"Eine erleuchtete Verrücktheit"

Erzbischof schlägt Ergänzung des Glaubensbekenntnisses vor

Veröffentlicht am 16.10.2020 um 12:02 Uhr – Lesedauer: 

Tanger/Madrid ‐ Der emeritierte Erzbischof von Tanger ist für seine deutlichen Worte bekannt – jetzt hat er von einem besonders revolutionären Vorschlag erzählt: eine Veränderung des Glaubensbekenntnisses. Sogar Papst Franziskus habe sich dazu schon geäußert.

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Der emeritierte Erzbischof von Tanger (Marokko), Santiago Agrelo, hat Papst Franziskus eine Änderung im Glaubensbekenntnis vorgeschlagen. In einer Veranstaltung zur Sozialenzyklika "Fratelli tutti" mit dem spanischen Onlinemagazin Religion Digital (RD) berichtet Agrelo in der vergangenen Woche, wie er dem Papst einmal vorgeschlagen habe, "die Armen in das Glaubensbekenntnis einzubeziehen". Er habe auch einen konkreten Textvorschlag eingereicht: "Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, gesalbt und gesandt, um die Armen zu evangelisieren, die Gemeinschaft der Heiligen".

Papst Franziskus habe auf den Vorschlag mit Humor reagiert. "Ich werde den Vorschlag mit zuverlässigen Leuten beraten", soll er geantwortet haben. "Damit hat er mir mit großer Höflichkeit eine Abfuhr erteilt", so Agrelo. Für den Erzbischof, der dem marokkanischen Bistum von 2007 bis 2019 vorstand, hat der Vorschlag aber einen bedeutenden theologischen Kern. "Es ist eine Tatsache, dass die Armen in unsere Verkündigung, in unseren Glauben eintreten müssen. Jesus wurde durch den Geist gesalbt, um die Armen zu evangelisieren", betont er im Gespräch mit RD.

"Die Kirche kann keine andere Beziehung zu den Armen haben wie Jesus"

Agrelo hatte mit der Ablehnung des Papstes schon gerechnet und nennt seinen Vorschlag selbst "una locura", eine "Verrücktheit" – "aber eine erleuchtete Verrücktheit": Die Aufnahme der Armen ins Credo wäre eine beständige Erinnerung daran, dass die Kirche eine Frohe Botschaft für die Armen sein müsse. "Mein Herz sagt mir, dass die Kirche keine andere Beziehung zu den Armen haben kann wie Jesus selbst. Er wurde vom Geist gesalbt, um den Armen das Evangelium zu bringen."

Agrelo ist in seinem Heimatland Spanien bekannt für seinen deutlichen Einsatz für die Rechte von Geflüchteten, die von Nordafrika aus Zuflucht in Europa suchen. "Menschen haben Rechte, Grenzen nicht. Die Armen haben Rechte, das Geld nicht", betonte er im August anlässlich des Todes von Migranten, die in einem Schiffscontainer versucht hatten, von Algerien nach Spanien zu gelangen.

Die Änderung des Glaubensbekenntnisses wäre eine fast präzedenzlose Geste. Die beiden wichtigsten Bekenntnisse, das Apostolische Glaubensbekenntnis und das Nicäno-Konstantinopolitanum (Großes Glaubensbekenntnis), werden seit der Frühzeit der Kirche fast unverändert von so gut wie allen Christen in den Ost- und Westkirchen verwendet. Eine Veränderung im Credo könnte größere ökumenische Verwerfungen auslösen und ist daher sehr unwahrscheinlich. Bis heute ist der Filioque-Zusatz über den Hervorgang des Heiligen Geistes auch aus dem Sohn einer der großen theologischen Streitpunkte unter anderem zwischen der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen. (fxn)