Theologen: Bibel nicht gegen Homosexualität instrumentalisieren
Theologen haben davor gewarnt, sich im kirchlichen Streit um den richtigen Umgang mit Homosexualität auf einzelne Bibelstellen zu berufen. Die Bibel sei kein Steinbruch, aus dem man Verse herauslösen und in die eigene theologische Argumentation einbauen könnte, schrieb der Mainzer Alttestamentler Thomas Hieke in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag in der Zeitschrift "Publik Forum". Vielmehr müsse man biblische Texte innerhalb ihres literarischen und kulturellen Umfeldes verstehen.
Der emeritierte Neutestamentler Martin Ebner aus Bonn verwies in seinem Beitrag darauf, dass Homosexualität in der Antike keine einvernehmlich gestaltete Beziehung war. Aussagen zu gleichgeschlechtlichem Sex "finden sich im gesamten Neuen Testament nur und einzig in den Paulusbriefen", so Ebner. Man könne daher auch nicht sagen, das Neue Testament verbiete gleichgeschlechtlichen Sex. Das entspreche nicht den Tatsachen.
Auch das Alte Testament enthalte keine eindeutigen Aussagen zum Umgang mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, so Hieke. Sie seien vielmehr "Teil von Gottes guter Schöpfung", heißt es in seinem Artikel. Man könne die Bibel weder für noch gegen Homosexualität instrumentalisieren. Die Partnerschaft von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung sei ein neuzeitlicher Lebensentwurf, "mit dem sich die Bibel gar nicht auseinandersetzt".
Beim Jüngsten Gericht werde nicht nach der sexuellen Orientierung gefragt, zeigte sich Ebner überzeugt. Wichtig sei allein, "ob ich für Menschen in Not ein Herz hatte und barmherzig zu anderen war". Jeder, der für seinen Umgang mit Homosexualität entsprechende Belege im Neuen Testament suche, könne diese auch finden. "Wer seine Homophobie hinter Aussagen des Neuen Testaments verstecken möchte, hat zum falschen Buch gegriffen", so Ebner unter Berufung auf die historisch-kritische Bibelauslegung.
In den christlichen Kirchen wird seit vielen Jahren um einen angemessenen Umgang mit Homosexualität gerungen. Oftmals wird dabei mit Aussagen aus der Heiligen Schrift argumentiert. So hatte der Schweizer Bischof Vitus Hounder 2015 seine Ablehnung homosexueller Partnerschaften mit einem Zitat aus dem biblischen Buch Levitikus begründet. Darin werden sexuelle Handlungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts als "Gräueltaten" bezeichnet, die "mit dem Tod bestraft" werden. Diese zitierten Passagen allein, so Huonder, "würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben". Dies hatte heftige Kritik ausgelöst und Huonder zu einer Entschuldigung bewegt.
Auch der evangelische Landesbischof von Sachsen, Carsten Rentzing, begründete 2015 seine Ablehnung von Homosexualität mit der Heiligen Schrift: "Die Bibel sagt, dass die homosexuelle Lebensweise nicht dem Willen Gottes entspricht." Das mache es ihm persönlich schwer, jemandem zu raten, seine Homosexualität zu leben. Dies anzusprechen, müssten sich Christen vorbehalten. Rentzing erklärte jedoch, er wolle nicht von Homosexualität als "Sünde" sprechen, "weil man damit schnell beim moralischen Verwerfen bestimmter Lebensweisen ist", und darum gehe es nicht. (rom)