Sprache verbinden: dem göttlichen Hirten. Auch Jesus nutzte das Bild der Schafe für die Gläubigen, etwa im Gleichnis vom verlorenen Schaf (Mt 18,12-13 und Lk 15,4-7). Sich selbst bezeichnete Christus wiederum als den "guten Hirten". Er gibt "sein Leben hin für die Schafe" (Joh 10,11). Erneut zeigt sich, dass die Krippenszenerie bereits auf den ganzen Lebensweg Jesu inklusive seines Erlösertodes am Kreuz hinweist.

Und mit den Schafen laufen auch ihre Jungtiere zum Stall von Betlehem. Dem Lamm kommt noch einmal eine ganz eigene religiöse Bedeutung zu. Als Opfertier wird es in der Heiligen Schrift immer wieder erwähnt. Die prominenteste Stelle im Alten Testament dürfte die Erzählung vom Paschalamm sein, unmittelbar vor dem Auszug Israels aus Ägypten (Ex 12,1-14). Hier wurde das Blut der geschlachteten Lämmer einerseits zum Sühnemittel, um Gottes Zorn abzuhalten, andererseits zum Zeichen der Zugehörigkeit zu Gott – gewissermaßen der sakramentalen Gemeinschaft mit ihm. Und daran knüpft das Neue Testament nahtlos an. Beim letzten Abendmahl versteht sich Jesus selbst als das Lamm, dessen Blut "für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28). Paulus setzt das Opfer Christi später auch dezidiert mit dem Paschalamm gleich (1 Kor 5,7). Zudem wird in jeder Eucharistiefeier dieses Opfers gedacht, wenn Christus als das "Lamm Gottes" (Agnus Dei) angesprochen wird. Übrigens: Die Lamm-Symbolik taucht erneut in der Offenbarung des Johannes auf. Hier spannt sich also der Bogen von den alttestamentlichen Opferlämmern über das Opfer Christi hin zur Endzeit.

Ein Hirte geht einer Schafherde im italienischen Monti Sibillini voran.
Bild: ©Fotolia.com/asferico

Auch Hirten und ihre Schafherden kommen in vielen Krippendarstellungen vor. Hier eine Schafherde im italienischen Monti Sibillini.

Mit Ochs und Esel, Schafen und Lämmern ist man aber noch lange nicht am Ende angelangt: Die Sterndeuter haben häufig ein Kamel als Begleiter, die Hirten einen Hund. Und so manche Krippenlandschaft zeigt darüber hinaus auch Hahn und Hühner, Vögel aller Art, Hasen und Eichhörnchen, und selbst ein Elefant ist nichts Ungewöhnliches. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Längst nicht jedes Tier kann individuell gedeutet werden, und so manche können mit Blick auf ihren eigentlichen Lebensraum kaum am historischen Stall von Betlehem gestanden haben. Falsch sind sie deshalb noch lange nicht. Schon der Prophet Jesaja spricht von einer neuen Schöpfung: Gott möchte die alte Schöpfung erlösen, neu ordnen, ihr nahe sein (Jes 65,17-25). Das betrifft nicht nur den Menschen, sondern die gesamte Schöpfung, also auch alle Tiere. In der Offenbarung des Johannes wird dieses endzeitliche Heil, der "neue Himmel" und die "neue Erde", wieder aufgegriffen (Offb 21). Mit der Geburt Jesu nun bricht die Neuordnung an, und deshalb machen sich sämtliche Geschöpfe auf zur Krippe. Paulus schreibt: "Alles im Himmel und auf Erden wollte er [Gott] zu Christus führen" (Kol 1,20). Und genau das erfüllt sich in unseren Krippenlandschaften.

Im kleinen Kind in der Krippe begegnet also der menschgewordene Gott seiner Schöpfung, die er erlösen möchte. Die Tiere verweisen somit auf den Lebensweg Christi hin zum Erlösertod am Kreuz. Zugleich sind sie aber auch Bild für die Gläubigen, die in dem Kind ihren Erlöser erkennen sollen. In der Weihnachtsliturgie heißt es an einer Stelle: In Christus "ist alles neu geschaffen. Er heilt die Wunden der ganzen Schöpfung" (II. Präfation von Weihnachten). Und diesem Erlöser der ganzen Schöpfung kommen an Weihnachten nicht nur die tierischen Krippenfiguren nahe, sondern auch jeder, der die heilige Szene in der Kirche oder unterm heimischen Weihnachtsbaum betrachtet.

Von Tobias Glenz

Der Artikel erschien erstmals am 26. Dezember 2017 und wurde am 26. Dezember 2019 aktualisiert.