Missbrauch: Keine Ermittlungen gegen Bischof in Deutschland
Die deutschen Strafverfolger ermitteln nicht gegen einen unter Missbrauchsverdacht stehenden Erzbischof aus Chile. Zwar sei am 1. August 2018 eine Strafanzeige der Schönstattbewegung eingegangen, teilte die Staatsanwaltschaft Koblenz am Montag mit. Doch die Behörde lehne die Aufnahme von Ermittlungen gegen den heute 84 Jahre alten Geistlichen ab, der der Bewegung angehört und seit rund 15 Jahren in Vallendar bei Koblenz lebt. Das geschilderte Verhalten des Angezeigten, dem der Missbrauch von mindestens einem Schutzbefohlenen auf deutschem Boden vorgeworfen wird, habe zur Tatzeit 2004 keinen Straftatbestand erfüllt.
Die Deutsche Welle (DW) hatte am Freitag von Ermittlungen gegen den Geistlichen berichtet und sich auf Angaben des Generaloberen der Schönstattbewegung, Juan Pablo Catoggio, und des chilenischen Provinzoberen Fernando Baeza berufen. Chilenische Quellen sprechen laut DW von mehreren Missbrauchfällen zwischen 2004 und 2007.
Keinen Straftatbestand erfüllt
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Montag werden dem früheren chilenischen Erzbischof sexuelle Handlungen im Jahr 2004 mit einem damals 17 Jahre alten bolivianischen Staatsangehörigen vorgeworfen, der an einem Studienprogramm der geistlichen Bewegung teilgenommen hatte. Nach damaligem, bis 2008 geltendem deutschen Strafrecht seien jedoch nur Personen unter 16 Jahren durch den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 182 StGB) geschützt gewesen.
Darüber hinaus hat sich laut Staatsanwaltschaft kein Hinweis darauf ergeben, dass der betroffene Jugendliche nach dem Tatbestand "Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen" (§ 174 StGB) als Schutzbefohlener des Erzbischofs anzusehen sei. In dem Fall wären auch Handlungen mit unter 18-Jährigen strafbar gewesen. Dessen ungeachtet seien mögliche Straftaten nach § 174 StGB bereits verjährt.
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Gegenüber einem Journalisten des staatlichen chilenischen Fernsehsenders "Televisión Nacional" gab sich der Erzbischof gelassen. "In diesem Moment ist das nicht mein Problem", sagte er über die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen. "Ich habe nichts Besonderes zu sagen", schloss der Beschuldigte, der nach Angaben der Schönstatt-Bewegung Anzeichen von Demenz an den Tag legt, sein Gespräch mit dem Reporter.
Papst Johannes Paul II. hatte 1997 den Rücktritt des damals 63-jährigen Erzbischofs, der in den 1980er Jahren auch im Vatikan tätig gewesen war, ohne nähere Erklärung angenommen. Fünf Jahre später hatte der chilenische Kardinal Francisco Javier Errazuriz Ossa eingeräumt, dass der Geistliche wegen "unangemessenen Verhaltens" gegenüber Kindern und Jugendlichen zurückgetreten sei. Nach mehreren Jahren in einem Kloster in Kolumbien sei er dann nach Vallendar gezogen.
Entlasst Franziskus den Beschuldigten aus dem Klerikerstand?
Nach DW-Informationen ist ein kirchenrechtlicher Prozess bei der Vatikanischen Glaubenskongregation anhängig. Abzuwarten bleibe, ob Papst Franziskus den heute pflegebedürftigen Erzbischof aus dem Priesterstand entlassen werde. Seit Monaten erschüttert ein Missbrauchsskandal die katholische Kirche in Chile. In einem historischen Schritt hatten im Mai 29 von 31 aktiven Bischöfen dem Papst wegen der Vorgänge ihren Rücktritt angeboten. Bisher nahm Franziskus fünf davon an.
Die Schönstatt-Bewegung ist eine katholische geistliche Gemeinschaft mit bundesweit rund 20.000 Mitgliedern. Gegründet wurde sie 1914 vom Pallottinerpater Josef Kentenich im Vallendarer Stadtteil Schönstatt. Mittlerweile ist die religiöse Bewegung in weltweit mehr als 40 Ländern vertreten. (tmg/rom/KNA)