Franziskaner kümmern sich in Berlin auch während der Pandemie um Bedürftige

Suppenküche während Corona: Wollen Arme nicht zusätzlich bestrafen

Veröffentlicht am 16.05.2020 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Corona-Krise trifft die Menschen am Rande der Gesellschaft besonders hart. Deshalb versuchen die Franziskaner mit ihrer Berliner Suppenküche weiterhin, die Not der Menschen zu lindern – trotz aller derzeitigen Schwierigkeiten.

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Seit fast 30 Jahren verteilen die Franziskaner in ihrem Kloster in Berlin-Pankow Mahlzeiten an Bedürftige. Auch während der derzeitigen Corona-Pandemie machen sie weiter. Wie das funktioniert, wie es den Bedürftigen in der Stadt geht und wo er gerade besonders Hilfsbereitschaft beobachtet, berichtet der stellvertretende Leiter und Franziskanerbruder Christoph Körber im Interview.

Frage: Wegen der Corona-Pandemie haben immer noch viele Einrichtungen und Geschäfte geschlossen. Trotzdem haben Sie die Suppenküche der Franziskaner in Berlin wieder geöffnet. Wie geht das in der aktuellen Situation?

Bruder Christoph: Wir können in der Suppenküche nur eine Notversorgung laufen lassen. Das bedeutet, dass wir zwei Stullen und ein heißes Getränk herausgeben. Dazu gibt es dann manchmal einen Salat oder Besonderheiten wie Kuchen oder Muffins, die wir gespendet bekommen haben. Die Verteilung findet komplett draußen statt, wir bieten alles To-Go an und es ist nicht erlaubt, Grüppchen zu bilden. Unser Speisesaal, den wir sonst immer nutzen, um heiße Suppe auszuteilen, ist erstmal geschlossen. Normalerweise haben wir hier auch eine Kleiderkammer, eine Sozialberatung und eine Hygienestation. Diese Stellen sind momentan aber aus hygienischen Gründen ebenfalls alle geschlossen, weil wir beispielsweise die Abstandsregeln in kleinen, geschlossenen Räumen nicht aufrechterhalten können.

Frage: Wieso haben Sie denn gerade wieder die Suppenküche geöffnet und nicht die Kleiderkammer oder die Hygienestation?

Bruder Christoph: Seit unserer Gründung 1991 ist die Suppenküche der Hauptpfeiler unserer Arbeit. Uns ist es wichtig, dass die bedürftigen Menschen eine warme Mahlzeit bekommen, die nahrhaft ist und sättigt, damit sie gut über den Tag kommen. Und natürlich spielt der soziale Kontakt dabei auch eine Rolle: Unser Speisesaal hat normalerweise von 8 Uhr bis 14.30 Uhr geöffnet. Die Besucher bekommen ein heißes Getränk und können sich dort aufhalten, das ist gerade im Winter wichtig. Deswegen spielen sich die sozialen Kontakte vor allem im Suppenküchensaal ab. Das ist unser Hauptpunkt, den wir trotz der aktuellen Situation auch weiterhin irgendwie anbieten wollen. Die Kontakte untereinander finden auf unserem Suppenküchengelände im Freien nur sporadisch und in kleinen Gruppen bis zu drei Personen statt. All unseren Besuchern ist klar, dass wir sie nicht gängeln wollen, sondern dass dies zu ihrem Schutz passiert. Damit die Bedürftigen bei uns wenigstens eine Katzenwäsche machen können, haben wir die Toilettenanlagen geöffnet und schauen, dass sich immer nur eine Person darin aufhält und alles regelmäßig desinfiziert wird.

Frage: Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter?

Bruder Christoph: Da wir überwiegend mit älteren Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, wollten wir ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst zu schützen und zu Hause zu bleiben. Auch deswegen sind wir auf die Notversorgung umgestiegen. Wir hatten aber auch das Glück, dass viele junge Menschen, die gerade in Kurzarbeit sind, angeboten haben, uns mitzuhelfen. So konnten wir das bisher gut auffangen mit Menschen, die aktuell Zeit haben.

Ein Franziskaner verteilt eine Mahlzeit an einen bedürftigen Mann
Bild: ©privat

"Wir reden hier von Menschen, die sonst überhaupt nichts haben" – Bruder Christoph Körber (rechts im Bild) kümmert sich mit der Suppenküche der Franziskaner in Berlin-Pankow um Bedürftige in der Stadt. Auch in der Corona-Krise verteilen Mitarbeiter und Ehrenamtliche Mahlzeiten.

Frage: Dann wechseln die Ehrenamtlichen bei Ihnen momentan wahrscheinlich sehr oft, oder?

Bruder Christoph: Ja, es ist viel Leben drin, weil sich die Zeiten geändert haben und viele Menschen mittlerweile wieder mehr arbeiten. Deswegen erleben wir gerade einen kleinen Umbruch. Aber das ist auch wieder eine Chance, neue Ehrenamtliche zu bekommen, die unsere Einrichtung und uns kennenlernen. Die fangen vielleicht mal mit einem Nachmittagsdienst an und bieten dann an, auch weitere Dienste zu übernehmen oder erzählen ihren Freunden von uns. So wächst der Pool an Ehrenamtlichen und unsere Wahrnehmung in unserem Stadtteil Pankow.

Frage: Die Arbeit in der aktuellen Situation ist ja nicht ungefährlich. Man weiß nie, wo man sich mit dem Coronavirus anstecken kann und wie dann so eine Krankheit verläuft. Was motiviert Sie trotzdem weiterzumachen?

Bruder Christoph: Wir reden hier von Menschen, die sonst überhaupt nichts haben. Die können nicht eben auf die Toilette gehen und sich die Hände waschen oder sich warmes Essen holen, weil sie schlicht nicht das Geld dafür haben. Die wollen wir jetzt nicht auch noch zusätzlich bestrafen. Damit gehe ich trotz aller Hygienevorkehrungen vielleicht das Risiko ein, angesteckt zu werden. Vielleicht trifft es mich dann und vielleicht müssen wir die Suppenküche dann irgendwann schließen, weil ein Fall von Corona hier aufgetaucht ist. Das ist den Bedürftigen und uns bewusst. Jeder hat aber die Möglichkeit, Nein zu sagen und aus seinem eigenen Schutzempfinden heraus nicht zu kommen. Aus lauter Angst gar nichts zu machen, kann aber auch nicht die Lösung sein. Wir wollen den Ärmsten der Armen in der aktuellen Situation zeigen: Wir lassen euch nicht allein.

Frage: Wie viele Menschen kamen denn zu Ihnen, bevor die Corona-Pandemie ausgebrochen ist und wie viele kommen jetzt?

Bruder Christoph: Das kommt auf den Tag an: Am Anfang des Monats kommen weniger Menschen, am Ende des Monats mehr, weil das Geld aufgebraucht ist. Bevor die Corona-Pandemie ausgebrochen ist kamen rund 200 bis 300 Personen am Tag. Manchmal waren es sogar 400. Aber in der momentanen Notversorgungssituation sind wir bei einem Durchschnitt von 70 bis 80 Bedürftigen. Wobei es am Sonntag oft mehr sind, weil viele andere Stellen an Sonn- und Feiertagen geschlossen sind.

„Damit gehe ich trotz aller Hygienevorkehrungen vielleicht das Risiko ein, angesteckt zu werden. Vielleicht trifft es mich dann und vielleicht müssen wir die Suppenküche dann irgendwann schließen, weil ein Fall von Corona hier aufgetaucht ist.“

—  Zitat: Bruder Christoph Körber

Frage: Tendenziell kommen also eher weniger Bedürftige als vor ein paar Monaten. Woran liegt das?

Bruder Christoph: Bei vielen ist das wohl die simple Überlegung: Für eine Stulle und ein Getränk fahre ich da nicht extra hin. Das ist mir zu wenig, dann schaue ich mich woanders um. Außerdem gibt es auch andere Stellen, die jetzt plötzlich aufmachen und bereit sind, stundenweise etwas anzubieten. Und man darf nicht vergessen, dass unsere Hygienestation und die Kleiderkammer geschlossen sind. Man kennt ja schon die meisten Leute, die täglich oder einmal die Woche herkommen. Wir haben aber auch den Eindruck, dass gerade ein paar neue Gesichter auftauchen, die sich das Angebot anschauen.

Frage: Was bekommen Sie von diesen Menschen mit? Wie erleben die Bedürftigen die Krise?

Bruder Christoph: Ich höre schon oft, dass es schwieriger geworden ist, an Kleidung, Hygieneartikel oder warmes Essen zu kommen. Das stresst die Menschen und sie nehmen das schon als große Not wahr. Auch Pfandflaschensammeln findet momentan ja kaum statt, weil weniger Menschen sich im Freien aufhalten. Das ist ein Thema, das man schnell vergisst. Aber für diejenigen, die sich von diesem Pfandgeld ein Zubrot verdienen, ist das gerade nicht möglich. Dazu kommt noch, dass viele andere Stellen für Bedürftige aktuell geschlossen haben. Es gibt aber auch viel Hilfsbereitschaft von Menschen, die selbst nicht so viel Geld haben, den Bedürftigen gerade aber trotzdem einen Zehner mehr geben. Oder andere, die mit ihren Kindern zusammen Muffins backen, die wir dann austeilen können. Zu Ostern hat eine Familie 150 Karten mit Engeln bemalt und einen kleinen Gruß draufgeschrieben. Die Kärtchen konnten wir dann an die Menschen hier weitergeben. Das sind Kleinigkeiten und Wertschätzungen, durch die unsere Besucher merken: Wir sind nicht vergessen. Es geht auch ein Stückchen bergauf.

Die Suppenküche der Franziskaner in Berlin-Pankow

1991 begann die Franziskanerschwester Monika im Ostteil der Stadt Suppe an Nachbarn zu verteilen, die sich aufgrund der wirtschaftlichen Lage nach der Wende keine warme Mahlzeit mehr leisten konnten. In Zusammenarbeit mit dem Franziskanerkloster in Berlin-Pankow entstand das Projekt "Suppenküche Franziskanerkloster". Bald ergab sich weiter Unterstützungsbedarf für die bedürftigen Menschen und so entstand eine Kleiderkammer, in der Bedürftige zweimal in der Woche warme und saubere Kleidung bekommen können und eine Hygienestation, in der sich die Menschen duschen und waschen und Hygieneartikel bekommen können. Außerdem bietet die Suppenküche eine Sozialberatung an. Ähnliche Suppenküchen wie die in Berlin betreiben die Franziskaner auch in anderen Städten wie München, Düsseldorf oder Dortmund.
Von Christoph Brüwer