Chilene Juan Carlos Cruz schrieb Papst Franziskus schon 2015

Brief von Missbrauchopfer - Vatikan in Erklärungsnot

Veröffentlicht am 06.02.2018 um 09:00 Uhr – Lesedauer: 
Missbrauch

London/Vatikanstadt ‐ In Januar sprach der Papst noch von Verleumdung gegen den chilenischen Bischof Juan Barros. Doch jetzt ist der Brief eines Missbrauchsopfers an Franziskus aufgetaucht. Er stammt aus dem Jahr 2015.

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Der Brief eines chilenischen Missbrauchsopfers an Papst Franziskus hat den Vatikan in Erklärungsnot gebracht. In dem am Montag bekanntgewordenen, 2015 verfassten Schreiben, das dem Sender BBC vorliegt, belastet der Chilene Juan Carlos Cruz den heutigen Bischof Juan Barros schwer. Dieser habe in den 1980er Jahren etliche Fälle von sexuellem Missbrauch von Jungen durch seinen inzwischen vom Vatikan verurteilten Amtsbruder Fernando Karadima mit angesehen, ohne dagegen einzuschreiten.

Papst Franziskus hatte während seines Chile-Besuchs im Januar dieses Jahres erklärt, es gebe keine Beweise dafür, dass der 2015 von ihm zum Bischof von Osorno ernannte Barros sexuellen Missbrauch durch Karadima vertuscht habe. Barros' Amtseinführung wurde damals begleitet von heftigen Protesten Hunderter Demonstranten, die gegen seine Bischofsernennung protestierten. Cruz' Brief an den Papst datiert laut BBC vom 3. März 2015, knapp drei Wochen vor diesen Ereignissen. Angehängt ist der Text eines weiteren, einen Monat früher verfassten Schreibens von Cruz an den Apostolischen Nuntius in Chile, Erzbischof Ivo Scapolo.

Brief: Karadima und Barros küssten sich gegenseitig

Die BBC zitierte am Montag aus dem Brief Schilderungen, wonach Karadima in Barros' Beisein Cruz selbst und andere Jungen begrapscht und zu Zungenküssen gezwungen hat. Auch Barros und Karadima hätten sich vor den Jungen geküsst. "Heiliger Vater, Juan Barros sagt, er habe nichts gesehen, und doch gibt es Dutzende von uns, die die Tatsache bezeugen können, dass er nicht nur anwesend war, wenn Karadima uns missbrauchte, sondern er auch Karadima küsste und sie sich gegenseitig anfassten."

Kardinal Sean O’Malley ist seit 2003 Erzbischof von Boston.
Bild: ©picture alliance / landov

Kardinal Sean O’Malley ist seit 2003 Erzbischof von Boston und im Vatikan für Prävention und Aufarbeitung von Missbrauch verantwortlich.

Über den Leiter der Päpstlichen Kinderschutzkommission, den Bostoner Kardinal Sean O'Malley, sei der Brief dann an den Papst gelangt, so der BBC-Bericht. Weiter heißt es darin, der Kardinal habe später Cruz nach dessen Worten die Übergabe des Schreibens an Franziskus telefonisch bestätigt. Ob Franziskus den Brief gelesen hat, ist nicht bekannt. Der Vatikan wollte sich laut Sender nicht zu dem Vorgang äußern.

Der Fall Barros hatte während der jüngsten Chile-Reise von Papst Franziskus Mitte Januar die Schlagzeilen der chilenischen Medien bestimmt. Der Papst hatte sich zunächst hinter den beschuldigten Bischof gestellt und erklärt: "An dem Tag, an dem man mir einen Beweis gegen Bischof Barros vorlegt, werde ich sprechen." Alles andere sei "Verleumdung".

Papst Franziskus entschuldigte sich für Wortwahl

Wenig später entschuldigte sich Franziskus für seine Wortwahl, die Opfer sexuellen Missbrauchs verletzt habe. Viele Missbrauchsopfer könnten keine Beweise für das Erlittene beibringen oder schämten sich, diese offenzulegen. Statt von "Beweisen" müsse man richtiger von sicheren Indizien sprechen, so der Papst.

Vergangenen Dienstag kündigte der Vatikan an, die Vertuschungsvorwürfe gegen Bischof Barros erneut untersuchen lassen. Papst Franziskus entsendet dazu den maltesischen Erzbischof Charles Scicluna nach Chile. Dieser solle mit all jenen das Gespräch suchen, die bereit seien, ihre Kenntnisse über den Fall zu teilen. (KNA)

UPDATE: Anhörung der Missbrauchsopfer noch im Februar

Mit Blick auf eine mögliche Vertuschung von Missbrauchsfällen durch den chilenischen Bischof Juan Barros sollen Betroffene im Februar vor dem päpstlichen Sonderermittler aussagen. Wie chilenische Medien am Dienstag berichteten, sollen die Missbrauchsopfer am 20. und 21. Februar vor dem maltesischen Erzbischof Charles Scicluna die Taten des inzwischen vom Vatikan verurteilten katholischen Geistlichen Fernando Karadima schildern. Das bestätigte Juan Carlos Cruz, eines der Opfer. Da er nicht nach Chile kommen könne, sei er gebeten worden, aus einer Pfarrei in Philadelphia (USA) via Skype auszusagen.

Unterdessen hieß es vom vatikanischen Presseamt, eine Stellungnahme zu einem Brief von Cruz an Papst Franziskus, dessen Bekanntwerden am Montag für Wirbel gesorgt hatte, sei vorerst nicht zu erwarten. Derzeit arbeite Sonderermittler Scicluna sich in den Sachverhalt ein, sagte die stellvertretende Pressesprecherin Paloma Garcia Ovejero am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sobald Scicluna aus Chile zurückgekehrt sei, würden seine Ermittlungen im Vatikan ausgewertet und dann über weitere Maßnahmen entschieden. Scicluna war von 2002 bis 2012 vatikanischer Chefermittler in Missbrauchsfällen. (KNA)