Zu Besuch bei der ältesten Ordensfrau Deutschlands
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Das Kloster der Dominikanerinnen in Niederviehbach liegt auf einem Hügel mitten in Niederbayern. Hier ist Schwester Konrada Huber zu Hause. Die Dominikanerin gilt als älteste Ordensfrau Deutschlands. Obwohl sie höchstens 90 Jahre alt werden wollte, feiert sie dieses Jahr ihren 110. Geburtstag. Warum die Ordensfrau so alt geworden ist, weiß sie selber nicht. Schwester Konrada nimmt ihr Alter gelassen. "Der Herrgott hat mich halt vergessen", sagt sie und lacht dabei verschmitzt.
Das Sprechzimmer ist aufgeräumt und schlicht, ein Sofa mit Sitzkissen, zwei Stühle, ein Tisch und eine glucksende Heizung. An der Wand hängt ein Holzkreuz. Schwester Konrada wird von ihrer Pflegerin in den Raum geschoben. Sie sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl, ihre Beine machen nicht mehr mit. In eine warme Decke gehüllt, wirkt die älteste Dominikanerin Deutschlands zart und zerbrechlich. Um die linke Hand hat sie einen Rosenkranz gewickelt. Auf ihrem Schoß sitzt "Muckerl", den sie unentwegt streichelt. "Muckerl" ist der Therapiehund der Pflegerin von der Caritasstation Dingolfing, die sich täglich um Schwester Konrada kümmert.
Wenn man bedenkt, welche Zeiten Schwester Konrada überlebt hat, sei es wunderbar, dass sie heute noch bei uns ist, erklärt Schwester Theresa, die Leiterin des Konvents. Zwei Weltkriege habe sie überlebt und zehn Päpste gekannt. Schwester Konrada hat einen wachen, fröhlichen Blick. Sie spricht wenig, eine Erscheinung des Alters. Auch hören kann sie nicht mehr so gut. Doch ihre jüngeren Mitschwestern kümmern sich um sie. Insgesamt leben noch 23 Dominikanerinnen in Niederviehbach. Elf Schwestern kommen aus Vietnam. Vier davon kamen als politische Flüchtlinge nach Deutschland, die anderen Schwester haben durch Bekannte das Kloster kennengelernt und sind geblieben. Wären sie keine Ordensschwestern geworden, müssten sie wieder zurück nach Vietnam, erzählt Schwester Theresa. Die jüngeren Mitschwestern unterrichten an der Realschule nebenan, die zum Kloster gehört, oder kümmern sich um die älteren Schwestern.
Schwester Konrada ist der Liebling im Kloster. Sie lacht viel und wirkt zufrieden. Eine der jüngeren Schwestern setzt sich neben sie. Weil es mit dem Reden nicht so klappt, singen sie gemeinsam ein Marienlied. Die Mutter Gottes wird bei den Dominikanerinnen in Niederviehbach besonders verehrt. Schwester Konrada kann den Mariengruß auswendig. Sie summt leise mit.
Rosalie Huber, so heißt sie mit bürgerlichem Namen, wurde am 29. September 1908 im Landkreis Rottal-Inn als eines von neun Kindern auf einem Bauernhof in Landau in Niederbayern geboren. Mit 22 ist sie bei den Dominikanerinnen in Niederviehbach eingetreten. Damals waren noch über 100 Schwestern im Kloster, erzählt Schwester Theresa.
Schwester Konrada ist seit 88 Jahren in Niederviehbach. Ihre Entscheidung, ins Kloster einzutreten, habe sie nie bereut. Auf die Frage, ob sie heute wieder eintreten würde, antwortet sie deutlich: "Ja, freilich!" Weil Schwester Konrada gelernte Schneidermeisterin war, arbeitete sie viele Jahre im Nähzimmer des Klosters. Sie nähte die Habite der Schwestern und erledigte Ausbesserungsarbeiten. Aber auch das Bügeln der Wäsche habe sie gerne übernommen. "Selbst im hohen Alter hat sie noch gestickt", erzählt Schwester Theresa. Viele Altartücher, Kelchtücher und Tischdecken des Klosters sind von ihr genäht und bestickt worden. In der Kapelle neben dem Sprechzimmer ist auf einem Altartuch in akkurat gestickten roten Buchstaben zu lesen: "Gelobt sei Jesus Christus. In Ewigkeit Amen."
Schwester Konrada kann noch immer sehr gut lesen, auch ohne Brille. Darauf sind ihre Mitschwestern besonders stolz. Zum Beweis legen sie ihr die Kirchenzeitung des Bistums Regensburg auf den Tisch. Laut liest sie: "Friede kommt nicht von allein, er muss durch rechtes Beten herbeigefleht werden. Betet daher für den Frieden auf dieser Welt." Die Schwestern nicken freudig.
Schwester Konrada bedeutet das tägliche Gebet viel. Obwohl sie im Rollstuhl sitzt, nimmt sie täglich an allen Gebetszeiten und Gottesdiensten in der Klosterkirche teil. Täglich lässt sie sich von einer der Mitschwestern in den Kreuzgang bringen, wo sie den Rosenkranz betet. Die Holzperlen sind sehr abgegriffen. Schwester Theresa erzählt: "Sie betet viel für den Papst, für Berufungen und für unseren Orden". "Manche bitten sie auch um ihr Gebet für konkrete Anliegen", erzählt eine andere Mitschwester. Ihre leibliche Schwester sei auf die Fürbitte von Schwester Konrada hin schwanger geworden. Das Kind heißt Dominikus und trägt den Namen des heiligen Dominikus, des Ordensgründers der Dominikanerinnen.
Nun will die Pflegerin Schwester Konrada für das Abendgebet frisch machen. Das "Hunderl" darf auf ihrem Schoß sitzen bleiben. Schwester Konrada steckt den Rosenkranz tief in den Ärmel ihres Habits und winkt zum Abschied fröhlich ein "Vergelt´s Gott", bevor sie aus dem Sprechzimmer rollt.