Feige: Deutsches Kirche-Staat-Verhältnis kann Vorbild für Armenien sein
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige, Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, hat Armenien besucht. Im Interview berichtet er von seinen Eindrücken und lobt dabei den pastoralen und sozialen Einsatz der armenischen Kirchen. Ihr Verhältnis zur katholischen Kirche sei "ausgesprochen gut", so Feige.
Frage: Herr Bischof, was war der Anlass Ihres Besuchs in Armenien?
Feige: Im Jahr 2017 waren einige Patriarchen der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Berlin auf Einladung der evangelischen Kirche in Deutschland. Wir katholischen Bischöfe hatten auch ein Treffen mit ihnen. Da erhielten wir eine Einladung des Oberhaupts der Armenischen Apostolischen Kirche, Katholikos Karekin II., an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Kardinal Reinhard Marx konnte nicht, darum durfte ich die Delegation leiten zusammen mit dem Hildesheimer Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger. Es hat sich dann wunderbar ergänzt, dass hier auch die Weihe des neuen armenisch-apostolischen Bischofs und Primas für Deutschland, Archimandrit Serovpe Isakhanyan, stattfand.
Frage: Wie sind die Beziehungen der Armenisch-Apostolischen zur katholischen Kirche?
Feige: Sie sind ausgesprochen gut und gehen schon fast 50 Jahre zurück. 1970 gab es die erste gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und dem Katholikos Wasken I., 1996 folgte eine weitere von Johannes Paul II. und Karekin I., Papst Franziskus war 2016 in Armenien zu Besuch.
Frage: In Armenien gibt es auch eine Armenisch-Katholische Kirche ...
Feige: Wir haben ihren Erzbischof Raphael Minassian besucht und waren beeindruckt vor allem vom sozial-karitativen Engagement dieser kleinen Kirche. Sie wird von unserem Osteuropa-Hilfswerk Renovabis unterstützt und widmet sich vor allem der Arbeit mit Behinderten. Das hat uns sehr fasziniert. Wie die Armenisch-Katholische Kirche so wendet sich auch die Armenische Apostolische Kirche intensiv diakonischen Aufgaben zu, seit sich beide in Freiheit entwickeln können.
Frage: Welche Rolle spielt die Armenisch-Apostolische Kirche in Deutschland in der Ökumene?
Feige: Die Armenisch-Apostolische Kirche ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Diese Kirche hat 2007 die Erklärung von Magdeburg mit unterzeichnet, in der elf Kirchen ihre Taufen wechselseitig anerkannt haben. Die Armenier haben gute Beziehungen zur katholischen und zur evangelischen Kirche insbesondere auch in Deutschland.
Frage: Woher kommen die besonderen Beziehungen?
Feige: Schon in der Vergangenheit haben Armenier an evangelisch-theologischen Fakultäten studiert. Da sticht besonders die Martin-Luther-Universität Halle an der Saale hervor. Dort gibt es bis heute eine Arbeitsstelle für armenische Studien und lebendige Beziehungen zu Armenien. Und wir als katholische Kirche haben ein Stipendienprogramm für orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Theologen, an dem immer wieder auch Armenier teilgenommen haben und auch derzeit teilnehmen.
Frage: Sie waren im Rahmen Ihres Besuchs auch in dem Museum, das an den Völkermord an schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen Armeniern während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich erinnert. Wie waren Ihre Eindrücke?
Feige: Wir haben im Namen der Deutschen Bischofskonferenz einen Kranz niederlegt und einen Gottesdienst gefeiert zusammen mit armenischen Geistlichen. An einer solchen Stelle fehlen einem aber eigentlich die Worte. Es ist schmerzlich, eine solche Stätte zu besuchen.
Frage: Wie steht die katholische Kirche zur Frage, ob es ein Völkermord war? Die Türkei bestreitet dies.
Feige: Der Bundestag hat sich dazu erklärt, Papst Franziskus hat auch davon gesprochen, und Kardinal Marx hat sich beim 100-Jahr-Gedenken 2015 auch in dieser Weise geäußert. Es ist schon ein Verbrechen, das da geschehen ist. Wir sind da mit den Armeniern einer Gesinnung. Zu ihrer 1.700-jährigen christlichen Geschichte und ihrer Identität gehört für die Armenier, mit diesem Völkermord zu leben.
Frage: Sie haben im Rahmen der Reise einen Vortrag über das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland gehalten. Was interessiert die Armenier daran?
Feige: Das haben unsere Gastgeber gewünscht. Vor dem Hintergrund ihrer Beziehungen zwischen Kirche und Staat war es für sie interessant, wie sich diese in Deutschland gestalten und inwieweit das für sie ein Vorbild sein könnte.