Das passiert, wenn ein Ordensmann Bischof wird
Seit Samstag hat das Bistum Hildesheim einen neuen Oberhirten. Die Bischofsweihe von Heiner Wilmer hat jedoch nicht nur eine Vakanz beendet, sie bedeutet zugleich, dass der deutsche Episkopat um einen Ordensmann reicher ist. Denn Wilmer war bislang Generaloberer der Gemeinschaft der Herz-Jesu-Priester, nach ihrem Gründer auch Dehonianer genannt. Die Anzahl derjenigen deutschen Bischöfe, die Mitglied eines Ordens sind, steigt damit auf vier: Neben Wilmer sind es der Eichstätter Bischof und Benediktiner Gregor Maria Hanke, der Passauer Bischof und Salesianer Don Boscos Stefan Oster sowie der Paderborner Weihbischof und Benediktiner Dominicus Meier. Doch was passiert eigentlich, wenn ein Ordensmann Bischof wird? Wie verändert sich das Verhältnis zu seiner Gemeinschaft? Und wie beeinflusst das Amt seine Ordensrechte und -pflichten?
"Zunächst einmal: Der Bischof bleibt Mitglied seiner Gemeinschaft", sagt der Münchner Kirchenrechtler und Benediktiner Stephan Haering. "Seine rechtliche Stellung innerhalb des Ordens ändert sich hingegen in verschiedenen Punkten." Eine erste bedeutende Veränderung betrifft demnach das Gehorsamsgelübde: Der Bischof ist seinem Ordensoberen keinen Gehorsam mehr schuldig, sondern nur noch dem Papst. "Natürlich ist auch ein normales Ordensmitglied dem Papst gegenüber zum Gehorsam verpflichtet, allerdings verschiebt sich das beim Bischof vollständig hin zum Pontifex", so Haering. Zudem muss der Ordensobere einer Bischofswahl nicht erst zustimmen, sondern der Papst hat hier vollkommen freie Hand.
Geht es um die Wahl, so ergibt sich beim Jesuitenorden eine Besonderheit: "Jesuiten verpflichten sich, keine kirchlichen Ämter und Würden anzustreben und zu übernehmen", erklärt Haering. Heißt: Wenn ein Jesuit vom Domkapitel zum Bischof gewählt wird und von diesem gefragt wird, so müsste er die Wahl zunächst einmal ablehnen. "Letztlich steht aber auch da der Papst an erster Stelle und wenn er sagt 'Du nimmst an', dann ist der Ordensmann kraft seines Gehorsamsgelübdes dazu verpflichtet", betont der Kirchenrechtler. Bei der Verweigerung handle es sich folglich um einen rein formalen Akt – dem Jesuiten werde durch die Bischofswahl implizit eine Dispens von seiner alten Verpflichtung mitgegeben.
Die Frage nach dem Vermögen
Änderungen ergeben sich jedoch nicht nur bezüglich des Gehorsams-, sondern auch des Armutsgelübdes. Bei der vermögensrechtlichen Stellung muss man laut Haering zunächst zwischen verschiedenen Orden unterscheiden. "Bei klassischen Orden wie Franziskanern, Benediktinern oder Dominikanern geht mit der Feierlichen Profess die Vermögensfähigkeit vollkommen verloren." Demnach darf man kein Vermögen mehr erwerben oder besitzen. Bei jüngeren Ordensgemeinschaften hingegen kann das Mitglied durchaus Vermögen besitzen, ist jedoch durch das Armutsgelübde in der Verfügung eingeschränkt – darüber entscheidet der Ordensobere. Der Bischof aus einem solchen jungen Orden erhält nun nach seinem Amtsantritt das Verfügungsrecht über sein gegebenenfalls vorhandenes Vermögen zurück und erwirbt zudem als Bischof seine Einkünfte für sich. Der Bischof aus einem klassischen Orden dagegen hat an den Einkünften sogenannten Nießbrauch – das heißt, er erwirbt das Geld für die Diözese, darf es aber dennoch frei gebrauchen. "In der Praxis unterscheidet sich da also im Grunde nichts", sagt Haering. So oder so bestehe das Armutsgelübde jedoch fort und solle sich in der Lebensführung des Bischofs niederschlagen.
Etwas unkonkret formuliert das Kirchenrecht, dass der Bischof nicht mehr solchen Ordensverpflichtungen unterliegt, von denen er "klugerweise annimmt, dass sie mit seiner Stellung nicht vereinbart werden können" (CIC Can. 705). "In diesem Zusammenhang kann man etwa an die Kartäuser denken, die ständiges Schweigen pflegen", sagt Haering. Das komme für einen Ordensmann im Bischofsamt natürlich nicht mehr infrage, da ein Bischof besonders der Verkündigung und Kommunikation verpflichtet sei. Ein weiteres Beispiel seien die Karmeliten, bei denen das mehrstündige betrachtende Gebet eine große Rolle spiele. "Dem kann ein Bischof bei seinem Tagespensum vielfach nicht mehr nachkommen", so Haering. Er dürfe hier frei entscheiden, inwiefern er solchen Verpflichtungen noch entsprechen könne.
Es fallen allerdings nicht nur gewisse Pflichten weg, ein zum Bischof geweihter Ordensmann verliert auch bestimmte Rechte. "Er kann nicht mehr an Entscheidungen im Orden mitwirken, sein Stimmrecht geht aktiv und passiv verloren", betont Haering. Somit kann er keinerlei Ämter mehr im Orden übernehmen, nicht mehr gewählt werden und nicht mehr abstimmen. Inwieweit der Bischof noch am Ordensleben teilnehme – etwa den Kontakt zu seinen Mitbrüdern halte –, sei ihm selbst überlassen, sagt der Kirchenrechtler. Als Zeichen seiner fortdauernden Ordenszugehörigkeit stehe es ihm in jedem Fall frei, sein Ordenskleid als Bischof weiterhin zu tragen. Auch das Ordenskürzel wird weiter im Namen geführt.
Nach dem Ausscheiden aus dem Amt
Und was passiert nach der Emeritierung, dem Ausscheiden aus dem Amt? "Wenn der Papst es nicht anders verfügt, hat der Bischof die freie Wahl, wo er sich nach seiner Emeritierung niederlässt", sagt Haering. Es besteht also auch die Möglichkeit, in ein Haus der Gemeinschaft zurückzukehren, was die Bischöfe jedoch tendenziell nicht tun. "Nach Jahren oder Jahrzehnten im Bischofsamt tritt eine gewisse Entfremdung vom Ordens- und Gemeinschaftsleben ein, sodass die meisten nicht mehr in ein Kloster zurückkehren", so Haering. Für die Versorgung des emeritierten Diözesanbischofs ist das jeweilige Bistum zuständig – gleiches gilt für die Weihbischöfe, die Ordensmitglied sind. Im Falle von Kurienbischöfen oder Nuntien übernimmt der Apostolische Stuhl die Versorgung. "Alle Änderungen hinsichtlich der Gelübde, Rechte und Pflichten bleiben übrigens auch bei emeritierten Bischöfen erhalten – da gibt es kein Zurück in das alte Ordensleben", sagt Haering.
Obwohl es mit Heiner Wilmer hierzulande nun einen Ordensbischof mehr gibt: Dass nur vier von insgesamt 67 Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz Ordensmänner sind, ist mit Blick auf die Weltkirche eine ungewöhnliche Konstellation. "Ich schätze, dass weltweit etwa ein Viertel bis ein Drittel des Episkopats aus Ordensleuten besteht", sagt Haering. Vor allem in Südamerika komme das sehr häufig vor. Kein Wunder also, dass der erste Pontifex von dem Kontinent ebenfalls ein Ordensmann ist: Papst Franziskus ist auch nach seiner Wahl Jesuit geblieben – für ihn gelten dieselben kirchenrechtlichen Bestimmungen wie für jeden anderen Bischof auch.
Das Kirchenrecht im Wortlaut
Can. 705* — Ein in das Bischofsamt berufener Ordensangehöriger bleibt Mitglied seines Instituts; er ist aber kraft des Gehorsamsgelübdes einzig und allein dem Papst unterstellt und unterliegt nicht Verpflichtungen, von denen er selbst klugerweise annimmt, daß sie mit seiner Stellung nicht vereinbart werden können.
Can. 706 — Bezüglich des oben genannten Ordensangehörigen gilt:
1° wenn er durch die Profeß das Eigentum an seinem Vermögen verloren hat, besitzt er in bezug auf das ihm zufallende Vermögen das Gebrauchsrecht, den Nießbrauch und die Verwaltung; das Eigentum jedoch erwerben der Diözesanbischof und die anderen, von denen in can. 381, § 2 die Rede ist, für die Teilkirche; die übrigen für das Institut oder für den Heiligen Stuhl, je nachdem ob das Institut vermögensfähig ist oder nicht;
2° wenn er durch die Profeß das Eigentum am Vermögen nicht verloren hat, erlangt er wieder Gebrauchsrecht, Nießbrauch und Verwaltung des Vermögens, das er hatte; was ihm später zufällt, erwirbt er voll für sich;
3° in beiden Fällen aber muß er über das Vermögen, das ihm nicht im Hinblick auf seine Person zufällt, gemäß dem Willen der Spender verfügen.
Can. 707 — § 1. Ein emeritierter Bischof aus dem Ordensstand kann seinen Wohnsitz auch außerhalb der Niederlassungen seines Institutes wählen, sofern vom Apostolischen Stuhl nichts anderes verfügt worden ist.
§ 2. In bezug auf seinen angemessenen und würdigen Unterhalt ist, wenn er für eine Diözese Dienst geleistet hat, can. 402, § 2 zu beachten, außer das eigene Institut will für einen derartigen Unterhalt sorgen; sonst hat der Apostolische Stuhl auf andere Weise Vorkehrungen zu treffen.