Wo sich Priester Tipps für eine "nachhaltige" Predigt holen können
Vor 14 Jahren wurde das ökumenische Projekt "nachhaltig predigen" ins Leben gerufen. Mit der zunehmenden Umwelt- und Klimadebatte ist das Thema heute so aktuell wie nie. Dennoch dürfte das Angebot noch mehr genutzt werden, findet Projektleiter Michael Rentz.
Frage: Herr Rentz, die Themen Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind gerade hochaktuell. Freuen Sie sich, dass es nun noch mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema gibt?
Rentz: Freude ist vielleicht der falsche Begriff, denn die aktuelle Situation ist dramatisch genug! Aber ich freue mich, dass wir gut aufgestellt sind und bei diesem wichtigen Thema nicht bei Null anfangen müssen. Die Klimadebatte ist das eine; Nachhaltigkeit geht weit darüber hinaus, und mit ihr rückt die Frage nach der Glaubhaftigkeit ins Zentrum. Angedachte Strategien müssen auch umgesetzt und die Menschen mitgenommen werden. Genau auf die fehlende Glaubwürdigkeit, gegen den Klimawandel die nötigen Schritte einzuleiten, stellen die Jugendlichen mit Fridays for Future ab.
Frage: Wie wird das kostenlose Predigtangebot bisher genutzt?
Rentz: Derzeit kommen wir jeden Monat auf rund 6.500 Besucher; das ist für ein kirchliches Angebot dieser Art nicht wenig. Aber natürlich könnte es noch besser werden, da ist noch Luft nach oben. Die Predigtanregungen für die Sonntage werden für das folgende Kirchenjahr jeweils zum 1. Advent auf unserer Internetseite www.nachhaltig-predigen.de freigeschaltet.
Frage: Sie waren Ihrer Zeit offenbar voraus und haben mit dem Projekt schon vor 14 Jahren den Blick darauf geworfen. Was war der Anlass?
Rentz: Die Themen Klima- und Umweltschutz waren schon damals aktuell; in den Kirchengemeinden wurde so langsam gefragt, wie sich denn die Kirchen dazu aufstellen. Dann kam als zweiter Glücksfall dazu, dass es – auch ihrer Zeit voraus – die Landeszentrale für Umweltaufklärung (LZU) Rheinland-Pfalz gab, deren Aufgabe es ist, für Kooperationen zu werben, um das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft voranzubringen. Die LZU fragte die rheinland-pfälzischen Kirchen, ob sie nicht zusammen mit dem Umweltministerium ein gemeinsames Projekt initiieren könnten und wollten. So ist unsere Initiative 2005 regional entstanden; dann wurde sie bundesweit und reicht jetzt bis in die Schweiz.
Frage: Wer schreibt die Predigtanregungen?
Rentz: Die Autoren sind in der Regel Pfarrerinnen und Pfarrer aus den beteiligten Landeskirchen und Bistümern oder auch Pastoralreferentinnen und -referenten. Wichtig: mit theologischer Ausbildung, so verhindern wir, dass Bibelstellen auf das Thema zurechtgebogen werden.
Frage: Apropos biegen – bekommen Sie eigentlich bei jedem Sonntag einen "Dreh" zur Nachhaltigkeit hin?
Rentz: An jedem Sonntag stehen ja vier Bibeltexte zur Auswahl. Es können recht viele, aber nicht alle Stellen unter dem Blick der Nachhaltigkeit betrachtet werden.
Frage: Der Bedarf an nachhaltigen Predigten müsste derzeit riesengroß sein. Haben Sie entsprechende Rückmeldungen?
Rentz: Die öffentliche Debatte hat sich eigentlich nicht unmittelbar auf die Zugriffszahlen ausgewirkt. Allerdings haben wir nach dem Dortmunder Kirchentag in diesem Frühjahr einen deutlichen Anstieg beobachtet. Und natürlich muss unsere Zielgruppe, Pfarrerinnen und Pfarrer, neben "Umweltschutz" – beziehungsweise kirchlich formuliert "Schöpfungsverantwortung" – in der Sonntagspredigt noch viele andere Themen im Blick haben.
Wir bekommen aber immer wieder positives Feedback von den Nutzern. Sie bedanken sich, dass es das Angebot gibt, dass es sehr inspirierend ist und dem oder der einen oder anderen weitergeholfen hat. Wie konkret unsere Anregungen in Predigten dann einfließen, bekommen wir aber nicht mit.
Frage: Haben sich die Predigtanregungen im Lauf der letzten Jahre verändert?
Rentz: Wir sichten die Predigtanregungen natürlich regelmäßig. Es gab mal eine Tendenz, dass halbe wissenschaftliche Abhandlungen verfasst wurden. Das hat unserem Ziel nur begrenzt gedient, da die Impulse doch eher prägnant und gut verständlich sein sollen. Schließlich suchen Nutzer Anregungen, um daraus ihre eigenen Gedanken für ihre Gemeinde zu entwickeln. Dafür gibt es unser Angebot.
In den vergangenen Jahren haben wir zusätzlich jeweils ein jährliches Schwerpunktthema betrachtet, das den Bezug von Kirche und Nachhaltigkeit herausstellt. Hier finden auch Religionspädagogen oder Menschen aus der Erwachsenenbildung, die nicht predigen, inhaltliche Impulse – etwa zu den Themen Suffizienz, Ernährung oder Strukturwandel im Geiste der Nachhaltigkeit.
Frage: Nachhaltigkeit ist inzwischen ein Modewort – können und wollen Christen das überhaupt noch hören?
Rentz: Ich glaube, sie wollen sich durchaus mit dem sachlichen Hintergrund auseinandersetzen, für den Nachhaltigkeit steht. Aber manche können in der Tat das Wort oft nicht mehr hören; das ist bei Christen vermutlich nicht anders als bei Anderen. Für die einen ist es ein oberflächliches Schlagwort geworden, und sie schalten ab. Andere möchten dagegen in die Tiefe gehen und sich auch spirituell ernsthaft mit dem Thema und den Konsequenzen für das eigene Leben beschäftigen. Auch wenn das Stichwort Nachhaltigkeit manche abschrecken mag – der Titel der Internetseite ist genau der richtige. Auch um die christliche Vielschichtigkeit dieses Begriffs aufzuschlüsseln, bieten wir schließlich unsere Predigtanregungen an.