Wie geistig Behinderte auf Kommunion und Firmung vorbereitet werden können

So funktioniert eine inklusive Sakramentenkatechese

Veröffentlicht am 29.05.2018 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 
Sakramente

Bonn ‐ Die Kirche setzt sich für geistig behinderte Menschen ein. Doch geht es um die Sakramente, herrscht bei einigen Skepsis: Können die jungen Leute wirklich begreifen, was Kommunion oder Firmung bedeuten?

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Vorne auf dem Papamobil steht Papst Franziskus und winkt routiniert in die Menge, hinten sitzt Pete und grinst glücklich und breit in die Kamera. Dem Jungen mit Down-Syndrom ist gerade ein Herzenswunsch erfüllt worden. Er durfte nicht nur bei einer Generalaudienz mit Papst Franziskus ganz vorne in der ersten Reihe dabei sein. Der Pontifex lud den Jungen auch spontan ein, mit ihm eine Runde über den Petersplatz zu drehen. Das ließ Pete sich nicht zweimal sagen.

Franziskus kritisiert die Ausgrenzung Behinderter

Dass Franziskus junge Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung am Herzen liegen, hat er schon mehrfach gezeigt. Regelmäßig kritisiert er ihre Diskriminierung und Ausgrenzung aus Gesellschaft und Kirche. Und das gilt auch für die Sakramente: Es sei traurig, dass den Betroffenen in einigen Fällen weiter der Zugang verwehrt werde, sagte das Kirchenoberhaupt 2016 bei einer Konferenz über Behindertenseelsorge.

Bild: ©Mountain Butorac/The Catholic Traveler

Pete aus Ohio bei seiner Fahrt mit dem Papamobil im März 2018.

Aber wie sieht die Kommunion- und Firmvorbereitung geistig behinderter junger Menschen konkret aus? Das weiß Martin Merkens, der sich im Bistum Münster als Referent um die Seelsorge für Menschen mit Behinderung kümmert. Früher seien gerade Menschen mit geistiger Behinderung oft nicht in ihren Pfarrgemeinden, sondern in ihren kirchlichen Förderschulen auf die Sakramente vorbereitet worden und hätten sie auch in der dortigen Kapelle empfangen, berichtet er. "Das war also Exklusion pur. Heute ist die Inklusion aber Gott sei Dank zumindest in manchen Pfarreien angekommen."

Merkens hat beobachtet, dass der Umgang mit Behinderten in den Gemeinden häufig erst einmal Verunsicherung hervorruft. Das bestätigt auch Roland Weiß, Referent für Sonderpädagogik beim Deutschen Katecheten-Verein in München. Er kennt solche Ängste – und findet sie auch vollkommen nachvollziehbar. "In der Lebenswirklichkeit vieler Menschen kommen Behinderte sonst ja gar nicht vor."

Trotzdem hält er es für eine "wichtige und drängende Aufgabe" der Kirche und der Gemeinden, sich neben den körperlich auch um die geistig behinderten Gläubigen zu bemühen – und am besten schon dann, wenn es um die Vorbereitung auf die Taufe geht. "Es ist aus meiner Sicht ganz wichtig, dass die Kirche den ersten Schritt macht und auf die Familien zugeht, die ihrerseits ja auch in einer neuen, verunsichernden Situation stecken."

Alle Sinne ansprechen

Auch die Sakramente der Erstkommunion und der Firmung sollten die behinderten Kinder nach Ansicht der Experten möglichst in ihrer Gemeinde empfangen. Wie eine inklusive Firmvorbereitung gelingen kann, hat Roland Weiß für den Katecheten-Verein in einer Arbeitshilfe mit dem Titel "Du gefällst mir" zusammengefasst. Eine gute, persönliche Beziehung zu dem Kind, ihm gegenüber offen zu sein, es ernst zu nehmen, hält er für eine Grundvoraussetzung. In die konkrete Vorbereitung könnten dann die Eltern oder eine andere Vertrauensperson des Kindes eingebunden werden: "Das entlastet den Katecheten oder die Katechetin, die vielleicht verunsichert sind, wenn das Kind sich aufgrund seiner Behinderung scheinbar auffällig verhält."

Inhaltich müsse bei einer inklusiven Kommunion- oder Firmvorbereitung sowohl für die Kinder mit als auch ohne Behinderung etwas dabei sein. Während den Letzteren das Sakrament oft mit Hilfe von Texten näher gebracht werde, sei es für die geistig Behinderten wichtig, dass alle Sinne angesprochen werden: "Sie müssen sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken, tasten", sagt Roland Weiß. "Und von diesen Erfahrungen können dann ja auch die nichtbehinderten Kinder profitieren."

„Jeder Mensch, mit seinen Gaben, seinen Grenzen und Einschränkungen, auch mit großen, kann auf seinem Weg Jesus begegnen und sich ihm im Glauben anvertrauen.“

—  Zitat: Papst Franziskus

Beliebt in der Erstkommunion-Katechese sei etwa die Geschichte des Zöllners Zachäus, dessen Leben sich durch die Begegnung mit Jesus vollkommen verändert. "Hier kann man die anfängliche Ablehnung durch das Fühlen eines kalten Eisbeutels oder den sauren Geschmack von Zitronensaft verdeutlichen. Positive Gefühle könnte man dann etwa durch Wärme oder etwas Süßes verdeutlichen", erklärt Weiß.

Martin Merkens schlägt vor, bei der Sakramentenvorbereitung von Behinderten auch mal andere Formen als die einer wöchentlichen Gruppenstunde zu wählen. "Es könnte zum Beispiel ein erlebnisorientiertes Angebot an mehreren Samstagen geben, bei dem die Kinder etwas gestalten können." Merkens rät den Gemeinden auch, sich Hilfe von außen zu suchen, falls sie durch die Situation überfordert sind. "Die gibt es bei der Behindertenseelsorge des Bistums, es sind aber auch viele Eltern bereit, sich zu engagieren, manchmal auch Lehrerinnen oder Lehrer von Förderschulen."

Auch wenn die Katechese eine Herausforderung ist: Auf keinen Fall dürfe geistig behinderten Kindern  der Empfang der Sakramente mit der Begründung verweigert werden, sie seien zu einer echten gläubigen Teilnahme daran nicht fähig – in diesem dringend Appell sind sich die Experten einig. "Wie will ich bewerten, ob ein Mensch, der stark geistig behindert ist und vielleicht nicht sprechen kann, bei dem ich aber spüre, dass ihm die Teilnahme am Gottesdienst und die Kommunion etwas bedeuten, das Geschehen ausreichend nachvollziehen kann oder nicht?", fragt Martin Merkens. Und auch das Kirchenrecht liefert eine Argumentationshilfe: Roland Weiß versteht es so, dass die Taufe eine Art "Rechtsanspruch" auf den Empfang der Firmung setzt (Can. 849). Nur aus sich heraus könne ohnehin kein Mensch ein Sakrament angemessen empfangen – da habe immer Gott die Hände im Spiel, ob nun bei behinderten Menschen oder solchen ohne Handicap.    

Pete sitzt glücklich auf dem Papamobil

Auch Papst Franziskus glaubt, dass wer geistig Behinderten die Sakramente verweigere, den Sinn der Sakramente selbst nicht richtig verstanden habe. Weder geistliche noch körperliche Leiden könnten der Begegnung mit Jesus jemals im Weg stehen: "Jeder Mensch, mit seinen Gaben, seinen Grenzen und Einschränkungen, auch mit großen, kann auf seinem Weg Jesus begegnen und sich ihm im Glauben anvertrauen", so Franziskus im Oktober 2017. So wie der kleine Pete, der glücklich auf dem Papamobil sitzt. 

Von Gabriele Höfling

Hinweis: Arbeitshilfen für die Katechese mit geistig Behinderten

Hilfestellung bei der Katechese mit geistig Behinderten liefert das Bistum Münster mit seiner Materialien-Box "Glauben für alle Lernen". Darin finden sich Karteikarten mit Fragen zu verschiedenen Themenbereichen. Sie können als Leitfaden für den Umgang mit Behinderten dienen. "Wollen die Menschen in der Gemeinde Inklusion?" , "Werden neue Ideen ausprobiert ? Wenn nein, warum nicht?", lauten zwei der Fragen aus dem Bereich "Vielfalt ist gut". "Beim Glauben-Lernen wird viel gesprochen. Können das alle verstehen?" oder "Menschen glauben verschieden. Merkt man das beim Glauben-Lernen? Werden alle mit ihrem Glauben stark gemacht?" sind zwei Beispiele aus der Rubrik "Glauben-Lernen für alle planen". Die Box kann online beim Materialdienst des Bistums Münster bestellt werden. Die Arbeitshilfe "Du gefällst mir" des Deutschen Katecheten-Vereins gibt es ebenfalls online (gho).