Die Cousine des Papstes
Der Medienrummel liegt ihr nicht. "Das ist mir etwas peinlich", sagt die 77-Jährige mit ihrem typischen breiten Lachen. Es wirkt schelmisch, zeigt aber auch, dass die hoch aufgeschossene, schlanke Frau in ihrer weißen Ordenstracht über eine gesunde Portion Selbstironie verfügt. Schwester Ana Rosa verleiht der Thailand-Visite von Papst Franziskus einen Extraschuss Human Touch; denn die Argentinierin ist des Pontifex maximus Verwandte.
Eigentlich sind Ana Rosa und Jorge Mario Bergoglio nur Cousine und Cousin zweiten Grades. "Aber der Verwandtschaftsgrad spielt bei uns in Argentinien keine wirkliche Rolle. Familie ist Familie", sagt Schwester Ana Rosa beim Gespräch im Kloster in der Thanon Saladaeng in Bangkok. Mit ihrem Vetter habe sie zeitlebens Kontakt gehabt. "In Buenos Aires haben wir uns oft bei Familienfesten gesehen", erzählt die Salesianerin. Der Kontakt sei auch nicht abgerissen, nachdem Bergoglio 2013 als erster Nichteuropäer seit dem Syrer Gregor III. im 8. Jahrhundert zum Papst gewählt wurde. "Wir schreiben uns Briefe. E-Mails mag er nicht", sagt Schwester Ana Rosa, die selbst per WhatsApp erreichbar ist.
"Ich wollte irgendwo hin, wo wir gebraucht wurden"
Liebend gern wäre Jorge Bergoglio als Missionar in die Welt gegangen. Vor allem nach Japan, die zweite Station nach seinem Thailand-Besuch. Leider ließ seine angeschlagene Gesundheit ein Missionarsleben nicht zu. Auch Ana Rosa Sivori wollte von Anfang an ins Ausland. "In Argentinien gab es genug Ordensfrauen. Ich wollte irgendwo hin, wo wir gebraucht wurden und Jesus bekanntmachen konnten."
Aus dem "irgendwo" wurde Thailand, wo sie nach ihrem Lehramtsstudium in Buenos Aires seit mehr als 40 Jahren lebt und arbeitet und die wechselvolle Geschichte des Landes miterlebte. Im Gespräch erinnert sie an ihre Anfänge in Udon Thani im Nordosten, als nur wenige hundert Kilometer weiter der Vietnam-Krieg tobte. "Udon Thani war ein Stützpunkt der US-Luftwaffe. Täglich haben wir die B-52-Bomber gehört, wenn sie zu ihren Einsätzen nach Vietnam flogen."
Nach vielen Stationen, unter anderen im mehrheitlich muslimischen Süden Thailands, ist Schwester Ana Rosa heute wieder zurück in Udon Thani nahe der Grenze zu Laos, wo sie erst als Lehrerin und jetzt als stellvertretende Leiterin der katholischen Marienschule wirkt. Sie unterrichtet Englisch und Religion, obwohl sie an der Universität der Salesianer im indischen Madras ihr Chemiestudium mit Diplom abgeschlossen hat. Eine chemische Koinzidenz: Auch ihr Cousin Franziskus hat einen Berufsabschluss als Chemietechniker.
2.150 buddhistische und 150 katholische Schüler zählt Schwester Ana Rosas St. Mary's School. Von 130 Lehrern sind nur 30 Katholiken. "Eltern schicken ihre Kinder zu uns, weil das katholische Bildungswesen in dem Ruf steht, nicht nur Wissen, sondern auch Werte zu vermitteln", so die Ordensfrau. Sie macht auch keinen Hehl daraus, dass vor allem Thailands Eliten ihre Kinder gern an katholische Schulen schicken. Es gebe aber auch ein umfangreiches Stipendienprogramm für Kinder aus armen Familien.
Private Begegnung mit Franziskus in Thailand
Derzeit hält sich Schwester Ana Rosa längere Zeit in Bangkok auf. "Ich musste hier im Kloster für eine Mitschwester einspringen", sagt sie bescheiden und spielt damit ihre Mitarbeit an der Vorbereitung des Besuchs ihres päpstlichen Cousins herunter. Dem Vernehmen nach wird die Thai sprechende Ordensfrau die private Dolmetscherin des Papstes sein.
Schwester Ana Rosa freut sich schon auf das Wiedersehen. Trotz des engen Terminplans des Papstes bleibt Zeit für eine – wenn auch kurze – private Begegnung, bei der sicher Erinnerungen und neueste Infos über die Familie in Buenos Aires ausgetauscht werden. Jorge Bergoglio war ja seit seiner Papstwahl nicht mehr in der argentinischen Heimat. Schwester Ana Rosa schon; sie reist "alle drei, vier Jahren heim nach Buenos Aires".