Wenn Kirchtürme zu Kinderstuben werden
Schleiereulen in Oberursel
Die Schleiereulen oben im Kirchturm haben es Werner Bohris angetan. Seit Jahren kümmert sich der Küster der Kirche St. Sebastian im Oberurseler Stadtteil Stierstadt um die Tiere. Er putzt die Nistkästen, zählt die Eier und hält Marder von der gefiederten Brut fern. So können sich die Tiere dort oben wohlfühlen und in Ruhe brüten, erzählt er.
Seit 1995 ist er Küster in der hessischen Stadt Oberursel und klettert noch im Alter von 80 Jahren alle zwei Wochen die vielen Stufen hinauf auf den Kirchturm. Schwindelfrei sei er sowieso, erklärt er. Schon 1990 sei die Nisthilfe im Kirchturm angebracht worden, aber niemand habe sich damals darum gekümmert, berichtet er weiter. Nach einer Grundreinigung habe er den Nistkasten dann 2011 aktiviert. Schon ein Jahr später brütete dort das erste Turmfalkenpaar. Es folgten weitere Falken, bis zwei Jahre später die Schleiereulen das Nest übernahmen. Mittlerweile hat der Küster die Aufzucht von acht Falken und sieben Schleiereulen miterlebt. Besonders gerne fotografiere er die Küken, versuche sie aber nicht zu stören, so Bohris.
Dieses Jahr sind wieder zwei junge Schleiereulen geschlüpft, freut er sich. Vor kurzem erst haben die jungen Tiere das Nest unterhalb des Glockenturmes verlassen und sind flügge geworden. "Hoffentlich gibt es nächstes Jahr wieder Nachwuchs", meint er, denn das Nest sei nun im festen Familienbesitz der Eulen. Er mag die Tiere zwar, "denn sie sehen so putzig aus mit ihren großen, weiß umrandeten Augen und den gepunkteten Federn", aber die Turmfalken waren ihm lieber. Auch weil sie das Nest sauber hielten.
Wer abends an der Kirche vorbeigehe, könne die Schleiereulen im Turm schnarchen hören. Bohris hofft, dass sie tatsächlich nur schnarchen und nicht so auf einen Marder reagieren, von dem sie sich bedroht fühlen. Die Tiere liegen ihm sehr am Herzen, schließlich seien sie vom Aussterben bedroht, sagt der Küster. Er bietet gerne Führungen für Familien und Vogelkundler auf den Kirchturm an, um die Vögel aus nächster Nähe zu beobachten.
Die Plakette "Lebensraum Kirchturm" vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) habe die Kirchengemeinde wegen ihres Engagements für die Schleiereulen bislang noch nicht erhalten, aber das könne ja noch kommen, hofft Bohris. Ob die Eulen auch auf anderen Kirchtürmen in Oberursel brüten, weiß der Küster nicht. Doch für den Fortbestand der Tiere wäre es bestimmt wünschenswert.
Uhus in Hildesheim
Der Kirchturm des Hildesheimer Domes war dieses Jahr wieder Kinderstube für zwei junge Uhus. Anfang April sind die beiden im Brutkasten in einer Dachschräge oberhalb des Kreuzganges zur Welt gekommen. Ehrenamtliche der Dompfarrei kümmern sich regelmäßig um den Nistplatz. "Für unsere Uhuhaltung haben wir vom NABU zum wiederholen Mal die Plakette "Lebensraum Kirche" erhalten", erzählt Dirk Preuß. Der Referent für Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Bistum Hildesheim freut sich jedes Mal, wenn es Uhu-Nachwuchs im Dom gibt. Damit sind die Uhus in Hildesheim wieder angesiedelt, nachdem die Tiere in Deutschland lange Zeit komplett ausgestorben waren, erzählt er.
Anfang Mai in diesem Jahr ist ein Jungtier aus dem Nistkasten vom Dach gesprungen, berichtet Preuß, denn fliegen können sie anfangs noch nicht. Die Tiere lebten daher vorerst auf dem Boden. Der zweite Jung-Uhu sei etwas später gesprungen, unglücklicherweise rutschte er die Dachrinne entlang, in der er dann sitzen blieb. Gott sei Dank hätten aufmerksame Kirchgänger ihn dort oben entdeckt, erzählt Preuß, der bei der Rettungskation des Tieres an einem Sonntagmorgen dabei war. Die örtliche Feuerwehr habe den Vogel erfolgreich auf den Boden gesetzt. Das sei durchaus in Eile geschehen, weil einzelne Wanderfalken schon nach ihm Ausschau gehalten haben, meint Preuß.
Sind die Uhus groß genug, suchen sie sich ihr neues zu Hause rund um den Dom in den Parks und Grünanlagen. Für die Dombesucher sei das immer sehr spektakulär, erzählt Preuß, aber gefährlich für die Tiere. Viele wollen Fotos von den putzigen Tierchen machen, so Preuß. Daher rät der Umweltreferent allen Uhu-Liebhabern, einen gemäßigten Abstand zu den Tieren zu halten, sie auf keinen Fall zu scheuchen oder zu streicheln.
Tagsüber halten sich die Jung-Uhus in der Domapsis oder im Kreuzgang auf, wo sie vom Muttertier versorgt werden. Dort seien sie geschützter, so Preuß. Ehrenamtliche Betreuer kümmern sich regelmäßig um sie, räumen die Überreste ihrer Mahlzeiten weg und passen auf die Tiere auf, wenn Leute übergriffig werden. Mit der Zeit lernen die jungen Uhus dann auch zu fliegen, erklärt der Referent für Umweltschutz weiter. Aber sie kommen noch nicht so weit wie die erwachsenen Tiere. Irgendwann werden sie in den Gärten rund um den Dom ihr eigenes Revier suchen, sagt Preuß. Nächstes Jahr brüten die erwachsenen Uhus bestimmt wieder in den dafür vorgesehenen Nistkästen im Kreuzgang des Domes, ist sich Preuß sicher.
Die Dom-Uhus sind sehr beliebt und weit über Hildesheim hinaus bekannt. Einen eigenen Wandkalender und ein Kinderbuch über sie gibt es bereits. Weil in Hildesheim auch Wanderfalken in der Andreaskirche nisten und Turmfalken auf dem Turm der Michaelkirche zu Hause sind, werden sie zusammen mit den Uhus am Dom gerne als die "ornithologische Dreifaltigkeit" bezeichnet, schmunzelt Preuß.
Störche in Wabern
Wenn sie daran denkt, dass sich im Frühjahr wieder die ersten Störche auf dem Kirchturm der Kirche St. Wigbert niederlassen, schlägt das Herz von Ulrike Mose höher. Sie betreibt einen Storchenhorst in Wabern und beobachtet die Tiere seit Jahren. Sie hat sogar eine eigene Seite dazu im Internet erstellt, auf der sie sämtliche Informationen über die Tiere sammelt.
In Wabern sind die Störche seit Jahren endlich wieder heimisch geworden, freut sich Mose. Sie erzählt, wie alles begann. 2005 beobachtete sie ein Storchenpaar auf dem Dach der eigenen Schreinerei, das dort Äste ablegen wollte. Mose ließ daraufhin dort oben eine Nisthilfe für die Störche anbringen. Seitdem ist der Horst jedes Jahr belegt.
Auch auf dem Dach der katholischen Kirche gibt es seit ein paar Jahren eine Nisthilfe für Störche. Weil der Kirchturm ein Flachdach habe, musste das Nest extra mit einem Hebekran angebracht werden, erzählt Roland Schippany, der Sprecher des Kirchengemeinderates. Die Freude war groß, als das erste Brutpaar das Nest angenommen hatte, berichtet er. Die beiden Störche nannten wir Maria und Josef, lacht Schippany. Leider blieben die beiden ohne Nachwuchs, weil sie selbst noch zu jung waren, um eine Familie zu gründen, meint Mose, die das Storchenpaar mehrfach fotografiert hat. Doch ein Jahr später war das Nest auf dem katholischen Kirchendach wieder belegt und erfolgreich bebrütet. Mit einem speziellen Fernrohr beobachtet sie die Tiere von zu Hause aus. So prüfe sie auch deren Beringung und kann aufgrund der Nummerierung der Tiere ermitteln, woher sie kommen.
In der Kirchengemeinde gab es aber auch kritische Stimmen, berichtet Schippany weil, weil die Störche vom Kirchturm aus ihre Notdurft verrichtet haben, unglücklicherweise genau über dem Kircheneingang. Der Kirchengemeinderat wollte das Nest daher wieder abnehmen lassen. Doch eine Initiative, die auch der Pfarrer unterstützt hat, stoppte das Vorhaben. Das Nest blieb und wird bis heute von den meisten akzeptiert, ergänzt Schippany. Dieses Jahr wurde es wieder von einem Storchenpaar bewohnt, aber es kam zu keiner Eiablage, bedauert Schippany. Das Nest wurde Ende März attackiert und die beiden Störche vertrieben. Er selbst habe die kaputten Eier vor der Kirche aufgesammelt, erzählt der Sprecher des Gemeinderates.
Es gebe richtige Storchenkämpfe in der Gegend um geeignete Nistplätze, erklärt Mose. Manche Störche fliegen im Herbst nicht mehr in den Süden weiter, sondern überwintern in Wabern, weiß sie. Das löse regelrechte Kämpfe um geeignete Nester aus, so Mose. Sie findet, dass in Wabern nun genügend Nistplätze für die Störche vorhanden seien und keine weiteren angebracht werden sollten. Schließlich solle man die Tiere in den Norden weiterfliegen lassen, damit sie dort brüten.
In Wabern waren dieses Jahr alle sechs Storchenhorste belegt. Insgesamt 15 Jungstörche wurden ausgebrütet, was Mose als großen Erfolg bezeichnet. Im Februar erwartet sie wieder die nächsten Brutpaare in Wabern, die dann hoffentlich erfolgreicher brüten als ihre Vorgänger. "Hauptsache es kehrt Ruhe dort oben beim Gockel ein", betont die Storchenhorstbesitzerin.