Bischof Meier: "Heute ist kein Maskenball, sondern ein Glaubensfest"
Was wäre, wenn die Corona-Pandemie nicht über die Welt hereingebrochen wäre? Diese Frage haben sich in den vergangenen Wochen gewiss Millionen von Menschen gestellt – unter ihnen vielleicht auch Bertram Meier und mit ihm einige der rund 1,3 Millionen Katholiken im Bistum Augsburg. Ohne Corona wäre Meier bereits am 21. März zum Bischof geweiht worden. Bestimmt hätten an diesem Tag tausende Gläubige den Weg zum Augsburger Dom gesäumt, um ihre Verbundenheit mit dem neuen Oberhirten, den sie aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit in der Bistumsleitung bereits kennen und schätzen, zu zeigen. Auch die Kathedrale selbst wäre bis zum letzten Platz gefüllt gewesen.
Doch bekanntlich kam es anders. Wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie und dem daraus resultierenden Versammlungsverbot im Freistaat Bayern musste die Weihe verschoben werden. An diesem Samstag nun, Anfang Juni, fand sie unter strengen Hygienebestimmungen statt. Der Platz vor dem Dom ist bis auf einige Schaulustige weitestgehend leer. Im Gotteshaus selbst sind wegen der Schutzmaßnahmen nur rund 180 geladene Gäste anwesend, ein Querschnitt aus Politik, Gesellschaft und kirchlichem Leben, unter anderem mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Viele Reihen müssen leer bleiben, pro Bank sitzen nur zwei bis drei Leute. Die Bischöfe, Priester und der liturgische Dienst absolvieren den Einzug mit dem nötigen Sicherheitsabstand. Die meisten Geistlichen tragen während der ganzen Zeremonie Mundschutz.
Konzentriert und bedächtig
Die Ausnahmen sind diejenigen, die in dieser Feier eine tragende Rolle spielen: Kardinal Marx, der als Metropolit der Kirchenprovinz München und Freising, zu der das Bistum Augsburg gehört, die Weihehandlung vornimmt, Erzbischof Nikola Eterovic, Päpstlicher Nuntius in Deutschland, der als Vertreter des Heiligen Stuhls in Deutschland dem Domkapitel die Päpstliche Ernennungsbulle überreicht – und nicht zuletzt der Weihekandidat selbst. Dieser ist, wie es die Liturgie einer solchen Feier vorsieht, bis unmittelbar nach der Weihehandlung zunächst einmal "passiv". Meier wirkt konzentriert, bedächtig – genauso wie die Stimmung, die während der Zeremonie mit ihren besonderen Umständen herrscht.
Das Wort haben zunächst andere. Und auch sie kommen nicht umher, das über allem schwebende Thema anzusprechen. "Wir spüren, dass wir über Wochen und Monate nicht zusammenkommen konnten, das war und ist ein Einschnitt", sagte Kardinal Marx in seiner Predigt. "Wir wissen nicht, wie das weitergeht, wie lange das dauert." Aber eines sei klar: Die Kirche sei in diesen "stürmischen und unruhigen Zeiten" da. Ein Bischof, so Marx, müsse gerade jetzt deutlich machen, wofür das Evangelium stehe: "Es geht zuerst um das Evangelium, um Gott – und nicht zuerst um die Kirche oder die Frage, ob die Kirche systemrelevant sei."
Bischöfe und Gläubige hätten die Verpflichtung, das Reich Gottes zu bezeugen und Hoffnung zu vermitteln. "Gott ist da, er ist das absolute Geheimnis", betonte Kardinal Marx. Ein Bischof könne nur dann Zeuge des absoluten Geheimnisses Gottes sein, wenn er versuche, die Stimme Gottes zu verkörpern. Damit nahm Marx Bezug auf Meiers Wahlspruch als Bischof: "Vox verbi – vas gratiae" – "Stimme des Wortes – Gefäß der Gnade". Bertram Meier solle, so der Wunsch des Kardinals, als Bischof von Augsburg auf die Menschen zugehen und mit ihnen eine "Kirche auf dem Weg" sein, "eine Kirche, die nicht starr stehen bleibt, sondern die in dynamischer Bewegung das Reich Gottes verwirklicht".
Der Limburger Bischof Georg Bätzing, der als Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz an der Weihe teilnahm, begrüßte Bischof Meier im Kreis der deutschen Bischöfe und bat ihn um sein kraftvolles Mitwirken in der Bischofsversammlung. Denn Kirche und Gesellschaft erlebten aktuell eine der größten Krisen in ihrer Geschichte. "Du bist ein Mann, der Antworten geben kann, ein Mensch mit seelsorglichem Herzen, mit einem Herzen für die Menschen und deren Fragen, ein Mensch mit ökumenischem Herz, mit römischer und weltkirchlicher Erfahrung", sagte Bätzing zu Meier und bat ihn, alles, was er an Erfahrung und Herzblut habe, einzubringen. Der neue Augsburger Bischof wollte sich bei Bätzing für seine Worte bedanken und wäre ihm dabei fast zu nahe gekommen. Erst im letzten Moment ließ Meier von einer Umarmung ab und klopfte Bätzing stattdessen auf die Arme.
Nur die Konsekratoren legten die Hände auf
Als Bätzing seine Worte zu Bertram Meier sprach, hatte dieser bereits die Kathedra im Dom in Besitz genommen – wodurch die Einführung in sein Amt als 62. Nachfolger des heiligen Ulrich abgeschlossen war. Zuvor hatten Kardinal Marx und seine beiden Mitkonsekratoren, Nuntius Eterovic und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, die Weihehandlung offiziell vollzogen. Bei den mit ihr einhergehenden liturgischen Elementen, der Handauflegung, der Salbung des Haupts mit Chrisam-Öl und der Ausbreitung des Evangeliars über Meier, war ein Sicherheitsabstand nicht möglich. Dafür verzichteten die übrigen anwesenden Bischöfe auf die Handauflegung. Zudem wurden Meier von Kardinal Marx die Insignien, die sichtbaren Zeichen seiner Macht, überreicht: Mitra, Ring und Bischofsstab.
Am Ende der Messe hatte dann auch derjenige das Wort, der an diesem Tag im Mittelpunkt stand. Der neu geweihte Bischof Bertram grüßte insbesondere all jene, die die Weihe am TV oder im Livestream verfolgten – und winkte dabei auch seiner Mutter zu, die unweit vom Augsburger Dom in einem Pflegeheim lebt. Besonders freute sich Meier über die Anwesenheit von evangelischen und orthodoxen Vertretern bei der Weihe, schließlich ist ihm als Kind aus einem gemischtkonfessionellen Elternhaus die Ökumene auch persönlich ein großes Anliegen. Das zeigte sich beim Gottesdienst auch daran, dass eine evangelische Prädikantin eine der Lesungen vortrug.
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Die Umstände seiner Weihe, das muss auch Meier zugeben, sind besonders. Dennoch zeigte er sich humorvoll: "Heute ist kein Maskenball, sondern ein Glaubensfest." Das Motto in den vergangenen Wochen lautete hinsichtlich der Bischofsweihe, nicht länger zu warten, sondern zur Tat zu schreiten, ergänzte er. Dass er sich das auch für sein bischöfliches Handeln zu Herzen genommen hat, zeigte er, indem er gleich zwei wichtige Personalentscheidungen verkündete. So wird Domkapitular Harald Heinrich erneut zum Generalvikar ernannt. Er hatte dieses Amt bereits unter Meiers Vorgänger Konrad Zdarsa inne und unterstützte Meier während der Sedisvakanz als stellvertretender Diözesanadministrator. Zudem wird im Bischofshaus erstmals eine Frau als Amtsleiterin die Geschäfte führen und das Sekretariat leiten: Die Ordensfrau Anna Schenck von der Congregatio Jesu werde sich, so Meier, fortan um Querschnittsprojekte aus dem innerkirchlichen und gesellschaftlichen Bereich kümmern.
Was kann die Diözese Augsburg von ihrem neuen Oberhirten erwarten? "Ich will und werde nicht alles ändern", sagt Meier. Dennoch ist er überzeugt, dass man in der Kirche, besonders nach der Corona-Pandemie, an manchen Stellschrauben drehen und auch Bewährtes neu justieren und aufstellen müsse. Dafür wünscht er sich kirchliche Mitarbeiter, die nicht bremsten, sondern mitzögen, die mobil seien und verfügbar. Dabei wandte er sich insbesondere an die Priester: "Ich brauche euch!"
Rund viereinhalb Monate nach seiner Ernennung durch Papst Franziskus hat Bertram Meier nun offiziell sein neues Amt angetreten – "endlich", wie sich die Gläubigen im Bistum Augsburg vermutlich denken werden. Doch feiern können sie an diesem Tag nicht mit ihm, da das ursprünglich geplante Fest nach der Weihe am Domplatz aus bekannten Gründen nicht stattfinden kann. Die große Feier soll aber, wie Meier schon vor Wochen angekündigte, irgendwann nachgeholt werden, sofern es die Umstände zulassen – vielleicht am ersten Jahrestag der Bischofsweihe. Dann können die Gläubigen im Bistum Augsburg ihre Verbundenheit mit ihrem Bischof besonders ausdrücken – und ihm hoffentlich zu einem gelungenen ersten Amtsjahr gratulieren.