Franz Rauch ist am Mittwoch 101 Jahre alt geworden

Der Pfarrer, der nicht sterben kann

Veröffentlicht am 14.03.2018 um 12:35 Uhr – Lesedauer: 
Serie: Mein Glaube

Bonn ‐ Als er geboren wurde, regierte Kaiser Wilhelm II. Als er Priester wurde, tobte der Zweite Weltkrieg. Nun ist Franz Rauch 101 Jahre alt. Mit katholisch.de sprach er über die Liebe, das Leben und den Tod.

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Franz Rauch wurde am 14. März 1917 im Allgäu geboren, war 14 Jahre lang als Comboni Missionar in Südafrika unterwegs und lebt heute in einer Senioreneinrichtung in Esslingen bei Stuttgart. Er ist der dienstälteste Priester in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Und obwohl er auch mit 101 bei bester Gesundheit ist, denkt er häufig ans Sterben, wie er katholisch.de anlässlich seines Geburtstags erzählt hat.

Frage: Herr Rauch, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Rauch: Danke, obwohl ich schon mit 90 sterben wollte. Ich kenne weit und breit keinen Priester in meiner Diözese, der so alt ist wie ich. Vor zwei Jahren habe ich zu meinem 99. Geburtstag eine schöne Kerze vom Bischof geschenkt bekommen. Der hat sich bestimmt gedacht, der Pfarrer Rauch lebt nicht mehr lange. Und jetzt bin ich schon 101 Jahre alt und halt der Pfarrer, der nicht sterben kann. Was soll ich machen?

Frage: Würden Sie denn gerne bald sterben?

Rauch: Na hören Sie mal, ich bin über 30 Jahre in Pension, also ewig lange schon. Da wird es auch einmal Zeit, dass man gehen kann. Nur ich kann nicht. Ich habe noch eine Schwester, die zwar vier Jahre jünger ist als ich, aber auch in einem Pflegeheim lebt. Gesundheitlich ist sie aber schlechter dran als ich, ich bin in bester körperlicher Form.   

Frage: Waren Sie in Ihrem Leben jemals ernsthaft krank?

Rauch: Nie, und das, obwohl ich nie besonders auf meine Gesundheit geachtet habe. Ich war 14 Jahre in Südafrika als Missionar unterwegs. Ich habe dort eine Krankenstation mit aufgebaut. Ich habe Kranke gepflegt, aber selbst nie ernsthaft krank. Nicht einmal eine Grippe habe ich gehabt. Ich weiß auch nicht, wie das ging, obwohl ich eigentlich einen Herzfehler habe. Aber genau der war einmal mein Glück.

Serie: Mein Glaube, mein Leben

Als Eremit lebend in der Ödnis, aus der Kirche aus- und wieder eingetreten, konvertiert oder als Erwachsener getauft: Die Themenseite bündelt Porträts über Menschen, die ihren Glauben in einer besonderen Weise leben.

Frage: Wie meinen Sie das?

Rauch: Während meines Theologiestudiums in Bamberg, das war zu Beginn des zweiten Weltkrieges, wurden meine Mitstudenten und ich dazu aufgerufen, nach Russland zu gehen. Ich hatte Glück und wurde nicht einberufen. Der Arzt hat mich so lange untersucht, bis er etwas gefunden hat, womit er mich untauglich erklären konnte. Angeblich sollte ich einen Herzfehler haben. Daraufhin wurde ich zurückgestellt und konnte fertig studieren. Alle meine Mitstudenten sind im Krieg umgekommen. Das war sehr traurig. Ich wurde als einziger von Erzbischof Joseph Otto Kolb geweiht. Weil der Bischof es mit meiner Weihe eilig hatte, hat er mich in seiner Privatkapelle geweiht. Das war 1941, mitten im Krieg also. Nach der Weihe habe ich sofort eine Pfarrstelle in Oberfranken bekommen, in der Nähe von Vierzehnheiligen. Bis heute ist das ein besonderer Gnadenort für mich. Diese Pfarrstelle hat mich gerettet, denn damit blieb ich vom Krieg verschont, weil es eine Regelung gab, dass man als Pfarrer mit eigener Pfarrei vom Wehrdienst befreit war.

Frage: Dieser Arzt hat Sie damals gerettet?

Rauch: Ja, weil er wusste, dass ich Theologie studieren und Pfarrer werden wollte. Andernfalls wäre ich längst in Russland verfault. Vor kurzem war ich beim  Arzt und habe ihm diese Geschichte erzählt. Er sagte mir, dass der Arzt damals Recht hatte, weil ich tatsächlich etwas am Herzen hätte, aber es sei nichts Gefährliches. Tatsache ist, mein Herz läuft und läuft und es lässt sich nicht mehr stoppen. Ich bete jeden Abend: "Mutter Gottes, heute muss etwas passieren, heute Nacht musst du mich holen." Und dann wache ich wieder fit auf. Sie hört nicht auf mich, die da oben hören nicht auf mich. Jetzt ist Kardinal Lehmann mit 81 Jahren gestorben und ich kann mit 101 nicht sterben. Aber ich sag es der Muttergottes nicht mehr, sie folgt mir doch nicht.

Frage: Sind Sie ein frommer Mensch?

Rauch: Ja, ich bin ein sehr frommer Mensch, das habe ich von daheim mitbekommen. Ich bin in einem kleinen Dorf in Engetried im Allgäu auf einem Bauernhof aufgewachsen. Da waren alle katholisch. Wir waren eine bescheidene Familie, arm, aber zufrieden. Ich kann mich erinnern, als ich ein kleiner Junge war, kam eines Tages ein Aushilfspfarrer aus Ellwangen ins Dorf, weil er einer sterbenden Frau die Krankensalbung spenden musste. Es wurde ein Ministrant gebraucht, der ihm den Weg zeigen soll. Das war dann ich. Auf dem Heimweg fragte er mich, was ich einmal werden wolle. Ich habe mit den Achseln gezuckt, weil ich es nicht wusste. Damals war ich so ein Lausbub, ich habe mein Vieh gehütet im Allgäu und hatte allerlei Späße im Kopf. Der Pater sagte dann zu mir: "Du kannst doch zu uns Comboni Missionaren nach Ellwangen aufs Gymnasium kommen". Meine Mutter meinte, dass wir dafür kein Geld hätten, um mich studieren zu lassen. Wir waren neun Kinder daheim. Der Pater hat dann aber gesagt, dass das keine Rolle spiele. Und so kam ich dann nach Ellwangen. Wenn ich heute zurückblicke, stand mein ganzes Leben unter dem besonderen Segen Gottes. Dafür bin ich sehr dankbar.

Frage: Beten Sie viel?  

Rauch: Ich bete viel, ich bete andauernd.

Franz Rauch
Bild: ©Foto: Kirchengemeinde St. Albertus Esslingen

Franz Rauch ist mit 101 Jahren der dienstälteste Pfarrer der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Seinen Geburtstag feiert er in einer Senioreneinrichtung in Esslingen bei Stuttgart.

Frage: Was beten Sie?

Rauch: Keine bestimmten Sachen, ich rede mit Gott und ich denke viel über religiöse Dinge nach. Über Gott selbst, denn damit wird man nie fertig. Ich frage mich oft, wer ist Gott und warum greift Gott nicht ein in diese Welt? Das sind viele meiner Gedanken. Dann rede ich viel mit Gott und mit der Muttergottes. Maria ist mir sehr nahe. Ich spüre das einfach. Ich habe eine Marienfigur auf meinem Pult stehen. Mit ihr segne ich jeden Morgen und jeden Abend viele mir liebe Menschen und bete so für Angehörige, für Verstorbene, für die ganze Welt, für den Papst, ja für alle.

Frage: Sie haben in Ihrem Leben auch viele Umbrüche in der Kirche miterlebt...

Rauch: Ja, den Übergang von Papst Pius XII. zur neuen Kirche, also zum Zweiten Vatikanischen Konzil zum Beispiel. Für vieles war ich als Pfarrer offen und manches möchte ich bestimmt nicht mehr rückgängig haben, wie zum Beispiel die lateinische Sprache.

Frage: Fanden Sie die kirchlichen Reformen damals gut?

Rauch: Ja, das war alles gut, sehr gut sogar. Manchmal wundert es mich aber, was heute so daraus gemacht wird.  

Frage: Finden Sie den Zölibat gut?

Rauch: Ja, sehr gut sogar. Es ist etwas sehr, sehr Gutes, das es etwas gibt, wofür man wirklich ein Opfer bringen konnte.

„Aber ich sag es der Muttergottes nicht mehr, sie folgt mir doch nicht.“

—  Zitat: Priester Franz Rauch über seinen Sterbewunsch

Frage: Waren Sie jemals in Ihrem Leben verliebt? 

Rauch: Ich habe geliebt, aber ich war nie in eine Frau verliebt. Dass ich mich für den Zölibat entschieden habe, hat mich nie gereut. Es hat so selbstverständlich zu meinem Leben dazugehört und so war es nie schwer, es zu leben. Ich empfinde es auch heute noch als etwas Schönes. Der Zölibat soll beim Priester bleiben. Es ist wichtig, dass jemand dieses Opfer bringen kann. Das bedeutet ja nicht, dass ich als Pfarrer jeder Frau ausweichen soll. Das kann auch schwer sein. Ich habe aber immer ein Verständnis für die gehabt, die den Zölibat gehalten haben.

Frage: Wie stehen Sie zur Frauenweihe?

Rauch: Ich finde es gut, wenn die Weihe auf ein Geschlecht beschränkt bleibt und nur Männer die Priesterweihe empfangen können.

Frage: Was wünschen Sie sich für die Kirche?

Rauch: Ich wünsche mir, dass es in der Kirche nicht mehr so viele Streitereien gibt und dass nicht alles so kompliziert gemacht wird. Ach, Sie stellen Fragen! Jetzt bin ich so ein einfacher Priester geblieben und Sie fragen mich so komplizierte Sachen.

Frage: Also, dann eine einfache Frage: Was soll einmal auf Ihrem Grabstein stehen?

Rauch: Das habe ich schon längst festgelegt. Wenn mein Leben zu Ende geht, soll da zu lesen sein: "In Erwartung letzter ewiger Wahrheit und der Liebe Gottes". Ja, so erhoffe ich es mir.

Von Madeleine Spendier

Hinweis: Franz Rauch ist am Dienstag, 19. Februar 2019, gestorben.