Ist Benedikt XVI. wirklich der Co-Autor des Zölibat-Buchs?
Geht der emeritierte Papst auf Konfrontationskurs mit seinem amtierenden Nachfolger? Wieder einmal äußert sich der eigentlich im Gebet hinter den Vatikanmauern verborgene Benedikt XVI. zu einer aktuellen Kontroverse: der Pflicht zum Zölibat. Papst Franziskus steht zwar fest dazu, nach der Amazonas-Synode muss er aber die Eingaben der Synodenväter erwägen: Die hatten die Priesterweihe von "viri probati", im Glauben und Leben bewährten verheirateten Männern, empfohlen.
Aus den Mauern des Vatikan kommt dagegen nun eine Breitseite: Kurienkardinal Robert Sarah, Präfekt der Gottesdienstkongregation und bekannt als Wortführer konservativer Kirchenkreise, hat zusammen mit dem emeritierten Papst Benedikt eine theologische Streitschrift für den Zölibat veröffentlicht – oder doch nicht? Denn um die Urheberschaft der dem emeritierten Papstes Benedikt XVI. zugeschriebenen Teile des gemeinsamen Bandes ist nun eine Debatte entbrannt. Mehrere renommierte Vatikanjournalisten beziehen sich auf Quellen aus dem Umfeld Benedikts, die die Beteiligung des vormaligen Papstes bestreiten.
Anonyme Quellen: "Kein 'vierhändiges Buch' mit Sarah"
Die argentinischen Zeitung "La Nacíon" zitierte eine Quelle, die dem emeritierten Papst "sehr nahe" stehe. Diese habe zu Protokoll gegeben, dass Benedikt "kein 'vierhändiges Buch' mit Sarah geschrieben" habe und "weder die Titelseite noch die Tatsache, dass ein vierhändiges Buch veröffentlicht wurde, gesehen oder genehmigt" habe. Ein "Medienoperation" und "Medienmanipulationen" seien im Gange, von denen sich Benedikt distanziere. Der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" wie der spanischen "ABC" liegen gleichlautende Quellen vor. Benedikt habe dem "Corriere" zufolge die Bitte geäußert, die Autorenschaft auf den gedruckten Exemplaren klarzustellen. Welche Teile des Buchs den Quellen zufolge tatsächlich von dem emeritierten Papst stammen, wird nicht erwähnt.
Auch der Vatikanist des Jesuitenmagazins "America", Gerard O’Connell, beruft sich auf derartige Quellen. Ein von ihm angekündigter Bereich werde aber von der Redaktion noch zurückgehalten, um weitere Stellungnahmen einzuholen. Bereits am Montag hatte O’Connell vertrauliche Quellen zitiert, denen zufolge der 92-jährige Benedikt nicht mehr in der Lage sei, selbst zu schreiben und längere Konversationen zu führen.
Kardinal Sarah und Verlag weisen Vorwürfe zurück
Kardinal Sarah hat auf Twitter diesen Vorwürfen widersprochen und sie als "Lügen" und "außergewöhnlich schweren Diffamierungen" bezeichnet. Als Beweis für die Zusammenarbeit fügte er drei Schreiben mit dem Briefkopf und der Unterschrift von Benedikt XVI. bei. Darin ist aber nicht die Rede von einer Zusammenarbeit an einem Buch. In einem auf Oktober 2019 datierten Brief schreibt der Emeritus von der Übergabe eines Textes mit Gedanken zum Priestertum, die Sarah mit den Worten "ich überlasse es Ihnen, ob sie für meine bescheidenen Gedanken eine Verwendung finden" überreicht wurden. In einem weiteren Brief aus dem November 2019 gibt Benedikt dem Kardinal positive Rückmeldungen zu einem nicht näher bezeichneten Text. Benedikt erwähnt einen eigenen siebenseitigen Text, auf eine Zusammenarbeit an längeren Texten oder einem Buch geht er nicht ein. Sarah kündigte an, gegebenenfalls am Dienstag noch einmal Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen.
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Gegenüber der "Catholic News Agency" betonte der Chef des amerikanischen Verlags "Ignatius Press", in dem die englischsprachige Übersetzung erscheinen wird, dass man von der Echtheit der Autorenschaft überzeugt sei: "Wenn Kardinal Sarah uns sagt, dass die Kapitel von Papst Benedikt von Papst Benedikt sind, dann nehmen wir ihn beim Wort."
Unstrittig ist, dass sich Benedikt mit dem Thema des Zölibats und des Priestertums beschäftigt hat. Neben den von Sarah veröffentlichten Briefen deutet daraufhin auch ein Blick auf den Schreibtisch des Emeritus hin, der in der Dokumentation "Klein Bayern im Vatikan" des Bayerischen Rundfunks zu sehen war: Dort ist auf dem Lesestapel der Band "Zölibat in der Frühen Kirche" zu sehen sowie ein Kommentar zum Psalm 119, einem von drei Psalmen, auf die der Benedikt zugeschriebene Text eingeht.
Vatikan betont Position von Papst Franziskus zum Zölibat
Das Buch "Des profondeurs de nos cœurs" ("Aus der Tiefe unserer Herzen") besteht aus fünf Teilen: Einem Vorwort des Herausgebers, einer beiden Autoren zugeschriebenen Einleitung, einem Aufsatz Benedikts zum Priestertum, einem längeren von Sarah zur Bedeutung des Zölibat für die Kirche und einem wiederum von beiden verfassten Nachwort. Als Autorenangabe wird bei dem Buch abweichend von den anderen Veröffentlichungen seit dem Rücktritt nur "Benedikt XVI." genannt ohne die zusätzliche Angabe seines bürgerlichen Namens Joseph Ratzinger.
Der Band erscheint am Mittwoch auf französisch, bereits am vergangenen Sonntag hatte die französische Zeitung "Le Figaro" Auszüge veröffentlicht. Während viele Beobachter das Buch als Angriff auf Papst Franziskus deuten, betonen die Autoren, es in "kindlichem Gehorsam" zum Papst geschrieben zu haben. Auch der Chefredakteur von Vatican News, Andrea Tornielli, sowie das vatikanische Presseamt betonen die Position von Franziskus, der wie Benedikt und Sarah den Zölibat nicht optional machen will. Allenfalls regionale Ausnahmen seien für ihn denkbar.
Ob und wie Benedikt tatsächlich an der Veröffentlichung beteiligt war, kann nur der emeritierte Papst selbst aufklären. Doch aus Mater Ecclesiae, dem Ruhestandssitz des Emeritus, ist noch keine offizielle Stellungnahme gedrungen. Zwischen Mater Ecclesiae und Santa Marta, dem Sitz von Papst Franziskus, seien am Montag aber aufgeregte Nachrichten hin und hergegangen, weiß der Romkorrespondent der französischen Zeitung "La Croix" zu berichten. Eine gemeinsame Stellungnahme könnte also bald Licht ins Dunkel bringen.