Gericht entscheidet über Notizen von Haustürmission

EuGH: Zeugen Jehovas müssen Datenschutz beachten

Veröffentlicht am 10.07.2018 um 12:35 Uhr – Lesedauer: 
Recht

Bonn/Brüssel ‐ Wenn die Zeugen Jehovas an die Tür klopfen, dürfen sie danach nicht beliebig persönliche Daten notieren: Auch bei der Mission an Haustüren greift der Datenschutz, hat der Europäische Gerichtshof nun entschieden.

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Auch die Mitglieder der "Zeugen Jehovas" müssen sich an den Datenschutz halten. Daten, die von Mitgliedern der Religionsgemeinschaft bei Haustürbesuchen erhoben werden, dürfen nur in Übereinstimmung mit dem europäischen Datenschutzrecht verarbeitet werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute in einem Urteil entschieden.

Bei der Haustürmission notieren die "Zeugen Jehovas" neben Namen und Adressen auch Gesprächsinhalte mit besonders sensiblen Informationen wie religiöse Überzeugungen und Familienverhältnisse, um bei weiteren Besuchen darauf zurückgreifen zu können. Die Betroffenen werden weder über die Erhebung noch über die Verwendung der Daten von der Religionsgemeinschaft informiert. Das EU-Datenschutzrecht sieht vor, dass Daten nicht länger als notwendig und nicht ohne Einwilligung der Betroffenen gespeichert werden dürfen.

Religionsgemeinschaft für Notizen bei Haustürmission verantwortlich

In dem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass sich die Mitglieder der Gemeinschaft bei ihrer Haustürmission nicht auf Ausnahmen des europäischen Datenschutzrechts für "ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit" berufen können. Auch das Grundrecht auf Gewissens- und Religionsfreiheit verleihe der Haustürmission "keinen ausschließlich persönlichen oder familiären Charakter, da sie über die private Sphäre eines als Verkündiger tätigen Mitglieds einer Religionsgemeinschaft hinausgeht", erklärte der EuGH.

Streitig war auch, ob der Begriff der "Datei" für die handschriftlichen Notizen anwendbar sei und damit das Datenschutzrecht zum Tragen komme. Das bejaht der EuGH, da die Aufzeichnungen "nach bestimmten Kriterien so strukturiert sind, dass sie in der Praxis zur späteren Verwendung leicht wiederauffindbar sind." Um unter den Begriff "Datei" zu fallen, müsse eine derartige Sammlung nicht aus besonders strukturierten Ordnungssystemen wie Karteien oder Verzeichnissen bestehen.

Verantwortlich für die Verarbeitung der Daten seien die einzelnen Haustürmissionare gemeinsam mit der Religionsgemeinschaft, auch wenn es keine "schriftlichen Anleitungen oder Anweisungen" der "Zeugen Jehovas" für die Aufzeichnungen gebe und die Gemeinschaft nicht direkt Zugriff auf die erhobenen Daten habe.

Finnische "Zeugen" klagen gegen Datenschutzbehörde

Das Verfahren geht auf einen Fall aus Finnland zurück. Die finnische Datenschutzkommission hatte der Religionsgemeinschaft verboten, im Rahmen ihrer Missionstätigkeit personenbezogene Daten zu erheben oder zu verarbeiten, ohne die Datenschutzregeln zu beachten. Im Rahmen des Rechtsstreits wurde die Sache durch das Oberste Verwaltungsgericht Finnlands dem EuGH vorgelegt. Das Urteil folgt einem im Februar veröffentlichten Gutachten des Generalanwalts am EuGH, Paolo Mengozzi, das im Februar veröffentlicht wurde, und ist für die Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten bindend.

Die "Zeugen Jehovas" wurden Ende des 19. Jahrhunderts in den USA gegründet. Sie berufen sich auf die Bibel, lehnen aber zentrale christliche Glaubenssätze wie die Dreifaltigkeit ab. Kritiker sehen die Gemeinschaft als autoritäre Organisation an, deren Mitglieder sozial isoliert würden. Weltweit hat die Gemeinschaft mehrere Millionen Mitglieder, in Finnland nach eigenen Angaben gut 18.000 in 291 Versammlungen (Gemeinden). (fxn)