Deutsche Bischöfe: Triage in Corona-Krise als letztes Mittel zulässig
In der Debatte um mögliche medizinethische Entscheidungskonflikte im Zuge der Corona-Pandemie hat sich am Mittwoch auch die Deutsche Bischofskonferenz zu Wort gemeldet. In einer in Bonn veröffentlichten Argumentationsskizze (siehe Linktipp) setzt sich das Sekretariat der Konferenz ausführlich mit der sogenannten "Triage" auseinander und betont, dass dieses Verfahren im Fall einer unüberbrückbaren Kluft zwischen medizinischen Ressourcen einerseits und dem Behandlungsbedarf in Folge einer Überlastung des Gesundheitssystems andererseits als letztes Mittel "zulässig, gerechtfertigt und sogar geboten" sei.
Bei der ursprünglich in Kriegen angewendeten Triage – französisch für "Sichtung, Sortierung, Auswahl" – geht es darum, behandlungsbedürftige Patienten bei einer hohen Auslastung etwa von Notaufnahmen und Krankenhäusern nach Dringlichkeit zu sortieren, um die begrenzten medizinischen Ressourcen nicht zu überfordern. Das Verfahren ist umstritten, weil der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Patienten dabei zeitweise außer Kraft gesetzt wird.
Bischofskonferenz fordert "strenge Rahmensetzungen"
Die Bischofskonferenz fordert in ihrem Papier deshalb bei einer Anwendung der Triage "strenge Rahmensetzungen". So seien bereits im Vorfeld alle alternativen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies gelte insbesondere für die staatlich verantwortete Vorsorge, die darauf ausgerichtet sein müsse, die einzelnen behandelnden Ärzte möglichst nie in die Situation zu bringen, im Rahmen einer Triage über Leben und Tod der Patienten entscheiden zu müssen. "Ist die Triage unvermeidbar, ist es aus ethischer Sicht von höchster Bedeutung, sie in streng limitiertem Rahmen nach den etablierten Regeln der ärztlichen Heilkunst, den Grundsätzen der Medizinethik und des ärztlichen Berufsethos durchzuführen", so die Bischofskonferenz. Als Entscheidungskriterien dürften dabei ausschließlich medizinische Aspekte in Betracht kommen, insbesondere aber die Behandlungsbedürftigkeit und die Prognose, die sorgfältig individuell abgewogen werden müssten.
Unethisch und abzulehnen sind aus Sicht der Bischöfe dagegen äußere Kriterien wie das Lebensalter oder das Geschlecht eines Patienten sowie soziale Kriterien wie Stellung, Bekanntheitsgrad, ökonomische Aspekte oder auch "Systemrelevanz". Unerlässlich sei es zudem, alle Patienten, die eine intensivmedizinische Behandlung benötigten, in die Triage einzubeziehen und diese nicht nur auf Personen mit Covid-19 zu begrenzen.
Alter als Auswahlkriterium bei Triage "absolut verwerflich"
Weiter betont das Papier, dass es nach der Bewältigung einer eventuellen temporären Überlastung des Gesundheitssystems und der damit begründeten Triage nicht nur notwendig sei, "kritisch zu evaluieren, ob die Prinzipien richtig angewandt wurden, sondern auch, auf welche Weise ein erneutes Eintreten dieser Ultima-Ratio-Situation zukünftig möglichst verhindert werden kann".
In den vergangenen Tagen hatte die Diskussion um befürchtete Engpässe im Gesundheitssystem im Zuge der Corona-Pandemie deutlich an Fahrt aufgenommen. So hatte etwa der Deutsche Ethikrat Ende März in einer Stellungnahme die Vermeidung von Triage-Situationen als wesentlichen Orientierungspunkt für das Vorgehen in der kommenden Zeit genannt und klare medizinische Kriterien gefordert. Der katholische Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl, der auch Mitglied im Ethikrat ist, warnte in einem Interview darüber hinaus davor, das Alter von Patienten oder ähnliche Kriterien bei einer möglichen Triage als Kriterium anzuwenden. Corona-Kranken über 80 Jahren etwa Beatmungsgeräte zu verweigern, sei "absolut verwerflich". (stz)