Wucherpfennig: Kirche entfernt sich immer weiter von den Menschen
Der Theologe und Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig kritisiert die kirchliche Kommunikation. "Die Gefahr besteht, dass sich die Kirche, zumal in ihren lehramtlichen Äußerungen, sehr weit entfernt von den Menschen, denen sie eigentlich die Frohe Botschaft zu verkünden hat", sagte er im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag). Im wissenschaftlichen Betrieb einer kirchlichen Hochschule seien "die Aussagen und Dokumente der kirchlichen Lehre" dennoch zu berücksichtigen.
Mitte November war bekannt geworden, dass Wucherpfennig doch wieder als Rektor der katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt arbeiten kann. Auf die Frage, ob die hierarchischen Kommunikationsformen im Hinblick auf seinen eigenen Fall zeitgemäß seien, sagte Wucherpfennig: "Ich finde nicht." Eine direkte Rückfrage bei ihm selbst hätte aus seiner Sicht genügt, um strittige Aussagen zu klären.
Wucherpfennig war bereits im Februar für eine dritte Amtszeit als Rektor wiedergewählt worden. Der Vatikan hatte ihm zunächst aber noch nicht die erforderliche Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat") erteilt, was auf massive Kritik gestoßen war. Der Jesuit hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und mit Frauen geäußert und unter anderem Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Partnerschaften befürwortet.
Vorwurf Müllers zurückgewiesen
Der Jesuitenpater wies zudem den Vorwurf des "praktischen Atheismus" von Kardinal Gerhard Ludwig Müller zurück. In einem Interview hatte Müller gesagt, der Fall Wucherpfennig zeige ein Eindringen des Atheismus in die Kirche. "Ich vermute, dass er mir nie zugehört oder gelesen hat, was ich geschrieben habe", so Wucherpfennig. Er vertrete nicht die Ansicht, dass Gott für das moralische Handeln von Christen keine Rolle spielen würde: "Das ist nicht der Fall, das habe ich nie gesagt."
Im Hinblick auf die kirchliche Sexualmoral spiele nicht nur Homosexualität eine Rolle, "sondern auch die Frage, wie die Kirche darauf antworten kann, dass ein geordnetes bürgerliches Familienleben längst nicht mehr repräsentativ ist in der Gesellschaft", sagte Wucherpfennig weiter. Auch die Einbeziehung von Frauen erscheine ihm als dringliches Thema. Ein erster Schritt könne eine Umgestaltung des Diakonats sein. Für ihn sei es "eine Gerechtigkeitsfrage, ob Frauen die Möglichkeit haben, sobald sie der Barmherzigkeit Gottes bedürfen, sich an Frauen zu wenden, die ihnen das Sakrament der Versöhnung spenden dürfen." (KNA)