Deutscher Distriktoberer Stefan Pfluger im Interview

Was die Piusbruderschaft über Corona und den Synodalen Weg denkt

Veröffentlicht am 15.08.2020 um 12:34 Uhr – Lesedauer: 

Stuttgart ‐ Seit einem Jahr ist Stefan Pfluger Oberer der deutschen Piusbrüder. Im Interview erklärt er, wie es um den Kontakt der traditionalistischen Gemeinschaft nach Rom steht, wie sie den Synodalen Weg bewertet – und ob Corona eine Strafe Gottes ist.

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Am Fest Mariä Himmelfahrt 2019 trat Stefan Pfluger als deutscher Distriktoberer der traditionalistischen Piusbruderschaft die Nachfolge von Firmin Udressy an. Der Schweizer zieht Bilanz über seine ersten zwölf Monate im Amt und und geht auf das 50-jährige Bestehen der Gemeinschaft ein.

Frage: Pater Pfluger, seit einem Jahr sind Sie als Distriktoberer der Leiter der Piusbruderschaft in Deutschland. Wie sehen Sie die Situation?

Pfluger: In der Priestergemeinschaft mit ihren 45 Mitgliedern bin ich sehr freundlich aufgenommen worden. Die Priester werden unterstützt von gut einem Dutzend Ordensbrüdern und -schwestern. Wir betreuen mehrere Schulen, Altenheime, ein Exerzitienhaus, eine Familienbildungsstätte und einen Verlag. Allerdings sieht es personell nicht allzu gut aus, wir könnten mehr Geistliche gebrauchen.

An vielen Orten beobachten wir, dass speziell junge Familien den Weg zu uns finden. Gerade in der Corona-Zeit suchen die Menschen offenbar Orte, an denen sie zur Beichte gehen oder Gottesdienste besuchen können. Es besteht ein starkes Interesse von Menschen, die auf der Suche sind oder enttäuscht, dass ihr Hunger nach Sakramenten und Glauben zu wenig gestillt wird. Abzuwarten ist, ob diese Menschen langfristig bei uns bleiben.

Frage: In Deutschland ist wegen der geringen Zahlen gerade die Priesterausbildung stark im Gespräch. In der katholischen Kirche wird der Priestermangel immer offensichtlicher. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Pfluger: In den vergangenen Jahrzehnten wurden in unserem Priesterseminar in Zaitzkofen 144 Priester geweiht. Viele von ihnen werden aber ins Ausland versetzt. Auf die Zeit seit 2000 bezogen liegt die Zahl neuer Priester, die im deutschen Distrikt bleiben, bei knapp unter einem je Jahr. Ich wäre sehr dankbar, wenn es zwei oder drei wären.

Frage: Wie schätzen Sie aktuell das Verhältnis zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft ein?

Pfluger: Die Kommunikation mit Rom ist Sache unserer Zentrale, dem Generalhaus im schweizerischen Menzingen. Soweit ich es übersehe, leben wir in einer Zeit des Timeout, es gibt also weder eine weitere Entfernung noch eine Annäherung. Letztlich gab es im vergangenen Jahrzehnt ein Hin und Her, bei dem es – vereinfacht formuliert – immer darum ging, ob wir vorbehaltlos alles akzeptieren, was beim Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossen wurde.

Theologisch steht aus meiner Sicht die Frage im Zentrum, ob es eine für alle Menschen geltende Glaubenswahrheit gibt. Dem stehen einige Dokumente des Konzils entgegen. In den Bereichen bischöflicher Kollegialität, Ökumene, interreligiöser Dialog und Religionsfreiheit sehen wir einen Bruch zum vorkonziliaren Lehramt. Wir vertreten die Auffassung, dass auch der Staat mithelfen sollte, übernatürliche Ziele zu erreichen. Dass das nicht durchsetzbar und umsetzbar ist, das wissen wir. Wir leben in einer heidnischen Gesellschaft.

Bild: ©FSSPX

Stefan Pfluger (links) ist seit einem Jahr deutscher Distriktoberer der Piusbruderschaft. Er folgte auf Firmin Udressy.

Frage: Beim Sport geht nach dem Timeout das Spiel weiter.

Pfluger: Stimmt, aber dazu kann ich keine Prognose abgeben.

Frage: Die Piusbruderschaft wurde 1970, also vor 50 Jahren, gegründet. Wie feiern Sie den Jahrestag?

Pfluger: Die Piusbruderschaft insgesamt plant für Ende Oktober eine internationale Wallfahrt nach Lourdes. Da sollten eigentlich 15.000 bis 20.000 Menschen teilnehmen. Aktuell sieht es so aus, als ob die Veranstaltung stattfindet, allerdings kleiner. Aber Prognosen sind in Zeiten der Corona-Pandemie schwierig.

Bruderschaftsintern steht am 24. September in Econe eine Feier an, in deren Rahmen die sterbliche Hülle unseres Gründers Erzbischof Marcel Lefebvre vom Seminargelände in die Krypta der Kirche überführt werden soll. Die jährliche Distriktwallfahrt nach Fulda fällt vermutlich den Corona-Einschränkungen zum Opfer.

Frage: Hat die Piusbruderschaft die Vorgaben zur Pandemie vollständig umgesetzt?

Pfluger: Eingehalten ja, aber ohne Begeisterung. Gewisse Einschränkungen waren für uns schwer nachvollziehbar. Warum wurden Gottesdienste komplett verboten? Die Abstandsregelungen, wie es sie jetzt gibt, hätten auch vorher gereicht. Die Gottesdienste der Kar- und Osterwoche in leeren Kirchen – das war traurig.

Frage: Halten Sie die Kritik für nachvollziehbar, die Kirchen seien in der Corona-Krise nicht vernehmbar gewesen?

Pfluger: Ich will das nicht beurteilen, aber er scheint nachvollziehbar. Warum etwa haben Bischöfe die Messfeiern ausgesetzt, bevor der Staat das angeordnet hat? Viele Priester haben sich kritisch zu Wort gemeldet.

Frage: Sehen Sie die Pandemie als Strafe Gottes?

Pfluger: Nichts geschieht, ohne dass Gott es zulässt. Alles hat seinen Sinn und Zweck. Jeder Mensch hat Grund, sich selbst zu hinterfragen. Aber Corona als Strafe Gottes – das lässt sich nicht beweisen.

Ein Küster desinfiziert ein Kirchenbank
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

"Gewisse Einschränkungen waren für uns schwer nachvollziehbar", sagt Stefan Pfluger über die Vorgaben für Gottesdienste in der Corona-Pandemie.

Frage: Wie ist das Verhältnis zur Deutschen Bischofskonferenz?

Pfluger: Auch da hat sich nicht viel getan. Den neuen Vorsitzenden, Bischof Bätzing, will ich um ein Gespräch bitten.

Frage: Wie beurteilen Sie den Synodalen Weg? Vermutlich sind Sie kein großer Freund dieser Reforminitiative.

Pfluger: Da haben Sie recht. Das größte Problem sehen wir darin, dass Bischöfe und Laien gemeinsam Dinge beschließen wollen, die für die ganze deutsche Kirche bindend sein sollen. Das widerspricht der hierarchischen Verfassung, wie sie im Kirchenrecht steht. Wie soll ein Bischof gegen sein Gewissen an etwas gebunden werden, was er nicht will? Über Glaube und Moral verhandeln, das ist die falsche Herangehensweise. Durch solche Verhandlungen kann die Kirche nicht gerettet werden.

Frage: Könnten Sie ein Beispiel nennen?

Pfluger: Eine These ist, dass Machtstrukturen abgeschafft werden müssen, um Missbrauch zu verhindern. Aber Macht ist nicht an sich schrecklich, sondern nur ihr Missbrauch. Machtgefälle an sich sind nicht schlecht. Viele leugnen die Autorität. Aber die wirklich Gläubigen wollen eine väterliche Führung. Wer im besten Sinne väterlich ist, der missbraucht seine Macht nicht.

Frage: Wie geht die Piusbruderschaft mit Missbrauchstätern um?

Pfluger: Es gab in anderen Ländern einzelne Fälle. Wir haben dann immer mit den Behörden zusammengearbeitet. Wir bemühen uns um eine menschenmöglich gute Präventionsarbeit, haben hierzu auch ein Konzept erarbeitet. Unsere Statuten sehen in so einem Fall den Ausschluss vor.

Von Michael Jacquemain (KNA)