Ärzte sollten tödliches Medikament verabreichen dürfen

Landesbischof Meister: Der Mensch hat Recht auf Selbsttötung

Veröffentlicht am 10.08.2020 um 11:21 Uhr – Lesedauer: 

Osnabrück ‐ In Deutschland wird eine Neuregelung der Sterbehilfe diskutiert. "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung, wobei ich hier Recht nicht juristisch meine, sondern theologisch als eine Möglichkeit verstehe", sagt Hannovers Landesbischof Ralf Meister.

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Der evangelische Landesbischof Hannovers, Ralf Meister, hält eine Selbsttötung auch aus christlicher Perspektive für zulässig und plädiert für eine aktivere Rolle der Ärzte. "Der Mensch hat ein Recht auf Selbsttötung, wobei ich hier Recht nicht juristisch meine, sondern theologisch als eine Möglichkeit verstehe", sagte Meister der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). "Wenn mir Gott das Leben schenkt, hat er mir an dem Tag, ab dem ich Erdenbürger bin, auch die Berechtigung zur Gestaltung dieses Lebens gegeben." Diese Selbstbestimmung habe auch mit der Beziehung zu Gott und anderen Menschen zu tun, sie sei immer eingebunden in ein Beziehungsgeschehen.

Ärzte sollten tödliches Medikament verabreichen dürfen

Der Landesbischof erklärte, er hoffe nun auf eine gute Diskussion über den Umgang mit Sterbenden und deren Begleitung. Meister bejahte, dass es Ärzten künftig erlaubt sein sollte, ein tödliches Medikament zu verschreiben und zu verabreichen. "Genau über diesen Punkt sollten Gesetzgeber und Ärztekammer sprechen", sagte er. Er sei jedoch gegen jede Form von geschäftsmäßiger Assistenz zum Suizid. "Denkbar wäre so etwas wie eine Beratungspflicht, wenn möglich zusammen mit Angehörigen und Ärzten", so Meister. "Wir sollten alle Möglichkeiten eröffnen, dass ein Leben bis zum letzten Atemzug lebenswert bleibt", forderte der hannoversche Landesbischof. Zugleich sei Respekt vor jenen gefordert, die den Zeitpunkt ihres Todes selbst wählen wollen und um angemessene Hilfe bitten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar den Paragrafen 217 Strafgesetzbuch für nichtig erklärt und damit das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben. Karlsruhe betonte, es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Darin sei die Freiheit eingeschlossen, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Zugleich erklärte das Gericht ausdrücklich, dass es dem Gesetzgeber möglich sei, eine neue rechtliche Regelung zu beschließen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erbat daraufhin von Kirchen, Medizinern, Juristen und Sozialorganisationen Vorschläge für eine Gesetzesreform.

Das Urteil traf bei der katholischen und Teilen der evangelischen Kirche sowie manchen Vertretern der Ärzteschaft auf heftige Kritik. Entgegen einer gemeinsamen kritischen Stellungnahme der Spitzen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte Meister das Urteil begrüßt, weil es zeige, dass die Würde des Menschen auch dessen Selbstbestimmungsrecht beinhalte. (tmg/KNA/epd)