Ein Seelsorger sieht rot
Greim war bis 1. August katholischer Betriebsseelsorger in Nürnberg. Am 22. September will er als Abgeordneter in den Bundestag einziehen, und zwar für die Linke. Er ist Direktkandidat im Wahlkreis Nürnberg-Süd/Schwabach.
Das Konzil auf dem Wahlplakat
Es ist eher ungewöhnlich, dass ein katholischer Hauptamtlicher für die Linke antritt. Das räumt auch Greim ein, doch sieht er die katholische Soziallehre genau dort am besten vertreten. Deshalb habe er auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) auf seinem Wahlplakat zitiert. Über 33 Jahre war Greim Betriebsseelsorger in Nürnberg. Damals, zu Beginn seiner Tätigkeit, habe er einen klaren Auftrag gehabt, "den Skandal, dass die Kirche die Arbeiterschaft verloren hat, zu bearbeiten und den Graben zur Gewerkschaft zuzuschütten". Diese Aufgabe habe er "ziemlich erledigt".
Über die Jahre hinweg ist Greim eine Institution geworden, wenn es um Arbeitnehmerrechte in der Region Nürnberg geht. Anlässe gab es genug. Die Werksschließungen bei Traditionsmarken wie Grundig, Triumph Adler, Quelle oder auch AEG hat der Betriebsseelsorger begleiten müssen. Bei Protesten war er immer an vorderster Front. Und Greim war lautstark. Eine Kirchenglocke auf einem Gestell mit Rädern hatte der Betriebsseelsorger - meist mit signalfarbener Warnweste über dem Leib - immer im Schlepptau, wenn er aufrütteln wollte.
Eng an der Seite der Gewerkschaften
Bei Betriebsschließungen stand Greim eng an der Seite der Gewerkschaften und sieht darin gewissermaßen eine Verpflichtung als Christ. Nicht der, der sage "Herr, Herr", habe den Geist des Herrn immer bei sich, sondern der, der den Willen Jesu tue, zitiert er das Lukasevangelium. Auch als es um die Proteste gegen Kanzler Gerhard Schröders (SPD) Reform-Agenda ging, war der Betriebsseelsorger unter den Kritikern. Die Kirche müsse sich politisch positionieren, ist er überzeugt.
Die Hartz-IV-Gesetze waren letztlich der Auslöser, dass Greim seine parteipolitische Neutralität aufgab. Schon zu der in Nürnberg von Gewerkschaftsfunktionären gegründeten Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) hatte er Kontakt. Als es dann zur Fusion mit der SED-Nachfolgepartei PDS kam, ging er 2005 zur Linken. "In die PDS allein wäre ich nicht eingetreten", sagt Greim. Auch weil der ostdeutsche Flügel zu konservativ sei. Aber es gebe ja nun einen starken westdeutschen Flügel.
Plakate, Info-Stände und fair gehandelte Schokolade
Mit einer öffentlichen Kandidatur hat der verheiratete Vater eines Sohnes jedoch gewartet, bis er die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit erreicht hat. "Man kann zwar nicht neutral sein, aber man muss unabhängig sein", dies sei sein Credo während der aktiven Dienstzeit gewesen. Außerdem hat er nun mehr Zeit, Plakate zu kleben und mit Info-Ständen für sich zu werben. Dort verteilt er fair gehandelte Schokolade aus dem Eine-Welt-Laden der katholischen Stadtkirche.
Greim müsste das Direktmandat holen, um in den Bundestag einzuziehen. Er hat keinen Platz auf der bayerischen Landesliste der Linken. Mehr als 30 Prozent bräuchte er in seinem Wahlkreis. Immerhin ist der zu Teilen von einem sozial eher schwächeren Milieu geprägt. Trotzdem ist das Mandat sehr unwahrscheinlich, wie er selbst einräumt.
Und dann? "Im Frühjahr sind Stadtratswahlen." Außerdem wolle er mit seinem Nachfolger noch Betriebsräte besuchen. Greim ist zudem stellvertretender Pfarrgemeinderatsvorsitzender in seiner Pfarrei. Ist sein Eintreten für die Linke ein Problem? "Sehr entspannt", werde das gesehen, auch vom selbstständigen Bau-Nebengewerbler und dem Metzgermeister in der Gemeinde.
Von Christian Wölfel (KNA)