Trends bei der Grabgestaltung

Christliche Symbole auf Friedhöfen immer weniger gefragt

Veröffentlicht am 02.11.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ So individuell die Gesellschaft inzwischen geworden ist, genauso entwickelt sich auch die Friedhofskultur. Kreuze und andere christliche Symbole finden sich zwar immer noch auf Grabsteinen, aber immer mehr auch ganz persönliche Motive.

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Wer zu Markus Knittel kommt, befindet sich zumeist in einer Ausnahmesituation. Ein naher Angehöriger ist gestorben, der Schmerz sitzt tief. Und nun gilt es, einen Grabstein auszusuchen. Der 53-jährige Bildhauer spricht lieber von "Grabzeichen". Zu seiner Berufsauffassung gehört es nämlich nicht, den Kunden aus einem Katalog einen vordesignten Stein auswählen zu lassen. Er nimmt sich Zeit und hört zu, welche Geschichten die Trauernden zu erzählen haben, was sie umtreibt und was das Leben und Sterben des Toten ausgemacht hat. Dann greift er zum Stift und fängt an zu entwerfen.

Seinen Schreibtisch hat der aus Freiburg im Breisgau stammende Bildhauer seit 2012 bei der alteingesessenen Münchner Firma F. X. Rauch am Münchner Westfriedhof. Sein eigenes Atelier musste er aufgeben; die harte körperliche Arbeit, um aus einem rohen Stein neues Leben entstehen zu lassen, hat ihm den Rücken ruiniert. Doch die künstlerischen Ideen gehen dem Badener noch lange nicht aus. Ein Hobby von ihm ist auch die gestalterische Fotografie.

Mit neuen Grabstein-Ideen Interesse wecken

Jenseits des traditionellen Betriebs ist er aufgeschlossen für Neues, träumt für die Zukunft von dreidimensionalen Kunstwerken an Gräbern. Auch dass die Stadt erlaubt, QR-Codes an Grabsteinen anbringen zu lassen, fasziniert ihn. "Vielleicht wird ja so bei Friedhofsbesuchern mehr Interesse geweckt, wer hier seine letzte Ruhe gefunden hat, wenn er dafür sein Smartphone verwenden kann." Die im Internet hinterlegten Daten könnten die Person umfassender schildern.

Friedhof: Die letzte Ruhestätte

Was ist im Todesfall zu beachten? Welche Formen der Beisetzung gibt es in Deutschland? Wie hat sich die Bestattungskultur verändert und wie ist es heute um den Friedhof bestellt? Katholisch.de gibt in einem umfangreichen Dossier Antworten auf diese und andere Fragen.

Knittel kommt aus einer Künstlerfamilie. Sein Vater Bruno hatte an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Von ihm finden sich in und um Freiburg viele Werke im öffentlichen Raum. Im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) war dieser zudem ein gefragter Mann für neues Interieur in katholischen Kirchen. Als kleiner Junge mit dem Vater in der Werkstatt selbst Tiere und Figuren zu modellieren, machte Knittel Freude. Doch der frühe Tod des Vaters 1977 veränderte für den damals 11-Jährigen alles.

Dem Sohn fehlte dessen begleitende Hand, während die Mutter dagegen kämpfte, die beiden Kinder alleine durchbringen zu müssen. Der Kunstunterricht in der Schule, wenn Markus sich beim Malen und Zeichnen entfalten konnte, war für ihn "die erholsamste Zeit", erinnert er sich.

Beruflich ging er jedoch erst Umwege. Nach dem Fachabitur in Programmierung und Informatik folgte der Dienst bei der Bundeswehr, danach eine Findungsphase, in der er sich sein Geld als Gebäudereiniger verdiente. Dabei reifte der Entschluss, Bildhauer zu werden. So begann er eine dreijährige Ausbildung in einem Restaurationsbetrieb, wechselte aber schon bald zur Bildhauerei Storr in Freiburg.

Ein Friedhof mit alten Grabsteinen lädt zur Besinnung ein.
Bild: ©andrea-goeppel.de

Christliche Symbole wie Kreuze sind bei der Grabgestaltung in Deutschland auf dem Rückzug.

Nun endlich konnte er seine Kreativität einsetzen. Bis heute beteiligt er sich erfolgreich an Wettbewerben. Für den im Zuge der Novemberrevolution 1918 in München erschossenen Schriftsteller Gustav Landauer schuf er ein Denkmal auf dem Waldfriedhof. Ein anderes erinnert an einer Münchner Schule an zwei Jungs, die 2016 bei dem Anschlag im Olympia-Einkaufszentrum ums Leben kamen. Eine rote Baseballkappe und zwei Boxhandschuhe aus Bronze finden sich darauf, die die Klassenkameraden anmalen durften.

Rosen, Ginkgo-Blätter und Lebensbäume sind "in"

Für Friedhofsgrabsteine, stellt Knittel fest, seien christliche Symbole zunehmend weniger gefragt, auch weniger bekannt. Dass der Fisch für die frühen Christen als geheimes Erkennungszeichen stand, wissen nur noch wenige. Ein Kreuz oder ein Engel werden bisweilen gewünscht, auch Symbole aus anderen Religionen. Ansonsten seien Rosen, Ginkgo-Blätter und Lebensbäume "in" oder Dinge, die dem Verstorbenen wichtig waren. So hat er für einen Piloten dessen Lieblingsflugzeug in Stein verewigt und für einen anderen Verstorbenen einen Frosch, der als Figur in dessen Büro saß.

Die Eltern eines kleinen Jungen wünschten sich für dessen Grab die "Möwe Jonathan". Gemeinsam hatten sie oft das Buch gelesen. Nun wirkt es, als erhebe sich der Vogel stellvertretend für das Kind in den Himmel - und die Hinterbliebenen, so Knittel, haben einen Platz zum Trauern.

Von Barbara Just (KNA)