Harter Konkurrenzkampf mit dem Katholizismus

Forscher: Papst will mit Heiligsprechungen Evangelikale schwächen

Veröffentlicht am 06.03.2020 um 11:47 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Die evangelikale Bewegung bekommt weltweit immer mehr Zulauf – gerade auch in traditionell katholisch geprägten Ländern. Wissenschaftler haben nun das "Erfolgsrezept" untersucht – und wie die katholische Kirche den Konkurrenzkampf bestehen will.

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Zwei US-Wissenschaftler der Havard-Universität sehen im speziellen Charakter des evangelikalen Protestantismus einen Grund für seine derzeitige Beliebtheit. "Das ist eine Religion, die mit einem hohen Enthusiasmus einhergeht und Charaktereigenschaften wie Ehrlichkeit und Disziplin propagiert", sagten der Makroökonom Robert J. Barro (75) im Interview bei Spiegel Online (Donnerstag). Er erforscht mit seiner Frau und Moralphilosophin Rachel M. McCleary (66) den ökonomischen Nutzen von Religion. Die Evangelikalen konnten ihrer Meinung nach auch deswegen in den USA, aber auch in Lateinamerika oder Asien in den vergangenen Jahrzehnten enormen Zulauf verzeichnen.

Barro erklärte zudem, dass der evangelikale Protestantismus damit in Lateinamerika einen harten Konkurrenzkampf mit dem Katholizismus führe. "Papst Franziskus versucht, mit vielen Heiligsprechungen dagegenzuhalten. Dabei greift er auffällig stark auf Märtyrer zurück", sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Das Forscherteam versuche gerade herauszufinden, ob sich dieses Vorgehen wirtschaftlich niederschlage und erfolgreich sei. In seinem aktuellen Buch "The Wealth of Religions" ("Der Reichtum der Religionen") beschreibt das Ehepaar laut Spiegel Online, dass die wirtschaftlichen Wirkungen von Religion erstaunlich oft wohlkalkuliert seien.

Der Evangelikalismus bezeichnet eine spezielle Strömung innerhalb des Protestantismus, deren Wurzeln im deutschen Pietismus, dem englischen Methodismus und der Erweckungsbewegung des 18. Jahrhunderts liegen. Weltweit verzeichnet die Bewegung in den vergangenen Jahren großen Zulauf, so auch in den traditionell katholisch geprägten Ländern Lateinamerikas. Beim jüngsten Zensus von 2010 erklärten sich 60 Prozent der Bewohner Nordbrasiliens, also der Amazonasregion, für katholisch und knapp 30 Prozent für evangelikal. Schätzungen zufolge sind evangelikale Kirchen auch in mehr als der Hälfte der indigenen Gemeinschaften präsent. Sie bilden dort in kurzer Zeit Laien zu Predigern aus, während die Ausbildung der katholischen Priester Jahre dauert. (tmg/KNA)