Papst räumt Fehler gegenüber Missbrauchsopfern ein
Papst Franziskus hat Fehler im Umgang mit chilenischen Missbrauchsopfern eingeräumt und sie um Entschuldigung gebeten. Hintergrund ist seine Bemerkung am Rande eines Besuchs in Iquique, für Vertuschungsvorwürfe gegen den chilenischen Bischof Juan Barros lägen keine Beweise vor. Franziskus sprach dabei von "Verleumdung". Auf dem Rückflug von seiner Lateinamerikareise sagte er vor Journalisten, seine Wortwahl sei unglücklich gewesen. Barros bleibe jedoch im Amt, weil ein schuldhaftes Verhalten nicht erwiesen sei.
Der Papst sagte, viele Missbrauchsopfer könnten keine Beweise für das Erlittene beibringen oder schämten sich, diese offenzulegen. Statt von "Beweisen" müsse man richtiger von sicheren Indizien sprechen. Das Wort "Beweis" habe die Opfer verletzt. Deshalb bitte er um Entschuldigung. "Den Papst sagen zu hören: 'Bringt mir einen Brief mit dem Beweis', ist eine Ohrfeige", so Franziskus.
Barros stammt aus dem geistlichen Schülerkreis des heute 87-jährigen Priesters Fernando Karadima, der 2011 von einem kirchlichen Gericht wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war. Der charismatische Geistliche Karadima hatte über viele Jahre hinweg engen Kontakt zu Jugendlichen der chilenischen Oberschicht, die sich für das Priestertum interessierten. 2010 warfen drei Männer dem einflussreichen Priester öffentlich vor, sie in den 1980er und 1990er Jahren missbraucht zu haben, als sie noch minderjährig waren. Vom Vatikan wurde Karadima zu einem Leben in Gebet und Buße verurteilt. Derzeit lebt er zurückgezogen in einem Kloster in Chiles Hauptstadt Santiago und darf keine öffentlichen Gottesdienste feiern. Zudem hatte Karadima jahrelang Finanzen seiner Kirchengemeinde veruntreut, um sich daran persönlich zu bereichern. Der Fall Karadima führte zu einem großen Glaubwürdigkeitsverlust der chilenischen Kirche in der Gesellschaft.
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Der umstrittene Barros, Bischof von Osorno im Süden Chiles, wird beschuldigt, von den Vergehen Karadimas gewusst zu haben. Missbrauchsopfer berichten, Barros habe gesehen, wie Karadima sie gegen ihren Willen küsste; er habe die Vorfälle jedoch für sich behalten. Trotz dieser Anschuldigungen gebe es keine stichhaltigen Anhaltspunkte, die eine Verurteilung im Fall Barros rechtfertigten, so der Papst.
Weiter sagte der Papst, aus der Chilenischen Bischofskonferenz sei der Vorschlag gekommen, alle vier Bischöfe, die aus dem Kreis Karadimas stammten, zurücktreten zu lassen oder ihnen eine Auszeit zu gewähren. Damit sollten Anschuldigungen vermieden werden. Einen zwei Mal von Barros angebotenen Amtsverzicht habe er abgelehnt, weil dies einem Schuldeingeständnis gleichgekommen wäre und trotz Nachforschungen nichts Belastendes gegen ihn vorliege. "Ich bin überzeugt, dass er unschuldig ist", so der Papst. "Wenn man hartnäckig Anschuldigungen erhebt, ohne Nachweise zu haben, ist das Verleumdung", betonte Franziskus. Wenn jemand Indizien beibringen könne, sei er "der erste, der ihn anhört".
Der Papst hieß auch eine Intervention von Kardinal Sean O'Malley gut, der nach der umstrittenen Äußerung des Papstes Verständnis für die Empörung der Opfer geäußert hatte. Die Erklärung O'Malleys sei "sehr gerecht" gewesen; "ich habe ihm dafür gedankt". Der Kardinal, der Leiter der Päpstlichen Kinderschutz-Kommission ist, habe vom "Schmerz der Opfer im Allgemeinen" gesprochen.
Bei der Verfolgung von Missbrauchsfällen setze er die "Null Toleranz"-Linie seines Vorgängers Benedikt XVI. fort, betonte Franziskus. In seinen bisher fünf Amtsjahren habe er keinen einzigen Gnadenappell eines wegen Missbrauchs laisierten Klerikers unterzeichnet, obwohl etwa zwei Dutzend solcher Anträge eingegangen seien. (rom/KNA)