Ilahi & Halleluja aus Pakistan

Das ist das erste muslimisch-christliche Weihnachtslied

Veröffentlicht am 28.12.2018 um 13:50 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 
Eine pakistanische Frau trägt eine Weihnachtsmannmütze auf dem Kopftuch.
Bild: © TNA Records

Karatschi ‐ Pakistan ist nicht bekannt für gute Nachrichten über das Verhältnis von Christen und Muslimen. Aber es gibt sie doch – und zwar an Weihnachten: Ein Muslim und eine Christin singen gemeinsam ein Weihnachtslied – das erste muslimisch-christliche, betonen sie stolz.

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Es ist ein Weihnachtslied – das hört man gleich bei den ersten Tönen: Ein paar Klänge aus dem englischen Klassiker "Deck the Halls" ("Falalalala"), ein wenig "Jingle Bells" – doch wenn der pakistanische Sänger Haider Ali Chao zu singen beginnt, klingt das für ein Lied zum christlichen Hochfest ungewohnt: "La ilaha illallah" – mit den Anfangsworten aus dem islamischen Glaubensbekenntnis, der Shahada ("Es gibt keinen Gott außer Gott"), beginnt das erste muslimisch-christliche Weihnachtslied. Die beiden pakistanischen Sänger – der Muslim Chao singt es mit der Christin Michelle Sebastian – haben es in diesem Jahr zu Weihnachten veröffentlicht. "Wenn wir an einen Gott glauben, glauben wir an eine Welt, glauben wir an Frieden und Liebe, glauben wir an die Menschheit: Ein Gott, eine Welt", heißt es im Refrain des Liedes.

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Das Ziel der beiden, die sich in ihrer Heimatstadt Karatschi kennengelernt haben, der größten Stadt des Landes: Zu zeigen, dass Angehörige unterschiedlicher Religionen gut miteinander leben können – so wie die beiden Sänger. "Ich kenne Michelle schon ewig", sagte Chao dem pakistanischen Popkultur-Magazin Mangobaaz. "Obwohl wir einen sehr unterschiedlichen religiösen Hintergrund haben, haben wir uns nie so verschieden gefühlt."

Ein Gott, eine Welt

In seinem Text geht das Lied nicht auf Weihnachten ein. Auch das Musikvideo hält sich mit religiösen Symbolen bedeckt: Nur kurz ist einmal ein großes Kreuz im Hintergrund des Videos zu sehen, ein Weihnachtsbaumornament wünscht golden-funkelnd "Merry Christmas". Wenn der Sänger durch die Straßen der Stadt läuft, ist im Hintergrund kurz die St. Patrick's Cathedral zu sehen, die Bischofskirche des Erzbistums Karatschi. Weihnachtlich ist dafür alles andere an dem Song: Das Video glitzert mit goldenen Glöckchen und Sternen, es gibt leuchtende Christbäume und Weihnachtsmannmützen, die Melodie klingt nach weihnachtlichem Pop – bis zum Finale. Sebastian und Chao haben beide die Hände zum Gebet erhoben, sie singt "Halleluja", "Ehre sei Gott", er "Ilahi", "Mein Gott", im Hintergrund klingt der Refrain weiter: "One God, one world."

Bild: ©TNA Records

Haider Ali Chao und Michelle Sebastian singen zusammen das erste muslimisch-christliche Weihnachtslied. Ihre Botschaft des Friedens: Ein Gott, eine Welt.

"Keine Religion lehrt Hass", erläutert Chao gegenüber Mangobaaz. "Die Heilige Schrift und der Heilige Koran lehren uns beide, tugendhaft zu sein, einander zu lieben und keiner Seele etwas zuleide zu tun." Das sei die Botschaft, die der muslimische Sänger mit seiner christlichen Duettpartnerin vermitteln wolle.

Pakistans religiöse Minderheiten leben oft in Angst

In Pakistan ist das eine revolutionäre Botschaft: Immer wieder ist das mehrheitlich muslimische Land in den Schlagzeilen aufgrund Einschränkungen der Religionsfreiheit und Gewalt gegen Minderheiten, darunter viele Christen. 96 Prozent der 200 Millionen Einwohner sind Muslime, je etwa anderthalb Prozent Christen und Hindus. Besonders das Blasphemiegesetz wird von radikalen Muslimen benutzt, um gegen Christen vorzugehen.

Unterstützer der wegen Blasphemie inhaftierten Christin Asia Bibi demonstrieren in Pakistan für ihre Freilassung.
Bild: ©dpa/Rahat Dar

Unterstützer der wegen Blasphemie inhaftierten Christin Asia Bibi demonstrierten in Pakistan für ihre Freilassung. Auch nach Aufhebung des Urteils kann sie noch nicht in Sicherheit leben.

Das Hilfswerk "missio" bezeichnet die Lage für Christen als "kritisch", christliche Gruppen würden gezielt unterdrückt, immer wieder komme es zu Anschlägen auf christliche Gemeinden. Weltweit wahrgenommen wurde der Fall der Christin Asia Bibi, die nach Blasphemievorwürfen zum Tode verurteilt wurde. Trotz der Aufhebung des Urteils durch den obersten Gerichtshof kann sie immer noch nicht in Sicherheit leben. Laut dem Hilfswerk "Kirche in Not" befinden sich derzeit 187 Christen in Pakistan aufgrund des Blasphemiegesetzes in Haft.

Christmas Mubarak!

Papst Franziskus hatte im Juni den Erzbischof von Karatschi, Joseph Coutts, zum Kardinal erhoben. Gegenüber "Kirche in Not" bezeichnet Coutts die islamistische Gewalt als Problem nicht nur für Minderheiten. "Gewalt ist ein Problem, welches das gesamte Land betrifft", betont er. "Diese extremistische, fanatische Form des Islam, welche nicht den Grossteil der muslimischen Bevölkerung vertritt, betrifft nicht nur Christen und andere Nicht-Muslime. Die Terroristen verschonen auch Muslime nicht."

So macht die Plattenfirma Werbung für das erste muslimisch-christliche Weihnachtslied
Bild: ©TNA Records

Die Plattenfirma ist überzeugt von dem Lied: Mit einer großangelegten Kampagne promotet sie es auf allen Kanälen.

Das erste muslimisch-christliche Weihnachtslied dürfte diesen Extremisten kaum gefallen – doch in der pakistanischen Öffentlichkeit scheint die Botschaft anzukommen, zumindest bei manchen. Zwar haben auf YouTube erst knapp 30.000 Menschen das Lied gehört – aber viele Zeitungen haben schon darüber berichtet, meist wohlwollend, die Kommentare in den sozialen Netzen sind größtenteils positiv. "Es war eine Menge harter Arbeit, aber ich sehe, dass sie sich gelohnt hat", zog Chao an Weihnachten ein erstes Resümee. "Ich hoffe nur, dass die Leute weiterhin den Song mögen und teilen und seine Botschaft begrüßen." Er selbst ist auf jeden Fall in interreligiöser Weihnachtsstimmung: Auf seiner persönlichen Facebook-Seite wünscht er seinen Fans "Christmas Mubarak" – gesegnete Weihnachten.

Von Felix Neumann