Johann Gottfried Herder – Pfarrer, Philosoph, Humanist
Schriftsteller und Übersetzer, Theologe und Philosoph: Johann Gottfried Herder war ein vielseitiger Denker. Heute sind Teile seines Lebenswerks überschattet von der Instrumentalisierung durch die Nationalsozialisten. Tatsächlich war Herder ein Vordenker des europäischen Humanismus und setzte sich für den Toleranzgedanken der Aufklärung ein. Am Sonntag jährt sich sein Geburtstag zum 275. Mal.
Geboren 1744 im ostpreußischen Mohrungen, war Herders Kindheit durch seine pietistisch-religiöse Familie geprägt. Schon zu Schulzeiten wurde er Hilfskraft beim örtlichen Diakon, um anschließend Theologie in Königsberg zu studieren, wo er unter anderem Vorlesungen des großen Aufklärers Immanuel Kant hörte. Seine eigene Lehrtätigkeit begann Herder ab 1764 in Riga, wo er auch in die Freimaurerloge aufgenommen wurde und erste größere Studien zu Sprachgeschichte und -philosophie verfasste.
Schon im Jugendalter schrieb Herder Gedichte, später Rezensionen. Der zeitgenössische Stil des Sturm und Drang prägte sein Frühwerk, etwa das "Journal meiner Reise im Jahr 1769": Nach Kritik an der damaligen Ausrichtung der Theologie wurde er in Riga angefeindet und brach zu einer Schiffsreise nach Frankreich auf. Hier formulierte Herder bereits humanistische Kerngedanken: "Werde ein Prediger der Tugend deines Zeitalters", schreibt er. Man müsse "weder Jude noch Araber, noch Grieche, noch Wilder, noch Märtyrer, noch Wallfahrter sein", sondern "eben der aufgeklärte, unterrichtete, feine, vernünftige, gebildete, tugendhafte, genießende Mensch, den Gott auf der Stufe unsrer Kultur fordert".
Nach der Reise verbrachte Herder eine Weile in Paris, wo er sich mit den Philosophen Denis Diderot und D'Alembert austauschte. Ab dem Jahr darauf war er als Reiseprediger unterwegs - und begegnete 1773 erstmals Johann Wolfgang von Goethe. Die beiden Dichter freundeten sich an. Zum Zerwürfnis sollte es zur Zeit der Französischen Revolution ab 1789 kommen, die Herder begrüßte, Goethe dagegen eher skeptisch bewertete. Auch war Herder eifersüchtig auf die besondere Freundschaft zwischen Goethe und Friedrich Schiller.
Ab 1776 war Herder als Generalsuperintendent in Weimar tätig, lebte mit seiner Familie im barocken Pfarrhaus hinter der Stadtkirche, die später auch "Herderkirche" genannt werden sollte. Neben seiner Arbeit als Pfarrer entstand hier sein philosophisches Hauptwerk, insbesondere "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784-1791). Seine Gedanken, verfeinert im Austausch mit zahllosen zeitgenössischen Geistesgrößen, formulierte der Denker nun aus: Der Daseinszweck des Menschen sei "auf Bildung der Humanität gerichtet", so einer der Schlüsselsätze.
Religion blieb für ihn der höchste Ausdruck von Humanität. Ab 1796 verfasste er seine "Christlichen Schriften"; als Theologe wandte er sich stets gegen ein Christentum, das allein auf Dogmen beruht. Biblische Erzählungen seien aus ihrer Zeit heraus zu interpretieren, so seine - zu jener Zeit durchaus umstrittene - Überzeugung.
Heinrich Heine sagte später über Herder, für ihn seien die Völker "wie eine Harfe, wie die Saiten einer Harfe, und die Harfe spielt Gott". Daran erinnerte der inzwischen verstorbene Literaturwissenschaftler Georg Bollenbeck zu Herders 200. Todestag im Jahr 2003. Das NS-Regime sollte zwischenzeitlich Herders Begriffe von Volk und Nation vereinnahmen und pervertieren. Dabei habe niemand "konsequenter auf den Menschen" gesetzt als Herder, betont der Historiker Michael Maurer im "Handbuch Kulturphilosophie".
Bereits zu Lebzeiten hatte sich der Denker vom klassischen Rassismus distanziert, der im späten 18. Jahrhundert ausformuliert wurde: als Versuch, vermeintlich rassische Unterschiede - auch im Hinblick auf Mentalität und Charakter - wissenschaftlich zu erklären. Herder schrieb damals, er sehe keine Ursache für eine solche Benennung. Ganz im Gegenteil: "Weder vier oder fünf Rassen noch ausschließende Varietäten gibt es auf der Erde."