Freude und Streit: Als Johannes Paul II. erstmals Deutschland besuchte
In Mexiko und Brasilien, in Afrika und erst recht in seiner polnischen Heimat war der neue, 1978 gewählte Papst bereits begeistert begrüßt worden. Die USA feierten ihn als "Superstar". In Deutschland war man dagegen zunächst skeptisch, wie Johannes Paul II. im "Land der Reformation" empfangen würde. Schließlich wurde aber auch sein achter Auslandsbesuch vom 15. bis 19. November 1980 zu einer Jubelreise.
Das schien zunächst mehr als fraglich. Zwar hatte Karol Wojtyla auch nördlich der Alpen damals hohe Sympathiewerte. Aber im Vorfeld war ein Streit entbrannt um die Kosten der Visite – rund 20 Millionen D-Mark. Dann wollten die Ökumene-Partner ein Sachgespräch statt eines Höflichkeitstreffens. Zudem hatte sie eine negative Beurteilung Luthers in einer Vorbereitungsbroschüre der Bischofskonferenz vergrätzt.
Ein "katholisches Woodstock"
Das schien jedoch ausgeräumt oder vergessen, als Johannes Paul II. deutschen Boden betrat, als erster Papst nach 198 Jahren. Er feierte in sieben Städten große Messen mit ebensovielen Zielgruppen. In 29 Predigten und Ansprachen verkündete er die christliche Botschaft, klar und in gutem Deutsch. Er wollte die Menschen im Glauben stärken, die Kirche als Zeichen der Hoffnung erfahrbar machen, das kirchliche Leben in Deutschland mit seinen Chancen und Schwierigkeiten besser kennenlernen.
Zwischen 1,5 und 2 Millionen Menschen erlebten den Papst damals live. Dass es weniger waren, als viele Medien aus der Größe der Veranstaltungsplätze folgerten, lag auch am kalten und trüben November-Wetter. Bei der Messe in Osnabrück für die Menschen in der Diaspora regnete es ununterbrochen; noch Jahre später sprachen Beobachter von einem "katholischen Woodstock". Und beim Gottesdienst für die Jugend auf der Münchener Theresienwiese stürmte es heftig.
Johannes Paul II.: Ein Jahrhundertpontifikat mit schwierigem Erbe
Kaum ein Pontifikat in der jüngeren Kirchengeschichte prägte die Kirche so sehr wie seines: An diesem Montag wäre Johannes Paul II., der "Jahrhundertpapst", 100 Jahre alt geworden. Seine historische Bedeutung gilt als unbestritten – dennoch beurteilen viele Beobachter sein Vermächtnis zwiespältig.
Die Papstreise 1980 hatte kein zentrales Motto. Und der offizielle Anlass – der 700. Todestag des in Köln beigesetzten Kirchenlehrers Albertus Magnus – wirkte eher aufgesetzt. So lebte die Reise von vielen Themen und Botschaften: zur Glaubensvertiefung und zur Soziallehre, zu Ökumene und Dialog, zu Familie und Lebensschutz. Höhepunkte waren eine akademische Rede vor Wissenschaftlern im Kölner Dom, Begegnungen mit Juden in Osnabrück und mit Senioren in München. Aus einem Ökumene-Treffen in Mainz ging 1999 die katholisch-lutherische Erklärung zur Rechtfertigungslehre hervor, ein Meilenstein der Ökumene.
Ein Dreivierteljahr lang hatten die deutschen Organisatoren mit dem Vatikan geplant. Es wurde über Stationen, Gottesdienstplätze und Begegnungen gerungen. Wen trifft der Papst, wo, in welchem Rahmen und wie lange? Nicht alle Wünsche konnten realisiert werden: weder ein ausführlicher Disput mit der Ökumene noch ein Fachgespräch mit Bundeskanzler Helmut Schmidt im Palais Schaumburg.
Programm wurde bis zum letzten Moment geändert
Das Programm stand erst 30 Tage vor der Ankunft des Papstes fest – und wurde bis zum letzten Moment verändert. Ein "Zwischenfall" in München, als eine Jugendvertreterin den Papst am Schluss der Messe auf Probleme ihrer Altersgenossen mit der Kirche ansprach und dieser nicht antwortete, erwies sich im Nachhinein auch als Regiefehler infolge einer kurzfristigen Programmverschiebung.
Insgesamt überwog bei dieser Deutschlandreise das Interesse. Aber das änderte sich in den Folgejahren. Im Zuge von "Kölner Erklärung", manchen Bischofsernennungen und dem Tauziehen um die Schwangerschaftskonfliktberatung kühlten die Beziehungen zu Rom ab. Die Positionen der Kurie und dann auch die des Papstes galten als zu starr. Kritik und Tonfall wurden bei späteren Papstreisen nördlich der Alpen schärfer, wie sich schon vier Jahre später in der Schweiz zeigte.
Geblieben sind von 1980 viele Erinnerungen an einen "Papst zum Anfassen" und Gedenktafeln zu einem historisches Ereignis. Geblieben sind aber auch starke Botschaften, manche weiterführenden Initiativen und ein karitatives Groß-Projekt. Die Deutschen schenkten dem Papst eine Kollekte; 30,53 Millionen D-Mark kamen zusammen. Sie bildeten den Grundstock der "Stiftung Johannes Paul II. für die Sahelzone" – die bis heute Hilfsprojekte in der Region unterstützt.