"Es hilft nichts, ich muss unsere Bestände halt kennen"
Die Benediktinerin Schwester Thekla Baumgart (53) kommt aus Bremen und trank vor ohrem Eintritt ins Kloster keinen Schluck Wein. Im Kloster in Rüdesheim hat sie gelernt, Wein herzustellen. Jetzt ist sie Deutschlands einzige Winzerschwester. Ihre Weine zählen zur Zeit zu den besten in Hessen. Welchen Wein die Ordensfrau am liebsten trinkt, verrät sie im Interview.
Frage: Schwester Thekla, trinken Sie gerne ein Gläschen Wein?
Sr. Thekla: Bei uns im Kloster gibt es jeden Sonntag, außer in der Advents- und Fastenzeit, ein Glas Wein für jede Schwester. Den suche ich immer passend zum Essen aus. Zurzeit ist es ein milder Riesling-Qualitätswein von 2017, den alle gerne trinken. Ich mag Wein, aber als Norddeutsche genieße ich auch ab und zu ein Bier. Selbstverständlich alles in Maßen. Da ich für unsere Vinothek im Klosterladen zuständig bin, probiere ich bei Weinverkostungen auch mal eine Sorte und im Weinkeller teste ich auch. Es hilft nichts, ich muss unsere Bestände halt kennen.
Frage: Was macht für Sie einen guten Wein aus?
Sr. Thekla: Ein guter Wein muss ehrlich sein. Das bedeutet: Es muss ein klarer und sauberer Wein sein. Ehrlich ist ein Wein, wenn er keine chemischen Zusatzstoffe oder Aromen enthält. Die Qualität wird im Weinberg grundgelegt. Durch die Gärung entfaltet sich die Qualität, so wie die Natur es vorgesehen hat. Der Wein muss einfach schmecken. Unsere Weine sind gut. Wir haben dieses Jahr bei der hessischen Landesweinprämierung 12 Goldmedaillen und fünf Silbermedaillen gewonnen. Jeder Wein aus dem Jahrgang 2017 hat einen Preis bekommen. Das hatten wir noch nie.
Frage: Glückwunsch! Wo haben Sie denn das "Winzern" gelernt?
Sr. Thekla: Das "Winzern" habe ich erst im Kloster erlernt. Vor meinem Eintritt hatte ich keine Ahnung, wie man Wein herstellt. Erst im Kloster habe ich eine Ausbildung zur Winzergesellin gemacht. Unser Weingut, das eine Fläche von sieben Hektar umfasst, bewirtschaften wir mit Hilfe eines Winzermeisters. Jeder hat seine eigene Aufgabe, das ist wie in einem Familienbetrieb. Ich leite das Weingut und bin für Kundenbetreuung, Marketing und Vertrieb zuständig. Der Winzermeister ist für Keller und Weinberg, also den An- und Ausbau der Weine verantwortlich. Darin hat er einfach mehr Erfahrung als ich. Unser Weingut besteht schon seit dem Mittelalter. Bereits Hildegard von Bingen ließ auf dem Rupertsberg Wein anbauen. Es gibt Aufzeichnungen aus dem Mittelalter, die belegen, dass die Schwestern, die ins Kloster kamen, Weinberge als Mitgift mitgebracht haben. Von dem Erlös wurde dann der Küster bezahlt oder Kerzen gekauft.
Als unser Kloster Anfang des 20. Jahrhunderts auf der anderen Rheinseite gegründet wurde, verfügten die Schwestern nur über einen einzigen Weinberg. Die Reben waren für den Messwein bestimmt. Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass der Weinanbau Geld für das Kloster bringt. Inzwischen ist das Weingut größer und der Weinverkauf eine wichtige Einnahmequelle für das Kloster geworden.
Frage: Wie viele Schwestern arbeiten heute im Weinberg?
Sr. Thekla: Vier bis fünf Schwestern helfen bei der Weinlese mit, daneben einige weitere Mitarbeiter des Klosters und freiwillige Helfer. Wir ernten die Trauben maschinell und zu einem Teil auch noch mit der Hand, also mit Schere und Eimer. Es ist viel Arbeit, aber es macht auch viele Freude, die Ernte des Jahres heimzubringen. Ich mache mir immer vorher einige Gedanken, wann es losgehen kann und ob das Wetter mitmacht. Wir sind im Moment bei der Lese der Trauben. Dieses Jahr waren wir vier Wochen früher dran als sonst. Die Rebsorte Spätburgunder ist komplett abgeerntet, der Riesling kommt diese Woche noch in den Weinkeller. Danach ist die Weinlese abgeschlossen und der sogenannte Weinausbau kann beginnen. Der Riesling wird in Edelstahlfässern gelagert und die Rotweine in Eichenholzfässern. Für die Gärung braucht es viel Geduld, eine gute Zunge und das richtige Fingerspitzengefühl.
Frage: Wie wird der Jahrgang 2018? Erwarten Sie ein gutes Weinjahr?
Sr. Thekla: Man kann jetzt noch nicht sagen, wie sich die Weine während der Gärung entwickeln werden. Die Reben waren gesund, der Geschmack der Trauben ist gut. Aber wie der Wein wird, hat man als Winzerin nicht in der Hand. Schließlich muss der Wein noch reifen. Wenn man während der Gärung merkt, dass etwas nicht schmeckt, muss man eingreifen. Ich weiß in der Zwischenzeit sehr gut, was unsere Kunden mögen. Das bespreche ich dann vor der Weinlese mit unserem Winzermeister. Es sind hauptsächlich Weine mit trockener Geschmacksrichtung, wobei wir auch halbtrockene und lieblichere Sorten haben. Da ich auch für die Vermarktung und den Verkauf der Weine zuständig bin und kümmere mich darum, dass genügend Flaschen verkauft werden.
Frage: Wie viele Weine verkaufen Sie im Jahr?
Sr. Thekla: Etwa 40.000 bis 50.000 Flaschen Wein produzieren wir im Jahr. Einen Teil davon verkaufen wir in der Vinothek unseres Klosterladens, den Rest über den Online-Handel. Bei uns kaufen Kirchengemeinden ein, aber auch viele Privatleute sowie andere Klöster, die unsere Weine vertreiben. Wir haben auch viele Stammkunden.
Frage: Kommt der Messwein in der Abtei auch aus dem Weingut?
Sr. Thekla: Ja, wir verwenden nach wie vor den Messwein aus eigenem Anbau. Momentan ist das ein milder Riesling-Qualitätswein. Aber das variiert, an Feiertagen gibt es einen edleren Tropfen, zum Beispiel eine Spätlese. Es ist schon etwas Besonderes, den eigenen Wein in der Eucharistie zu verwenden. Eigentlich sind alle unsere Weine für die Eucharistie brauchbar, außer Rotweine. Bis 2004 galt eine besondere Messweinverordnung, die hervorhob, dass der Wein für die Eucharistiefeier naturrein und unvermischt sein sollte, das heißt ohne beigemischte Fremdstoffe. Wer Messwein produzieren oder verkaufen wollte, musste sich als Winzer bei dem jeweiligen Bistum als Messweinlieferant anerkennen lassen. Nach dem Beschluss des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz wurde diese Regel nun aber aufgehoben. Er braucht keine Approbation mehr, es muss nur darauf geachtet werden, dass bei der Eucharistie ein Wein verwendet wird, der den Anforderungen eines Qualitätsweines nach deutschem Weinrecht genügt und so der Würde des Sakramentes entspricht. Man kann bei uns im Kloster also jederzeit Messweine bestellen.
Frage: Wie viele Kirchengemeinden bestellen Ihren Messwein?
Sr. Thekla: Momentan beziehen etwa 20 Kirchengemeinden aus ganz Deutschland ihren Messwein von uns. Es werden leider immer weniger, weil die Gottesdienste rückläufig sind und die Gläubigen seltener die Eucharistie in beiderlei Gestalt empfangen. Welchen Wein die Gemeinde sich als Messwein aussucht, variiert je nach Vorliebe des Pfarrers. Zur Weinprobe kommen die Seelsorger entweder selbst vorbei oder sie schicken den Küster. Manche Gemeinden lassen sich auch ein Probepaket zusenden. Ein Messwein kostet bei uns zwischen acht und zwölf Euro. Für die Pfarreien, die nur noch eine Messe pro Woche feiern, haben wir eine kleinere Weinflasche zu je 0,25 Liter erstellt. Aber der Verkauf des Messweins ist nicht unsere Haupteinnahmequelle, denn davon könnten wir nicht leben. Viele Gemeinden haben ihre je eigenen Lieferanten und schließlich gibt es noch einige bischöfliche Weingüter wie das in Limburg oder in Trier, die auch sehr gute Weine anbieten. Es wäre natürlich schön, wenn mehr Gemeinden bei uns bestellen würden.
Frage: Ihre persönliche Weinempfehlung für dieses Jahr?
Sr. Thekla: Mein Liebling ist der trockene Kloster-Riesling Secco Qualitätsperlwein. Ich liebe nicht nur das Prickelnde des Perlweines, sondern vor allem die frische Frucht des Rieslings. Mich erinnert das Aroma an Holunder mit grünem Apfel. Gut gekühlt ist der Kloster-Secco mein Favorit für einen schönen Herbstabend mit Freunden. Probieren Sie ihn mal!