Bericht ohne eindeutiges Ergebnis

Diakoninnen bleiben ein vielschichtiges Politikum

Veröffentlicht am 09.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Frauen fordern seit Jahren die Schaffung des Frauendiakonats. Eine vom Papst eingesetzte Studienkommission kam aber nicht zu einem einheitlichen Ergebnis. Franziskus will erstmal nichts entscheiden. Die Frage birgt weiter Sprengkraft.

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Selten hat eine Arbeitsgruppe für so viel Aufsehen gesorgt. Alle drei Jahre treffen sich Ordensoberinnen aus aller Welt in Rom, jedes Mal gehört die Begegnung mit dem Papst zum Programm. Beim vergangenen Treffen im Jahr 2016 war ein Teil dieser Begegnung als Fragestunde angelegt. Dabei ging es auch um eine Frage, die Frauen in der Kirche schon seit Jahren unter den Nägeln brennt: Können Frauen in der Kirche irgendwann wieder Diakoninnen werden? Und wenn ja, wie sieht das Amt aus? Es entspann sich ein Gespräch über die Rolle der Diakoninnen in der frühen Kirche. Da sei die Sachlage "etwas unklar", wurde der Papst damals nach dem Treffen zitiert. Auf den Vorschlag der Ordensoberinnen, die Rolle dieser Frauen untersuchen zu lassen, sagte er: "Es würde der Kirche gut tun, diesen Punkt zu klären. Dem stimme ich zu. Ich werde Gespräche darüber führen, so etwas zu tun."

Offiziell hat die Kommission von Anfang an nur die historischen Gegebenheiten untersucht, Handlungsempfehlungen für die Gegenwart waren nie Teil der Aufgabenstellung. Trotzdem war vielen Beobachtern klar, dass es nicht nur um die Vergangenheit gehen würde, sondern auch um Chancen für die Zukunft. Der Druck war also von Anfang an hoch.

Aufsehen vom ersten Tag an

Ein halbes Jahr später nahm die "Päpstliche Studienkommission zum Frauendiakonat" ihre Arbeit auf – mit einer Besetzung, die ebenso wie die Themenstellung für Aufsehen sorgte: Von den zwölf Theologen waren sechs Männer und sechs Frauen – im Vatikan ein Novum. Genauso neu war das Auswahlverfahren, denn der Pontifex ließ sich nicht nur vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, Kandidaten vorschlagen. Er fragte auch die Präsidentin der Internationalen Vereinigung der Ordensoberinnen, Carmen Sammut, nach geeigneten Akademikern. Aus dem deutschen Sprachraum gehörten die Wiener Spiritualitäts-Expertin Marianne Schlosser und der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke dem Gremium an.

Eine alt-katholische Diakonin wird in einer Kirche in Rom zur Priesterin ordiniert.
Bild: ©picture-alliance / LaPresse / Mauro Scrobogna

Eine alt-katholische Diakonin wird in einer Kirche in Rom zur Priesterin ordiniert.

Die zwölf Theologen beschäftigten sich mit bereits publizierter Forschungsliteratur, aber auch mit Original-Handschriften und Büchern aus dem 4. bis 17. Jahrhunderts, die sie in der Vatikanischen Bibliothek und anderen Bibliotheken ganz Europas fanden. Verbürgt sind starke Frauen in frühen Gemeinden schon in der Bibel. So schreibt der Apostel Paulus von einer Frau namens Phöbe, "die auch Dienerin der Gemeinde von Kenchreä ist". (Röm 16,1) Sie sei "für viele" ein Beistand gewesen, auch für Paulus selbst. (Röm 16,2) Aus diesem Bibelwort leitete der evangelische Pastor Theodor Fliedner 1836 die Einführung des Diakonissenamts in der bekannten "Kaiserswerther Diakonie" her. Von Anfang an stand dabei die eigenständig arbeitende Frau im Mittelpunkt. Diakonissen arbeiten bis heute vor allem im karitativen und administrativen Bereich der evangelischen Kirche.

Mehrmals traf sich die Kommission in den Räumen der Glaubenskongregation im Vatikan, zwei Mal stieß sogar Franziskus dazu. Im Juli 2018 überreichte dann der Vorsitzende der Kommission, Kardinal Luis Ladaria, dem Papst den nur wenige Seiten umfassenden Abschlussbericht. Dem spanischen Magazin "Vida Nueva" sagte ein namentlich nicht bekanntes Mitglied des Gremiums wenige Monate später, dass die Quellenlage insgesamt problematisch gewesen sei: "Es gibt nur wenige historische Zeugnisse und die geben uns nicht die ganzen Informationen, die wir gerne gehabt hätten."

Was steht dann also drin im Abschlussbericht? Niemand weiß es genau, denn das Gros des Inhalts ist ein "päpstliches Geheimnis", sagt Kommissionsmitglied Phyllis Zagano gegenüber katholisch.de.

Einen kleinen Einblick in die Erkenntnisse der Forscher hat die an der Hofstra-Universität im US-Bundesstaat New York wirkende Zagano dann aber doch gegeben. So hat sie bei neu entdeckten Dokumenten Hinweise darauf gefunden, dass Frauen fast ein Jahrtausend lang unterschiedliche Aufgaben in Verwaltung und Seelsorge christlicher Gemeinden übernommen haben. Die Weihezeremonie sei für Frauen und Männer gleich gewesen und vom Ortsbischof geleitet worden. Unterstützung bekommt sie vom belgischen Jesuiten Bernard Pottier, ebenfalls Kommissionsmitgied. Er sagt: "Die Forschung hat mehr und mehr ans Licht gebracht, dass Frauen geweiht wurden."

Die gleiche Zeremonie

"Diakoninnen in der West- und Ostkirche haben bei Taufen assistiert und etwa die Kinder gesalbt", sagt Zagano über die Aufgaben der Frauen. Sie berichtet von einer Art Arbeitsteilung: Diakoninnen haben sich vor allem um Frauen gekümmert, beispielsweise bei der Taufe, die zu dieser Zeit noch generell in Form der Ganzkörpertaufe praktiziert wurde. Außerdem haben sie Kranke besucht und ihnen die Eucharistie gebracht. Diakone waren vor allem für Männer zuständig, Krankenbesuche zählten nicht zu ihren Aufgaben.

Es ist in der Kommission wohl einstimmig festgestellt worden, dass es diese Diakoninnen gab – nur bei der Frage, ob sie eine Weihe empfangen haben, gab es auch andere Meinungen als die von Zagano und Pottier. Papst Franziskus sprach am Dienstag auf dem Rückflug seiner Reise nach Nordmazedonien davon, "dass es keine Gewissheit darüber gibt, ob dies eine Ordination mit derselben Form und Finalität war wie bei der von Männern." Vielmehr könne die Beauftragung von Frauen der Segnung einer Äbtissin geähnelt haben.

Auch Ort und Zeit spielen für die Bewertung von Diakoninnen eine Rolle, gibt Zagano zu bedenken. Es habe immer sehr vom Ortsbischof abgehangen, welche Aufgaben Frauen übernehmen konnten. "Man kann nicht sagen, dass Diakoninnen immer und überall die gleichen Aufgaben und Pflichten hatten." Zum Teil hatten sie auch mit frauenfeindlichen Päpsten und Bischöfen zu tun.

Bild: ©picture alliance / AP Photo

Papst Franziskus auf dem Rückflug von Nordmazedonien nach Rom.

Auch der Papst betonte, wie unterschiedlich das Engagement von Frauen gehandhabt wurde: So habe es etwa im antiken Syrien vermehrt Diakoninnen gegeben, in anderen Regionen jedoch nicht. Außerdem sei für ihn interessant, dass vor etlichen Jahren Theologen behaupteten, es habe keine Diakoninnen gegeben, weil Frauen in der Gesellschaft als zweitrangig gegolten hätten. "Ein weibliches Priesteramt im heidnischen Kult war aber zu jener Zeit normal. Warum gab es diese Entwicklung nicht in der Kirche?", so der Papst.

Ein umkämpftes Thema

Viele Fragen sind also noch ungeklärt. Eine Entscheidung über die Wiedereinführung von Diakoninnen steht weiterhin aus – und bleibt ein Pulverfass. Denn die ordinierte Frau ist ein Politikum: Kritiker befürchten, dass eine Zulassung zur Diakonweihe der erste Schritt zu katholischen Priesterinnen sein könnte – doch das hat Papst Franziskus bereits mehrmals ausgeschlossen. Kommissionsmitglied Menke hält es für möglich, dass stattdessen auch die katholische Kirche das Amt einer "Diakonisse" einführen könnte und es so kein exaktes Gegenstück zu männlichen Diakonen darstellt. Denn das Diakonat war über Jahrhunderte ausschließlich eine Vorstufe des Priestertums, sogenannte Ständige Diakone, die auch verheiratet sein können, gibt es erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ähnliche Ideen zu einer neuen Amtsform für Frauen kamen auch vorher schon auf.

Laut Papst Franziskus hat die päpstliche Kommission ihre Arbeit in diesem Format beendet, die einzelnen Wissenschaftler forschen aber weiter. Sie sollen ihre Thesen weiter untersuchen und ausbauen. Sie setzen damit eine gewisse Tradition der Diakoninnenforschung fort. Denn die vor drei Jahren eingesetzte Runde war keineswegs die erste ihrer Art. Auch die Internationale Theologenkommission des Vatikans hatte bereits zum Frauendiakonat geforscht. Im Jahr 2002 untersuchte  sie unter dem Titel "Das Diakonat. Entwicklung und Perspektiven" die Möglichkeit der Weihe von Frauen zu Diakoninnen – und hat sie nie explizit verneint, aber genauso wenig bejaht. Die Frage müsse vom Lehramt geklärt werden, hieß es damals. Dieser Stand gilt heute immer noch.

Von Christoph Paul Hartmann