Speyrer Spagat
"der pilger" sieht sich auf dem richtigen Weg. Seit dem Frühjahr 2017 gibt es Deutschlands älteste Kirchenzeitung nicht nur wie gewohnt als wöchentliche Lektüre für Katholiken im Bistum Speyer, sondern zusätzlich viermal im Jahr auch als aufwendig designtes Kiosk-Magazin für den gesamten deutschsprachigen Raum. "Magazin für die Reise durchs Leben", heißt es im Untertitel des Heftes - eine Art Mischung aus "Landlust", "Happinez" und "Chrismon".
Sechste Ausgabe ist erschienen
Jetzt ist, begleitet von einer großen Werbekampagne, die sechste Ausgabe erschienen. Auf 148 Seiten geht es darin beispielsweise um "Das Gefühl der Freiheit" oder um "Das Kind in uns: Niemand von uns ist ganz und gar erwachsen." Reportagen laden zum Pilgern im deutschen Osten und zum Kochen nach Hildegard von Bingen ein. Nicht fehlen darf die regelmäßige Kolumne des Benediktiners und Bestsellerautors Anselm Grün.
Die Leserschaft ist gemischt. Neben dem pfälzischen Stammpublikum konnte der Peregrinus-Verlag im ersten Jahr fast 4.000 Abonnenten gewinnen. An Bahnhofskiosken, in Klosterläden und Manufactum-Warenhäusern werden zwischen 10.000 und 12.000 weitere Hefte verkauft. Zudem gibt es knapp 10.000 Lesezirkelexemplare. Die Druckauflage liegt bei 75.000. Das ist mehr als jede andere deutsche Kirchenzeitung - wobei der Vergleich zwischen einer wöchentlichen Publikation und einer Quartalszeitschrift nur bedingt aussagefähig ist.
Chefredakteur Norbert Rönn spricht von einem "Mindstyle-Magazin mit christlichem Fokus, dem das Thema achtsames Leben wichtig ist". Die Reaktionen der Leser nennt Rönn "überwältigend positiv": "Offensichtlich treffen wir einen Nerv der Zeit, wenn wir den Sehnsüchten der Menschen nachspüren, nach Stille und Sinnfindung, nach einem erfüllten Leben, nach Wegen zu uns selbst, nach Achtsamkeit, die das ganze Leben umfasst."
Peregrinus-Geschäftsführer Marco Fraleoni berichtet, dass die Medienbranche das Projekt mit größtem Interesse begleitet. Im Unterschied zu anderen konfessionellen und säkularen Medien, die eher in Fusionen die Antwort auf geschrumpfte Auflagen und Konkurrenz im Online-Markt sehen, will "der pilger" selbstständig bleiben und seinen eigenen Weg gehen. Die Neuausrichtung sehen Geschäftsführer und Chefredakteur als "wirkliches Zukunftsprojekt". Franz Jung, heutiger Würzburger Bischof und früher als Speyrer Generalvikar Herausgeber des Blatts, unterstützte dieses Konzept.
„Offensichtlich treffen wir einen Nerv der Zeit“
Ein wichtiges Thema ist jetzt die Stärkung der Marke. Fraleoni beobachtet, dass das Magazin zum Verkaufspreis von 4,80 Euro mal "im Esoterikregal, dann bei den Outdoor-Heften oder auch in der Reiseecke" liegt. "Wir möchten aber einen festen Platz bei den Mindstyle-Magazinen wie 'Happinez' oder 'Flow', weil die stark beachtet werden und wir uns mit unserem christlichen Ansatz - unter viel fernöstlicher Spiritualität - als Alternative und Ergänzung gut verortet sehen." Dabei kommt die christliche Grundhaltung bewusst niederschwellig zum Ausdruck.
Neue Werbekunden
Für Jung schafft das Magazin trotzdem "Anschlussfähigkeit", weil es gelinge, "mit christlichen Themen auch Menschen anzusprechen, die nicht zum engen Kreis der Gläubigen gehören". Nebenbei werden auch Werbekunden erreicht, die an einer traditionellen Kirchenzeitung weniger Interesse hätten. Optimistisch stimmt Rönn die Resonanz: "Von denen, die ein Leseexemplar anfordern, abonnieren es zwischen 25 und 30 Prozent. Das geht kaum besser." Verlaufen hat sich der Pilger also offenbar nicht.