Dokumentation erhöht Druck auf Kirche in Polen

Schon über 7 Millionen Aufrufe für Missbrauchs-Film bei YouTube

Veröffentlicht am 13.05.2019 um 11:50 Uhr – Lesedauer: 

Warschau ‐ Sie ist erst seit 48 Stunden online, wurde aber bereits von mehr als sieben Millionen Menschen angesehen: Die Missbrauchs-Doku "Nur sag es niemandem" bewegt ganz Polen – und erhöht den Druck auf die katholische Kirche.

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Ein neuer Dokumentarfilm über sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester erhöht in Polen den Druck auf die katholische Kirche. Die am Samstag im Internet veröffentlichte zweistündige Doku "Nur sag es niemandem" des Regisseurs Tomasz Sekielski schauten sich in den ersten 48 Stunden nach Angaben der Videoplattform "YouTube" mehr als sieben Millionen Menschen an. Der Vorsitzende der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, kündigte am Sonntag mit Blick auf den Film einen härteren Kampf gegen Pädophilie an.

Die Polnische Bischofskonferenz begrüßte den Film und bat erneut für den Kindesmissbrauch um Entschuldigung. "Im Namen der ganzen Bischofskonferenz möchte ich mich bei allen geschädigten Personen sehr entschuldigen", sagte deren Vorsitzender, Erzbischof Stanislaw Gadecki. Er dankte dem Filmemacher für seine Arbeit. "Bewegt und traurig" habe er sich Sekielskis Dokumentation angeschaut.

Kaczynski will Missbrauchstäter künftig "sogar mit bis zu 30 Jahren Gefängnis" bestrafen, wie er in einer Wahlkampfrede in Stettin (Szczecin) sagte. Oppositionspolitiker forderten eine parlamentarische Untersuchungskommission für die Missbrauchsfälle in der Kirche. Der Chef der oppositionellen Bürgerplattform (PO), Grzegorz Schetyna, sagte, nicht die Kirche, sondern nur der Staat könne die Angelegenheit wirksam regeln. Er lobte zugleich die Stellungnahme des Primas der Kirche in Polen, Erzbischof Wojciech Polak, als "wertvoll".

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Der für den Kinderschutz in der Kirche zuständige polnische Primas hatte sich in einem eigenen Video "tief betroffen" von den Schilderungen in dem Film geäußert: "Ich danke allen, die den Mut haben, von ihrem Leid zu erzählen." Er entschuldigte sich für jede von Kirchenmitarbeitern zugefügte "Wunde".

Erfolglos um Stellungnahmen von Bischöfen bemüht

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Gadecki sagte, der Grundtenor des Films decke sich mit seinen Erfahrungen, die er in vielen Gesprächen mit Geschädigten gewonnen habe. Die Doku werde zur genauen Einhaltung der Richtlinien für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Kirche beitragen.

Während der Arbeiten an seinem Film hatte sich Sekielski nach eigenen Angaben erfolglos um Stellungnahmen von Bischöfen bemüht. Stattdessen kommen in seinem Werk ausführlich Betroffene und einige Priester zu Wort.

Im Herbst 2018 hatte die Bischofskonferenz ganz anders auf den polnischen Kinofilm "Klerus" reagiert, der sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester und dessen Vertuschung angeprangerte. Die fiktive Handlung dreht sich um drei befreundete katholische Priester. Einer misshandelt Kinder sexuell; ein anderer führt eine Liebesbeziehung zu einer Frau. Hinzu kommt ein im Luxus lebender Bischof, der eng mit der Regierungspartei verbunden ist und Einfluss auf die große Politik nimmt. Die meisten Bischöfe hatten den Streifen ignoriert oder kritisiert. Mehr als fünf Millionen Zuschauer machten ihn zum meistgesehenen Kinofilm in Polen seit 2000. (tmg/KNA)