Papstgesandter sagt volle Kooperation mit Justizbehörden zu

Missbrauch in Chile: Staatsanwaltschaft greift durch

Veröffentlicht am 14.06.2018 um 09:13 Uhr – Lesedauer: 
Missbrauch

Santiago de Chile ‐ Der Päpstliche Nuntius in Chile hatte die Herausgabe mehrerer Dokumente verweigert. Die Antwort der Staatsanwaltschaft: Beschlagnahmung. Nun schaltet sich der päpstliche Sondergesandte Charles Scicluna ein.

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In Chile hat die Staatsanwaltschaft mehrere Dokumente der katholischen Kirche in Zusammenhang mit verschiedenen Missbrauchsfällen sichergestellt. Konkret hätten Beamte der Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Gebäuden des Erzbistums Santiago und der Diözese Rancagua Akten bei einer Razzia an sich genommen, die aus kirchenrechtlichen Verfahren seit 2007 stammen, berichtet die Tageszeitung "La Tercera". Ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft forderte das Bistum Rancagua auf, Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die bis ins Jahr 2003 zurückreichen.

Wie die Zeitung erfahren haben will, sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft für eine Beschlagnahmung gefallen, nachdem der Päpstliche Nuntius eine Herausgabe verweigert hatte. Nuntius Ivo Scapolo habe in einem Brief darauf verwiesen, dass es nicht gängige Praxis sei, das päpstliche Geheimnis zu brechen. Die Staatsanwaltschaft könne aber einen entsprechenden Antrag per Brief stellen. Daraufhin habe die Staatsanwaltschaft entschieden, die Dokumente zu beschlagnahmen, so "La Tercera".

Sonderermittler hat volle Kooperation zugesagt

Unmittelbar zuvor hatte allerdings der Sonderermittler des Papstes, Erzbischof Charles Scicluna, den Justizbehörden seine volle Kooperation zugesagt. "Wir müssen als Kirche mit der Justiz zusammenarbeiten. Der Missbrauch von Minderjährigen ist nicht nur ein kirchenrechtliches, sondern auch ein zivilrechtliches Vergehen", sagte Scicluna bei einer Pressekonferenz. Kirchenrechtliche Untersuchungen dürften in keinem Fall die Arbeit der Justiz beeinträchtigen. Scicluna kündigte zudem ein Treffen mit der Staatsanwaltschaft sowie die Einrichtung einer direkt dem Vatikan unterstellte Meldestelle an. Die Anlaufstelle zur Meldung von Missbrauchsdelikten soll den Angaben zufolge in der Gemeinde Providencia im Großraum der Hauptstadt entstehen. Ein Leiter für das Büro werde in den kommenden Tagen ernannt.

Charles Scicluna aus Toronto ist ein maltesischer Geistlicher und Erzbischof von Malta.
Bild: ©dpa/Martial Trezzini

Der päpstliche Sonderermittler, Erzbischof Charles Scicluna, ahat der chilenischen Staatsanwaltschaft volle Unterstützung zugesagt.

Bereits am Dienstag waren die Sonderermittler des Vatikan, Scicluna und der Kirchenjurist Jordi Bertomeu, zu einem erneuten Besuch in Chile ein. Zweck des Aufenthalts ist es, für die Missbrauchsopfer den "Prozess der Wiedergutmachung und Heilung" voranzubringen. "Wir sind gekommen, um um Vergebung zu bitten", sagte Bertomeu bei der Ankunft in Santiago. Außerdem wolle man ei der Aufarbeitung "technische und juristische Hilfe" leisten, erklärte Scicluna.

Papst beklagte: Wurde nicht wahrheitsgemäß informiert

Chiles Kirche wird von einem Missbrauchsskandal erschüttert, der seit Monaten für Schlagzeilen sorgt. Im Brennpunkt steht der inzwischen 87-jährige charismatische Priester Fernando Karadima, der 2011 wegen sexueller Vergehen verurteilt wurde. Aus seinem Kreis gingen mehrere Bischöfe hervor, unter ihnen auch Juan Barros von Osorno, der von Opfern Karadimas der Mitwisserschaft beschuldigt wird. Papst Franziskus hatte in diesem Zusammenhang beklagt, nicht wahrheitsgemäß und ausgewogen über die Vorgänge informiert worden zu sein.

Scicluna und Bertomeu hatten bereits im Februar im Auftrag des Papstes Ermittlungen zum Umgang mit Missbrauchsfällen in Chile unternommen. Ihr 2.300 Seiten starker Bericht führte zur Einbestellung sämtlicher chilenischer Bischöfe in den Vatikan. Nach dem dreitägigen Treffen Mitte Mai boten 29 von 31 Bischöfen ihren Rücktritt an. Inzwischen hat Franziskus den Rücktritt von Barros sowie zwei weiteren chilenischen Bischöfen angenommen. (bod/KNA)