US-Forschungsinstitut stellt gravierende Unterschiede fest

Glaube, Homoehe, Abtreibung: Ost- und Westeuropäer denken ganz anders

Veröffentlicht am 30.10.2018 um 11:10 Uhr – Lesedauer: 

Washington ‐ Einen Muslim in der Familie akzeptieren? Abtreibung erlauben? Ehen für Lesben und Schwule ermöglichen? Über solche Fragen denken Menschen in Westeuropa ganz anders als im Osten des Kontinents.

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In ihrer Haltung zu zentralen gesellschaftlichen Fragen unterscheiden sich Ost- und Westeuropäer deutlich. Das hat das US-Forschungsinstitut Pew Research Center bei Umfragen unter fast 56.000 Erwachsenen in 34 Ländern ermittelt. "Der Eiserne Vorhang, der einst Europa teilte, mag längst der Vergangenheit angehören, doch der Kontinent ist entzweit durch große Unterschiede in den Einstellungen der Öffentlichkeit zu Religion, Minderheiten und sozialen Themen wie gleichgeschlechtliche Ehe und legale Abtreibung", folgern die Analysten. Zentrale Ergebnisse im Detail:

Juden und Muslime

Insbesondere Muslime haben es in Osteuropa schwer. In den meisten Ländern dort würde weniger als die Hälfte einen von ihnen gerne in der Familie sehen. In Tschechien wären es gerade einmal 12 Prozent. Am offensten waren Niederländer mit 88 Prozent. Für jüdische Familienmitglieder zeigten sich die Befragten generell aufgeschlossener. Dennoch würden nur 35 Prozent der Griechen Juden in der Familie willkommen heißen, der niedrigste Wert unter den ausgewerteten EU-Staaten. Die Niederländer führen mit 96 Prozent, 88 Prozent bei Muslimen. Deutschland lag mit 55 Prozent (Muslime) und 69 Prozent (Juden) im Mittelfeld.

Gleichgeschlechtliche Ehe

In allen westeuropäischen Ländern überwiegt die Zustimmung für Ehen von Schwulen und Lesben. In den meisten dieser Staaten ist eine solche Verbindung auch im Gesetz vorgesehen. Genau andersherum ist es in Osteuropa. So sind etwa neun von zehn Russen strikt gegen gleichgeschlechtliche Ehen. In Deutschland sind 75 Prozent der Befragten dafür.

Gefühl kultureller Überlegenheit

Auch 58 Prozent der Norweger halten die eigene Kultur für überlegen. Vereinfacht gilt aber: Je weiter es nach Osten geht, desto verbreiteter ist eine solche Haltung. Griechen stimmen zu 89 Prozent zu, Georgier zu 85 Prozent, Armenier zu 84 Prozent, Russen und Bulgaren zu 69 Prozent, Bosnier zu 68 Prozent. In Deutschland betrachten 45 Prozent die eigene Kultur als überlegen.

Ein Gynäkologenstuhl in einer Zagreber Klinik.
Bild: ©picture alliance / PIXSELL / Sanjin Strukic

Wie sind die Unterschiede beim Thema Abtreibung?

Abtreibung

In westeuropäischen Ländern befürworten mindestens 60 Prozent Möglichkeiten zur legalen Abtreibung (Deutschland: 76 Prozent). Schweden liegt vorn mit 94 Prozent Befürwortern. In Osteuropa ist die Zustimmung niedriger, allerdings gibt es auch dort in vielen Ländern Mehrheiten dafür. Die EU-Länder mit der niedrigsten Zustimmung waren Polen (41 Prozent) und Griechenland (45 Prozent). In Deutschland befürworten 76 Prozent Möglichkeiten zur legalen Abtreibung.

Glaube an Gott

In Osteuropa glauben mehr Menschen an Gott als in Westeuropa - in Georgien sind es sogar 99 Prozent. Unter den untersuchten EU-Staatsbürgern sind die Rumänen am gläubigsten (95 Prozent), gefolgt von den Griechen (92 Prozent). Die Tschechen liegen mit 29 Prozent hinten. In Westeuropa glauben weniger als zwei Drittel an Gott. In den Niederlanden, Belgien oder Schweden glaubt mehr als die Hälfte nicht an Gott. In Deutschland glauben 60 Prozent der Menschen an Gott. In den meisten Ländern sowohl in West- wie in Osteuropa sind die Menschen für eine Trennung von Kirche und Staat.

Glaube an Schicksal, "bösen Blick" und Wiedergeburt

Der Glaube, dass das Leben vorherbestimmt ist, ist in Osteuropa weiter verbreitet als im Westen. Armenien führt die Liste mit 83 Prozent an, Italien liegt mit 24 Prozent am anderen Ende. In Deutschland glauben 31 Prozent an das Schicksal. Dass man mit dem "bösen Blick" andere verfluchen oder ihnen schaden kann, glauben eher die Befragten in Osteuropa. In Griechenland und Lettland sind 66 Prozent von der Existenz des "bösen Blicks" überzeugt, in Deutschland gerade einmal 13 Prozent. Deutlich weniger verbreitet, im Osten wie im Westen, ist der Glaube an Wiedergeburt (15 Prozent in Deutschland).

Herkunft und nationale Identität

In den meisten Ländern, sowohl in Ost- wie auch in Westeuropa, betrachtet die Mehrheit die Geburt eines Menschen im eigenen Land oder die Herkunft seiner Familie als zentral für die Zugehörigkeit zur nationalen Identität. Im Osten hat dies aber einen höheren Stellenwert als im Westen. In Deutschland hält das knapp die Hälfte der Menschen für wichtig. (dpa)