Kardinal räumt Fehler im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen ein
Der indische Kardinal Oswald Gracias hat eigenes Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen in der katholischen Kirche zugegeben. Gegenüber der BBC sagte Gracias am Donnerstag, dass er mit entsprechenden Vorwürfen, über die er vor einigen Jahren in Indien informiert worden sei, besser hätte umgehen müssen.
Der Sender berichtete von zwei Fällen, in denen Gracias, der dem Vorbereitungsgremium für den derzeit im Vatikan stattfindenden Anti-Missbrauchsgipfel angehört hatte und bei dem Treffen eine herausgehobene Rolle spielt, nicht schnell genug auf Missbrauchsvorwürfe reagiert und den Opfern keine Unterstützung angeboten habe. Die mutmaßlichen Opfer in den beiden Fällen sowie ihre Unterstützer behaupteten, dass Gracias die Vorwürfe nicht ernst genommen habe, als sie ihn darüber informiert hätten.
Themenseite: Missbrauch
2010 wurde erstmals eine größere Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Seitdem bemüht sich die Kirche um eine Aufarbeitung der Geschehnisse. Bei ihrer Vollversammlung veröffentlichen die deutschen Bischöfe am 25. September 2018 eine Studie, die die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zwischen 1946 und 2014 dokumentiert.Einer der beiden Missbrauchsfälle habe im Jahr 2015 stattgefunden, so die BBC weiter. Demnach habe der Kardinal eine Mutter, die sich wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung ihres Sohnes durch einen Priester an ihn gewandt habe, abgewiesen. "Ich erzählte dem Kardinal, was der Priester meinem Kind angetan hatte und das mein Kind starke Schmerzen habe", so die Mutter gegenüber dem Sender. Doch Gracias habe nur für sie gebetet und ihr dann gesagt, dass er keine Zeit habe, weil er sich auf eine Rom-Reise vorbereiten müsse. "Mein Herz wurde in diesem Moment verletzt", so die Mutter, die auch angab, um medizinische Hilfe für ihren Sohn gebeten zu haben.
Auf diesen Fall angesprochen sagte Gracias gegenüber der BBC, dass es ihn schmerze, von dem Schicksal des Jungen zu hören; er habe nicht gewusst, dass der Junge medizinische Hilfe benötigt habe. Wenn er gefragt worden sei, hätte er sofort Hilfe angeboten, so der Erzbischof von Bombay.
Ein Priester, der anonym bleiben wollte, sagte gegenüber dem Sender, dass es schon vorher Gerüchte über den als Täter beschuldigten Geistlichen gegeben habe; dies habe Kardinal Gracias auch gewusst. Trotzdem scheine der mutmaßliche Täter immer wieder in andere Gemeinden versetzt worden zu sein.
Linktipp: Vertuschungsvorwürfe gegen Kardinal Gracias
Er sei "zu beschäftigt" für eine Untersuchung: Der indische Kardinal Oswald Gracias steht im Verdacht, einen Missbrauchsfall in seiner Diözese ignoriert zu haben. Heikel: Gracias soll das Bischofstreffen zum Thema Missbrauch im Vatikan vorbereiten. (Artikel von November 2018)Weiter berichtete die BBC von einem Fall, über den katholisch.de schon im Herbst 2018 informiert hatte. Dabei ging es um Vorwürfe der ehemaligen Direktorin der Frauenkommission der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen, Virginia Saldanha. Sie hatte im November bei einer Konferenz in Rom gesagt, dass sie einige Jahre zuvor von Gracias eine Untersuchung über einen mutmaßlichen Missbrauchsfall im Erzbistum Mumbai gefordert habe. Gracias habe ihr jedoch gesagt, dass er "zu beschäftigt" sei.
Gracias selbst äußerte sich am Freitag auf dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan. Dabei erklärte er vor den Teilnehmern der Konferenz, dass die Kirche angesichts des massenhaften Missbrauchs von Minderjährigen durch Geistliche versagt habe. "Wir müssen bereuen und dies gemeinsam und kollegial tun. Denn auf dem Weg haben wir versagt. Wir müssen um Verzeihung bitten", so Gracias wörtlich. Missbrauch durch Geistliche sei kein Phänomen, das nur in einigen Teilen der Welt stattfinde – und kein Bischof dürfe annehmen, dass ihn das Problem nichts angehe, sagte der Kardinal. "Wir sind für die ganze Kirche verantwortlich. Rechenschaft und Verantwortung tragen wir gemeinsam." (stz)