Augustus Tolton wäre der erste schwarze Selige der USA

Vom Sklaven zum Priester – und bald selig?

Veröffentlicht am 16.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Augustus Tolton (1854-1897)
Bild: © gemeinfrei
Selige

Bonn ‐ Ablehnung und Anerkennung hat Augustus Tolton gleichermaßen erfahren: Weil ihn kein US-Priesterseminar aufnehmen wollte, wurde der Sklavensohn in Rom zum Priester geweiht. Er könnte bald selig werden.

  • Teilen:

Bei seiner Rückkehr in die USA wurde Augustus Tolton gefeiert wie ein siegreicher Held: Im Juli 1886 wurde er schon am Bahnhof von Menschenmassen begrüßt, eine Band spielte Kirchenlieder und Negro Spirituals, jeder wollte den frischgeweihten Priester mit dem seidenen Hut sehen und den Primizsegen empfangen. So beschreibt es die Website, die über den Kanonisierungsprozess von Tolton berichtet. Noch wenige Jahre zuvor wollte kein Priesterseminar der USA den schwarzen Mann aufnehmen. Erst 1920 wurde in den USA das erste Priesterseminar für Schwarze eröffnet.

Nun könnte mit Tolton der erste schwarze US-Priester auch der erste Schwarze Selige der USA werden. In Peru gibt es mit Martin von Porres ein heiliges "Mischlingskind", aber in den USA gibt es weder Heilige noch Selige schwarzer Hautfarbe oder afrikanischer Abstammung. Bislang tragen nur Pierre Toussaint (1766-1853) und Henriette Delille (1813-1862) den Titel "Ehrwürdiger Diener Gottes". Im Februar wird eine theologische Kommission prüfen, ob auch Augustus Tolton den Titel "Ehrwürdiger Diener Gottes" erhalten soll, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung. Die sogenannte Positio, eine Auswertung der Untersuchungsergebnisse über sein Leben, sei vergangene Woche von einer vatikanischen Geschichtskommission einhellig anerkannt worden, berichtet die "Catholic News Agency" (CNA).

Der Sklavensohn wird von der "weißen" Schule geworfen

Tolton wurde 1854 in Missouri als Sohn von Sklaven geboren. Er soll 1862 mit seiner Mutter und drei Geschwistern die Freiheit erlangt haben, indem sie den Mississippi überquerten und so nach Illinois gelangten, wo es keine Sklaverei gab. Die Nachfahren der Sklavenhalter-Familie geben hingegen an, dass alle Sklaven zu Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) freigelassen worden seien. Der Vater kehrte vom Krieg nicht mehr zurück.

Monika und Augustinus
Bild: ©KNA

Die heilige Monika von Tagaste mit ihrem Sohn, dem späteren Kirchenvater Augustinus von Hippo. Die 1893 erbaite Kirche für die Schwarzen in Chicago wurde nach ihr benannt, einer aus Afrika stammenden Heiligen.

Augustus – getauft wurde er als Augustine – lernte in seiner neuen Heimat Quincy etwas Deutsch, da seine Familie eine deutschsprachige Kirchengemeinde besuchte. Die Gemeindeschule voller weißer Kinder konnte der Junge aber nur einen Monat lang besuchen, da die Pfarrei heftig protestierte. So begann Augustus – von allen nur Gus genannt –, in einer Zigarrenfabrik zu arbeiten. Wenn die Fabrik im Winter geschlossen war, ging der inzwischen 14-Jährige in eine öffentliche Schule der schwarzen Community.

Die Familie wechselte die Gemeinde und ging nun zu dem irischstämmigen Priester Peter McGirr, der den frommen und talentierten Augustus lieber auf einer katholischen Schule sehen wollte. Damit es nicht so endet wie in der deutschen Gemeinde, ließ der Pfarrer nichts anbrennen: McGirr predigte zu Passagen wie dem barmherzigen Samariter und ließ die anderen Schüler vorab darauf vorbereiten, dass sie einen schwarzen Mitschüler bekommen. Gus lernte stets drei Wintermonate in der Schule und kehrte dann wieder in die Fabrik zurück.

Studium an der Urbaniana in Rom

Die Priester der Stadt versuchten, dass Tolton in einen Orden oder ein Priesterseminar aufgenommen wird, damit er weiter lernen kann. Als keine Institution sich bereit sah, einen Schwarzen aufzunehmen, sorgten die Priester mit Privatunterricht selbst dafür, dass Tolton und zwei weitere junge Männer eine höhere Schulbildung erhielten. Trotz der Unterstützung der Geistlichen wollte auch danach kein amerikanisches Priesterseminar Tolton aufnehmen.

Aber er wurde an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom angenommen, wo 70 Studenten aus aller Welt sich auf ihr Leben als Missionar vorbereiteten. Tolton dachte, dass er nach dem Besuch der Missionshochschule der Kirche als Seelsorger nach Afrika geschickt wird. Er lernte Italienisch, Latein sowie Altgriechisch und studierte afrikanische Kulturen und Sprachen.

Chicago
Bild: ©Fotolia.com/rudi1976

Panorama der US-Stadt Chicago in Illinois. Bereits 1890 war Chicago eine Millionenstadt, in der Augustus Tolton gegen die Armut der schwarzen Katholiken ankämpfte.

Aber es kam anders, denn für die Kirche war Amerika noch ein Missionsland: Nach seiner Priesterweihe am 24. April 1886 in der Lateranbasilika wurde Tolton in die USA zurückgeschickt. Als "Father Gus" kehrte er nach Quincy zurück und wurde dort zu einem bei Schwarzen wie Weißen beliebten Seelsorger. Weil die Kirchen voll waren, wenn er die Messe feierte, rief er die Kinder dazu auf, vorne im Altarraum Platz zu nehmen, sodass die Erwachsenen mehr Sitzplätze hatten. Allerdings schien er nach einem Jahr auch etwas entmutigt, weil nur sechs Menschen zum Katholizismus konvertierten. Schlimmer wurde es, als ein neuer weißer Priester und Dekan in die Stadt kam und eine Kampagne gegen Tolton begann. Weiße sollten nicht mehr zu "diesem Nigger-Priester" gehen, forderte Dekan Michael Weiss. Und obwohl die Priester der Stadt auf der Seite von Tolton standen, konnten sie nicht verhindern, dass ihm befohlen wurde, entweder nur Schwarzen zu predigen oder die Stelle zu wechseln.

Nach Kontakten mit dem Bischof und der seit Urbaniana-Zeiten für ihn zuständigen römischen Missionskongregation wurde beschlossen, dass Tolton Quincy verlassen und künftig für das Erzbistum Chicago arbeiten soll. Das Erzbistum empfing Father Gus mit offenen Armen und er wurde sofort zum Pfarrer aller Schwarzen installiert. Allerdings hatte er dafür keine eigene Kirche zur Verfügung, nur einen Altar in einer anderen Gemeinde. Der Bau der neuen Kirche St. Monica und die Sorge für die vielen Armen rieb den Priester immer mehr auf.

"Ein Pionier seiner Zeit für Inklusivität"

Anfang Juli 1897 fuhr Tolton für einige Tage mit anderen Geistlichen zu Priesterexerziten. Als er an einem heißen Freitagmittag nach Chicago zurückkehrte, kollabierte Father Gus und brach auf der Straße zusammen. Am 9. Juli 1897 starb Tolton in einem Chicagoer Krankenhaus an dem Hitzschlag – er wurde nur 43 Jahre alt. An dem Requiem für ihn nahmen mehr als 100 Priester und tausende Menschen teil. Beerdigt wurde er auf seinen Wunsch hin nicht in Chicago, sondern in einem Priestergrab in Quincy.

2011 begannen die offiziellen Untersuchungen für eine mögliche Seligsprechung. Der Postulator für den Seligsprechungsprozess im Erzbistum Chicago, Weihbischof Joseph Perry, bezeichnete die Anerkennung der Positio durch den Vatikan als ein "sehr positives Zeichen, dass es weiter geht". Er würdigte Augustus Tolton als einen Pionier seiner Zeit für Inklusivität, da er in seiner Pfarrei in Quincy Weiße und Schwarze angezogen habe. Wegen seiner Rasse sei der Priester aber auch diskriminiert und abgeurteilt worden. Seine Selig- und Heiligsprechung wäre ein "wesentlicher Meilenstein in der Geschichte des schwarzen Katholizismus der USA", so Perry.

Von Agathe Lukassek