Liturgie in Corona-Zeiten: Gottesdienste in den eigenen vier Wänden
Aufgrund der Corona-Krise werden in Deutschland und weltweit keine öffentlichen Gottesdienste mehr gefeiert. Doch das bedeutet nicht, dass die Gläubigen an einem Sonntag oder einem anderen Tag der Woche nicht mehr an der kirchlichen Liturgie teilnehmen könnten. Neben den vielfältigen Streaming-Angeboten von Heiligen Messen und Gebeten, die viele Bistümer, Pfarreien und Ordensgemeinschaften online bereitstellen, besteht die Möglichkeit, Gottesdienste in den eigenen vier Wänden zu feiern. Diesen Vorschlag machten nicht nur zahlreiche deutsche Diözesen, sondern auch der Vatikan.
Ein Beispiel aus dem Kirchenstaat: Hausgottesdienste seien "ganz einfach" zu feiern, schrieb Kardinal Kevin Farrell in der Vatikanzeitung "L’Osservatore Romano" Mitte März. "Wir können uns alle in einem Zimmer versammeln", so der Präfekt des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben. "Zuerst sprechen wir einen Lobpsalm, dann bitten wir uns gegenseitig um Vergebung." Das könne innerhalb der Familie etwa mit Worten oder mit einer Geste zwischen den Eheleuten sowie den Kindern geschehen. "Dann können wir das Sonntagsevangelium lesen und ein Gebet sprechen – in den Anliegen der Familie, unserer Lieben, der Kirche und der Welt. Und zum Schluss können wir dann unsere Familie und alle Familien, die wir kennen, dem Schutz Mariens anvertrauen." Solch ein Gebet könne jede christliche Familie ohne Schwierigkeiten feiern, ist Farrell überzeugt.
Wer jedoch Hilfe bei der Feier eines Gottesdienstes daheim benötigt, findet sie etwa im Gebet- und Gesangbuch "Gotteslob". In der aktuellen Ausgabe, die aus dem Jahr 2013 stammt und das "Gotteslob" den heutigen Anforderungen anpassen sollte, wird die Familie als "Kirche im Kleinen" bezeichnet. Daher hätten "auch Gebet und Gottesdienst in ihr einen Platz". Im "Gotteslob" finden sich grundlegende Erklärungen zu Wort-Gottes-Feiern und Hausgottesdiensten. Die vorgeschlagenen Liturgien für Familien nehmen thematisch zwar auf die Advents- und Weihnachtszeit sowie auf Todesfälle Bezug, doch sie sind gleichzeitig Vorlagen, an denen sich selbst gestaltete Hausgottesdienste orientieren können.
Um der Andacht zuhause einen angemessenen Rahmen zu geben, empfiehlt es sich, etwa einen Tisch mit einem Kreuz, Heiligenbildern, Kerzen, einer Bibel oder Pflanzen zu schmücken. Hierbei darf man gern kreativ sein. Die Teilnehmer können sich zur Feier um diesen schlichten "Hausaltar" versammeln. Natürlich ist auch ein kleiner Stuhlkreis mit einer liebevoll gestalteten Mitte möglich. Die biblischen Texte des jeweiligen Tages sind im Internet zu finden und können beim Hausgottesdienst vorgelesen werden. Die musikalische Gestaltung können die Teilnehmer selbst übernehmen. Andernfalls helfen Videos mit bekannten religiösen Liedern. Zu allen liturgischen Texten finden sich zudem Auslegungen und Predigten im Internet.
Ein Hausgottesdienst kann sich in seinem Ablauf an eine Wort-Gottes-Feier anlehnen. Das bedeutet, mit dem Kreuzzeichen zu beginnen, ein Gebet zu sprechen und eine Lesung aus der Bibel vorzutragen. Danach wird eine Auslegung dazu vorgelesen oder ein Moment in Stille verbracht, um über das Gehörte nachzudenken. Anschließend folgen Fürbitten, die auch auf die aktuelle Situation in der Corona-Krise eingehen und etwa liebe Menschen, denen man länger nicht nahe sein konnte, einschließen. Ein Vaterunser und ein abschließender Segen markieren das Ende des kleinen Gottesdienstes. Zwischen den verschiedenen Teilen können Lieder gesungen werden. Da es sich jedoch um eine relativ freie Form der Liturgie handelt, ist es möglich, die verschiedenen Elemente zu ergänzen oder zu verändern, etwa durch familiengerechte Rituale. So können sich alle Teilnehmer bei Gebeten an die Hände fassen oder zum Abschluss die Eltern ihre Kinder segnen.
Gottesdienstvorschläge auch für die Wochentage
Wem die selbstständige Planung eines Hausgottesdienstes zu ungewohnt oder mühsam erscheint, kann sich an den Vorlagen orientieren, die viele Diözesen auf ihren Internetseiten veröffentlicht haben. Einige bieten Gottesdienstvorschläge für die Sonntage an, andere sogar für jeden Wochentag. Besonders für die Karwoche und die darauffolgenden Ostertage haben Bistümer und selbst einige Kirchengemeinden teilweise sehr detaillierte Vorschläge ins Netz gestellt.
Nach dem Hausgottesdienst ist es möglich, dass die kleine Gemeinde zu einem Agape-Mahl zusammenbleibt und seine Verbundenheit über die Liturgie hinaus feiert. Ein einfaches Abendessen vertieft die im Gottesdienst gemachten Erfahrungen und stärkt so den Zusammenhalt von Partnerschaft, Wohngemeinschaft oder Familie. Für alleinlebende Menschen kann ein Mahl in Verbindung mit einer Videokonferenz oder einem Telefonat Gemeinschaft mit Freunden und Angehörigen stiften, nachdem zuvor im Hausgottesdienst die Nähe zu Gott gefeiert wurde.