Keine Finanzierung aus Kirchensteuer

Bistum Augsburg weitet Leistungen bei Missbrauch aus – bis 75.000 Euro

Veröffentlicht am 02.06.2020 um 11:24 Uhr – Lesedauer: 

Augsburg ‐ Die Bischöfe hatten sich im März auf höhere Schmerzensgeldzahlungen an Missbrauchsopfer geeinigt. Dem Bistum Augsburg geht die Umsetzung dieses Grundsatzbeschlusses jedoch zu langsam voran. Deshalb hat die Diözese nun selbst neue Regeln erlassen und die Hilfen bei Missbrauch erhöht.

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Das Bistum Augsburg bietet Opfern von Missbrauch und Gewalt im kirchlichen Kontext künftig mehr Geld an. Das geht aus einer neuen "Anerkennungs- und Unterstützungsordnung" hervor, wie das Bistum am Dienstag mitteilte. Die Ordnung gilt demnach seit 1. Juni und soll "der Tatsache Rechnung tragen, dass Missbrauch in nicht wenigen Fällen berufliche und gesundheitliche Langzeitfolgen haben kann". Dazu seien nun insbesondere monatliche Zahlungen vorgesehen, wenn Betroffene ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten könnten.

Betroffene erhielten jetzt individuell festgelegte Einmalzahlungen - je nach Schwere des Falls in mehreren Stufen über 25.000 Euro. Die monatlichen Zahlungen orientierten sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen; als Gesamtbetrag seien maximal 75.000 Euro vorgesehen. Die Finanzierung erfolge nicht aus Kirchensteuern, sondern ausschließlich aus Mitteln des Bischöflichen Stuhls. Augsburg habe damit als zweite deutsche Diözese nach dem Erzbistum Freiburg feste diözesane Vorgaben.

Auch Kostenübernahme für Therapie und Paarberatung

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte im März einen Grundsatzbeschluss zu erhöhten Schmerzensgeldzahlungen für Missbrauchsopfer gefasst. Danach soll sich die Kirche künftig an der geltenden zivilrechtlichen Schmerzensgeld-Tabelle und Gerichtsurteilen orientieren, was derzeit Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall bedeutet. Vom Bistum Augsburg hieß es, man trage den Grundsatzbeschluss mit, wolle aber nicht länger auf dessen noch ausstehende Umsetzung warten. Dem ernannten Bischof Bertram Meier sei es wichtig gewesen, "den Betroffenen eine Perspektive zu eröffnen, um die sie uns immer wieder gebeten haben". Die Entscheidung der Bischöfe für Schmerzensgeldzahlungen hatte damals zu Kritik aus Opferverbänden geführt. Diese hatten zuvor Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer in Höhe von mehreren hunderttausend Euro gefordert.

Ferner sieht die Augsburger Ordnung die Übernahme von Kosten für Therapie und Paarberatung vor, wie es hieß. Zudem plane man die Einrichtung einer Stelle für Begleitung und Begegnung. Auch solle es "Sachwalter" als Ansprechpartner für Betroffene geben. Diese benenne der Bischof; sie dürften in keinem kirchlichen Arbeitsverhältnis stehen. Bertram Meier habe dazu Michael Triebs erkoren, Richter im Ruhestand am Oberlandesgericht München. Triebs werde daher seine Aufgabe als diözesaner Ansprechpartner für Fälle sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt abgeben. Seine Nachfolge sei noch unklar.

Bertram Meier erklärte: "Meine Zeit als Bischof wird sich auch daran messen lassen müssen, wie ich mit diesem dunklen Kapitel unserer Vergangenheit als Kirche umgegangen bin und was ich getan habe, dass sich Derartiges nie mehr wiederholt und nicht zuletzt auch, wie wir den Betroffenen geholfen haben."

Von der Betroffenen-Organisation Eckiger Tisch hieß es, man begrüße "die Ungeduld des Bischofs". Die angekündigten Summen stünden zwar in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden, so Sprecher Matthias Katsch. "Aber sie bedeuten einen Fortschritt gegenüber den bisherigen Anerkennungsleistungen, die mit bis zu 5.000 Euro eher symbolischer Art waren."

Katsch warnte zugleich vor einem "Flickenteppich an Regelungen, wenn jedes Bistum und jede Ordensgemeinschaft eigene Summen und eigene Verfahren einführt". Er appellierte an die DBK: "Machen Sie einen erneuten Anlauf für eine gemeinsame Regelung aller Bistümer. Auch die Ordensgemeinschaften dürfen nicht vergessen werden!"

Weiter bemängelte Katsch, bei den Augsburger Plänen gingen Einmalzahlungen und Unterstützungsleistungen bei Bedürftigkeit durcheinander. Bei der Frage der angemessenen Entschädigung für erlittene sexuelle Gewalt durch Kleriker könne es nicht um Ersatzleistungen für Sozialhilfe gehen, sondern um Schmerzensgeld für Betroffene, unabhängig von deren finanzieller Lage. Darüber hinausgehende Unterstützungen für besonders bedürftige Betroffene seien begrüßenswert, sollten aber nicht mit den Entschädigungszahlungen für alle Opfer vermischt werden. (rom/KNA)

02.06.2020, 16:30 Uhr: ergänzt um Statement von Matthias Katsch.