Kirche in Quader-Optik: Wie Minecraft in der Seelsorge genutzt wird
Minecraft wird Jugendlichen, jungen Menschen oder Eltern von Gamer-Teenagern schon länger ein Begriff sein. In dem Open-World-Spiel bewegen sich die Spieler in einer offenen Welt, die sie mit meist würfelförmigen Blöcken nahezu komplett anpassen können. So werden ganze Landschaften und Gebäude erschaffen und mit eigenen Avataren – ebenfalls in Quader-Optik – erkundet. Dabei können die Spieler Material sammeln und Monster besiegen. 2009 erstmals veröffentlicht und immer wieder durch Updates ergänzt, wurde das Game bis heute über 200 Millionen verkauft – es ist das meistverkaufte Videospiel der Welt.
Seit wenigen Jahren traut sich die katholische Kirche immer weiter an Minecraft heran und will so etwa Seelsorge auf eine völlig neue Ebene sowie in die digitale Welt bringen. Auch das Projekt "Holy Blocks" bietet seit Neuestem eigene Katechesen für die Firmvorbereitung an. "Es wirkt erst einmal neu, doch Minecraft ist eine eigene Lebenswelt, in der sich Jugendliche und junge Erwachsene aufhalten", sagt Projektleiter und Theologe Matthias Schmidt. Vor etwa zwei Jahren entsprang die Idee dafür in einem Team aus katholischen Theologen, Philosophen, Pädagogen und Informatikern. Gefördert wird es vom Innovationsfonds Medien der Deutschen Bischofskonferenz.
Der Gruppe um Schmidt war es ein Anliegen, religiöse Bildung und Katechese in digitalen Medien anzubieten, um Jugendliche in dieser – ihrer – Lebenswelt zu erreichen. Gerade Minecraft biete da viele Möglichkeiten. Zum einen sei das Spiel leicht zugänglich. "Man muss dafür nicht viel von Computerspielen verstehen, sondern kommt in eine Welt rein, in der man auf ziemlich einfache Weise sehr schnell sehr viel gestalten kann", erklärt der Theologe. Neben der Gestaltung stehe vor allem die Interaktion im Mittelpunkt. Gerade während der Corona-Krise könnten Katechesen mit solchen Projekten digital weitergehen, auch wenn die Firmungen verschoben wurden. Diese Projekte hätten einen entscheidenden Vorteil gegenüber üblichen Videokonferenzen, in denen weniger Interaktion stattfinde. "Man kommt maximal in einen Austausch, indem man sich sieht und hört, aber nicht wirklich etwas zusammen machen, gestalten und letztlich erleben kann. Das wird schnell langweilig und müßig – und dann schwindet auch die Konzentration", so Schmidt.
Zocken im Schöpfermodus
Konkret bietet das Projekt an, in der Gruppe Bibelstellen nachzubauen, wobei die Teilnehmer per "TeamSpeak", einer Software für Sprachkonferenzen, miteinander kommunizieren können. Dabei gibt es zwei Modi: Im Creative Mode haben die Jugendlichen mehr Möglichkeiten, Dinge zu errichten. "Das ist der Schöpfermodus, was uns auch im theologischen Sinne angesprochen hat", sagt Schmidt. "Wir haben eine Welt gebaut, in der man in einer riesigen Bibliothek startet und dann quasi in ein biblisches Buch hineingeht." In einem Gruppenraum können Jugendliche und Gruppenleitung oder Katechet virtuell zusammenkommen. Dort bekommen sie eine Bibelstelle zugeteilt, reflektieren diese und überlegen gemeinsam, was sie daraus machen wollen, woraufhin die kreative Arbeit beginnt. Daneben gibt es bereits gebaute Kirchen und Kapellen, in denen die Gruppenstunden religiös begonnen oder beendet werden können, etwa mit einem Gebet.
Der andere Spielmodus gestaltet sich etwas komplexer, erklärt Schmidt. Gemeinsam soll die Gruppe Rätsel und Aufgaben lösen, Hindernisse überwinden oder Gegner besiegen. "Da geht es darum, in einer eigenen ausführlichen Welt die sieben Gaben des Heiligen Geistes kennenzulernen." Für den Fall, dass jemand aus der Gruppe Minecraft nicht mag, stände darüber hinaus etwa eine Liste für kleinere Smartphone-Spiele zur Verfügung.
Daher ist es dem Team "ein Anliegen zu zeigen, dass es nicht nur Minecraft gibt, sondern dass Glaube und Religiosität tatsächlich auch digital stattfinden können", so Schmidt. Dennoch soll sich das Digitale auch mit dem Analogen verbinden, damit das Geschaffene in der Gemeinde sichtbar wird. "Man kann zum Beispiel ein Video von dem machen, was man gebaut hat. Wovon wir noch träumen, wäre, das Gebaute mit einem 3D-Drucker auszudrucken oder auszufräsen."
Eigene Gottesdienste mit Eselreiten und Fürbitten auf kleinen Tafeln
Neben "Holy Blocks" gibt es viele weitere Projekte, die Minecraft in einen kirchlichen Kontext bringen. So veranstaltete die Akademie "Erbacher Hof" im Bistum Mainz einen Wettbewerb. Teilnehmer sollten in Minecraft ein Gotteshaus bauen. Gleiches galt für einen Kirchenbau-Wettbewerb der Jugendendstelle Kaufbeuren im Bistum Augsburg unter Schirmherrschaft des kürzlich ernannten Bischofs Bertram Meier. Sogar der Vatikan hat einen eigenen Minecraft-Server. Zu Ostern und Pfingsten bot die Cansteinische Bibelanstalt in Berlin sogar Minecraft-Gottesdienste an, unter anderem mit Kreuzweg, Eselreiten nach Jerusalem und individuellen Fürbitten auf kleinen Tafeln.
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Gottesdienste sind auch bei "Holy Blocks" in Zukunft "sehr gut vorstellbar", sagt Schmidt. "Wir praktizieren das bei uns im Team regelmäßig, dass wir im Spiel gemeinsam kleine Andachten oder Gebete halten", so der Theologe. Auch sei es eine Form von Gottesdienst, wenn Jugendliche sich in einer Gruppenstunde intensiv mit einem Bibeltext auseinandersetzten. Diese müssten nicht immer in Kirchen oder anderen Gotteshäusern stattfinden. "Wenn ich eher der kontemplative, meditative Typ bin, kann ich mir auch einen Meditationsraum bauen und Meditation in meinem Kurs anbieten. Da gibt es in Minecraft viele Möglichkeiten. Man kann sich auch den Canyon bauen und dort Gottesdienst feiern."
Darüber hinaus soll es weitere Katechesen für Firmlinge und Jugendgruppen geben, etwa zur Persönlichkeitsentwicklung. "Vor allem in der Pubertät kommt die Frage auf: Wer bin ich eigentlich und wer will ich sein? Wer bin ich in der Gruppe? Das kann man damit aufgreifen, wie man seinen Avatar gestaltet", so Schmidt. Auch kleinere Katechesen sind denkbar. "Unser Anspruch ist es nicht unbedingt, den ganzen Firmkurs mit Minecraft zu gestalten, sondern es kann ein einzelnes Modul sein." In Zukunft wird Minecraft wohl die Kirche noch ein wenig begleiten – vielleicht sogar als völlig neue oder ergänzende Form der Pastoral? Das wird die Zeit zeigen.